Eröffnung der Wanderausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“

veröffentlicht 29. November 2023

„Gemeinsam sind wir unerträglich“ – so lautet der Spruch auf einer Postkarte der Lesben in der Kirche, einer Gruppe, die sich 1982 in Ost-Berlin gründet. Dieser Slogan verweist auf zwei entscheidende Momente frauenbewegter Geschichte in der DDR: Frauen kommen zusammen und agieren längerfristig als Gruppe. Und sie benennen unbequeme Themen, die in der Gesellschaft, in ihren Organisationen und in den Familien verschwiegen werden – kurz: etwas Unerträgliches.

Die ersten Frauengruppen entstehen

Seit 1980 kommen in der DDR Frauen in informellen Kreisen zusammen. Sie wenden sich offen gegen die Aufrüstungspolitik der DDR, andere beklagen die Diskriminierungserfahrungen von Lesben. Von Beginn kritisieren viele dieser Gruppen die Situation von Frauen in der DDR und ziehen die staatliche Doktrin von der verwirklichten Gleichberechtigung der Frauen in Zweifel. Es ist eine kleine Minderheit von Frauen in der DDR, die ihrem arbeitsreichen Alltag einschließlich der zweiten Schicht nach Feierabend noch eine politische Untergrundtätigkeit hinzufügt.

Die Ausstellung erzählt die Geschichte einer sozialen Bewegung in einer Diktatur – jegliche öffentliche Aktion der Frauengruppen führte zu Repressalien durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und andere Sicherheitsorgane. Deren Ziel war, die Aktivistinnen zu schwächen und die Gruppen zu zerstören. Die Frauen lassen sich davon nicht abhalten.

Frauenforum der Lila Offensive in der Winterkirche der Gethsemanegemeinde Berlin-Prenzlauer Berg, 23. November 1989
Kerstin Baarmann
Quelle
RHG_Fo_GZ_1859/Robert-Havemann-Gesellschaft
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Ausstellungseröffnung vor historischem Hintergrund: Die Berliner Gethsemanekirche bot den Frauengruppen in der DDR einen wichtigen Raum. Foto: Frauenforum der Lila Offensive in der Winterkirche der Gethsemanegemeinde Berlin-Prenzlauer Berg, 23. November 1989

Als Bewegung sichtbar

In den letzten fünf Jahren vor der Maueröffnung tritt die Bewegung hervor. Die Zahl der Gruppen steigt und sie vernetzen sich auf regelmäßigen Treffen. Einzelne Akteurinnen sind in mehreren Gruppen zugleich aktiv, denken ihre Arbeit neu gruppen- und ortsübergreifend in den Dimensionen einer Bewegung. Die Ausstellung präsentiert auch Gruppen abseits der großstädtischen Bewegungszentren in Sachsen, Thüringen und Ost-Berlin. Dank der Recherchen des Kurator*innenteams können erstmals neue Erkenntnisse über Frauengruppen in Schwerin, Parchim, Cottbus, Potsdam, Weißenfels, Eisenach und anderen Orten präsentiert werden.

Kulminationspunkt der Bewegung ist das letzte Jahr der DDR. In den politischen Umwälzungen der Jahre 1989/90 drängen die Frauen auf politische Teilhabe. In dem sich kurzzeitig öffnenden Zeitfenster zwischen Friedlicher Revolution, Maueröffnung und Wiedervereinigung erheben sie den Anspruch, den demokratischen Wandel und eine neue Gesellschaft unter den Vorzeichen einer endlich geschlechtergerechteren Welt mitzugestalten.

Hintergrund & Ausstellungseröffnung

Die Ausstellung wurde ins Leben gerufen, um die frauenpolitische Leerstelle in der vorherrschenden Erzählung über die DDR-Bürgerbewegung und die Friedliche Revolution zu füllen. Sie würdigt das lange vergessene aktivistische Engagement der Akteurinnen dieser Bewegung. Begleitend erscheint ein Ausstellungskatalog beim Mitteldeutschen Verlag, der zusätzliches Quellenmaterial bereithält. Historiker*innen führen darin in das Thema ein und stellen aktuelle Bezüge her, Zeitzeuginnen blicken zurück und reflektieren das Erbe dieser Bewegung für die Gegenwart.

Die Wanderausstellung wird am 8. Dezember 2023 um 19 Uhr in der Gethsemanekirche Berlin-Prenzlauer Berg (Stargarder Str. 77, 10437 Berlin) eröffnet. Im Rahmen der Vernissage hält Evelyn Zupke, SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag, das Grußwort. Als leitende Kuratorin eröffnet Ulrike Rothe die Ausstellung und lädt zum Gespräch mit Dr. Anna Kaminsky (Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur), Dr. Martina Weyrauch (Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung) Dr. Jessica Bock (Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv) und Almut Ilsen (Zeitzeugin, Frauen für den Frieden), moderiert von Rebecca Hernandez Garcia (Kuratorin). Musikalisch begleitet wird der Abend von Beate Wein.

Die Teilnahme an der Ausstellungseröffnung am 8. Dezember 2023 in Berlin ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht nötig. Die Ausstellung kann bis zum 12. Dezember 2023 in der Berliner Gethsemanekirche besichtigt werden – Folgetermine sind in Kürze einsehbar. Am 9. und 10. Dezember 2023 bieten die Kuratorinnen Führungen durch die Ausstellung an. Ab Januar 2024 kann die Ausstellung entliehen werden.

Kuration: Ulrike Rothe (leit.), Rebecca Hernandez Garcia und Judith Geffert

Weitere Informationen: Flyer zur Wanderausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich. Die unabhängige Frauenbewegung in der DDR.“

Kontakt & Verleih: www.agentur-bildung.de

Die Ausstellung wird gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung und des Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur

Das Digitale Deutsche Frauenarchiv begleitet die Ausstellung mit einem in Kooperation erstellten Flyer und unterstützt u.a. die Eröffnung der Wanderausstellung. 

Stand: 29. November 2023

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