Zeitschriften der Frauenbewegung digital entdecken
Die Zeitschriften der Frauenbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts sind eine unerschöpfliche Quelle: In ihnen können alle Themen und Entwicklungen dieser sozialen Bewegung nachvollzogen werden. Bereits die Zeitgenossinnen selbst haben die Zeitschriften erstmals in Gruppen eingeteilt. Schon 1928 setzt sich Hilde Lion (1893–1970) wissenschaftlich mit einer Gruppierung der Zeitschriften auseinander. In der Gruppe der „eigentlichen Zeitschriften der Bewegung“ fasst sie „die Organe der Bünde, der großen Verbände“ zusammen und bezeichnet sie als „Niederschlag der Bewegung, ihr[en] Kommentar, ihre Chronik."1 Auch die 2022 vom Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) für die Digitalisierung ausgewählten Zeitschriften Die Frauenbewegung und das Centralblatt mit seiner Fortsetzung Die Frauenfrage gehören in diese Gruppe.
Um dem von 1893 bis 1944 erscheinenden Blatt der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung Die Frau – herausgegeben von Helene Lange und später von Gertrud Bäumer und Frances Magnus-von Hausen – etwas entgegenzusetzen, erscheint ab 1895 Die Frauenbewegung als Sprachrohr des radikalen Flügels der Bewegung. „[E]ine Zeitschrift, welche eine Vereinigung aller Einzelbestrebungen für das Wohl des weiblichen Geschlechts bilden soll“, so die Herausgeberinnen Lily von Gizycki und Minna Cauer.2
Hier schreiben nun Frauen wie z. B. Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann, Marie Raschke, Helene Stöcker und Käthe Schirmacher. Daneben erscheint auch das vier Jahre später herauskommende Centralblatt, das Publikationsorgan des Dachverbandes des Bundes Deutscher Frauenvereine, als „viel abwägender, meist sachlicher und, weil es nichts versprechen oder fordern durfte (…) manchmal etwas weniger kurzweilig“, so Hilde Lion.3 Eine Wertung die wir als Nachfahr:innen nicht unbedingt teilen müssen, jedoch bald selbst online überprüfen können!
Von der Auswahl zum Onlinegang
Bis die Zeitschriften allerdings digital in META durchzublättern sind, ist viel Arbeit zu tun. Los geht’s im AddF mit dem Gang in die Bibliothek und dem Ausheben aller im Original vorhandenen Zeitschriftenbände sowie der vorhandenen Einzelhefte. Dann beginnt die Prüfung der Originale: Sind die Bände vollständig? Können fehlende Hefte über vorhandene Einzelexemplare ergänzt werden? Welche Schäden haben die Originale? Welche davon müssen noch vor der Digitalisierung restauriert werden? Und sind die dazugehörigen Beilagen vollständig enthalten, z. B. bei der Frauenbewegung die Parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzgebung (1899–1906) und die Zeitschrift für Frauenstimmrecht (1907–1918)? All diese Fragen sind relevant, bevor die Zeitschriften nach der Auswahl für die externe Digitalisierung vorbereitet werden. Dann heißt es, Digitalisierungsanweisungen zu schreiben, Seiten zu zählen, um die anfallenden Kosten zu ermitteln, und die erforderlichen Metadaten zusammenzustellen, bis schließlich alles sicher verpackt der Dienstleistungsfirma übergeben wird. Diese produziert die Digitalisate, die angeforderten Metadaten und die OCR-Dateien. Zurück im AddF werden die Originale auf mögliche Schäden und die Digitalisate und Metadaten auf Vollständig- und Richtigkeit geprüft. Alles, damit die Digitalisate im META-Katalog am Ende richtig angezeigt werden.
Und nichts geht ohne Rechteklärung
Gerade die Rechteklärung ist im Zusammenhang mit Zeitschriften besonders herausfordernd. Denn auch hier gilt: Das Urheber:innenrecht aller Artikel liegt bei den Autor:innen. So müssen alle in den Zeitschriften schreibenden Personen erfasst und recherchiert werden. Sind Autor:innen seit 70 Jahre tot, endet die Schutzfrist durch das Urheber:innenrecht und der Text wird gemeinfrei. Doch oft können keine oder nur wenige Spuren der Autor:innen gefunden werden. Für diese recht aufwändigen Arbeiten ist für die Jahrgänge der ausgewählten Zeitschriften eine Liste von fast 1.000 Personen zusammengekommen. Wie so eine Recherche nach dem Urheber:innenrecht funktioniert und was für Geschichten dahinterstecken können, zeigt der DDF-Blogbeitrag Sichtbarkeit mit Hindernissen.
Von der Aushebung der Zeitschriftenbände bis zur Einspielung in den META-Katalog vergehen also mehrere Monate. Mit dem Onlinegang der 2022 ausgewählten Zeitschriften ist daher gegen Ende des Jahres zu rechnen.
Das aktuelle DDF-Projekt ist am 1. Januar 2022 gestartet und hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Neben der Digitalisierung der Zeitschriften stehen die Erschließung des Bestandes der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD) und die Bearbeitung des Fotoarchivs im Fokus des Projektes. Darüber hinaus entstehen für die Veröffentlichung im DDF Essays zu Sophia Goudstikker (1865–1924), Ika Freudenberg (1858–1912), Marie Stritt (1855–1928), Käthe Schirmacher (1865–1930), Auguste Schmidt (1833–1902), zur EFD und ‚last but not least‘ zum Weltgebetstag der Frauen.
Das AddF besteht seit 1983 in Kassel. Es betreibt ein Forschungsinstitut und Dokumentationszentrum zu Frauenbewegungen und Frauengeschichte des 19. und 20 Jahrhunderts. Neben einer Spezialbibliothek unterhält es ein umfangreiches Archiv, in dem Bestände von Frauenvereinen und -organisationen sowie Nachlässe ihrer Protagonistinnen gesammelt werden.
Ausgewählte Inhalte vom AddF in DDF und META-Katalog: