Langzeitarchivierung als gemeinsame Aufgabe
Wie ist mit einem Bestand wertvoller und zum Teil einmaliger digitaler Informationen umzugehen, der als Teil einer kulturellen Überlieferung über Generationen hinweg erhalten und zugänglich gemacht werden soll? Welche technischen und fachlichen Voraussetzungen sind nötig, um ein so umfangreiches Archivierungsvorhaben umzusetzen? Und wie lässt sich dieser Aufgabe und auch Verpflichtung verantwortungsvoll nachkommen, wenn die nötigen Strukturen erst aufgebaut werden müssen?
Vom ersten Gespräch bis zur Datenübertragung
Diese Fragen brachte das Team des DDF zum ersten Beratungstermin im Herbst 2022 mit der TIB mit. Als Dienstleisterin bietet die TIB digitale Langzeitarchivierung (LZA) an und berät bei der Planung und Umsetzung. Das Angebot der TIB richtet sich unter anderem an Bibliotheken, Archive, Museen und Infrastruktureinrichtungen. In den ersten Gesprächen wurde sehr schnell deutlich, welche Schätze die digitalen Sammlungen des DDF umfassen und welcher Herausforderungen es derzeit bedarf, diese zu erhalten. Für uns als TIB war klar, dass wir dem DDF eine Lösung anbieten wollen. Eine Lösung, mit der dauerhaft und im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten die Erhaltung und Nutzbarkeit der Digitalisate sichergestellt werden kann.
Aber bevor die ersten Daten in das Langzeitarchiv der TIB übertragen werden konnten, mussten noch grundsätzliche Fragen geklärt werden. Einerseits ging es darum, welche Anforderungen das DDF an das Archiv hat und welche Erwartungen heutige und zukünftige Nutzer*innen hinsichtlich der Struktur und der Kontextualisierung der Inhalte im Archiv haben. (Mehr dazu in einem der folgenden Blogbeiträge.)
Langzeitarchivierung von digitalem Kulturerbe kostet Geld
Eine weitere Aufgabe bestand darin, eine gemeinsame vertragliche Basis zu schaffen, die sowohl die Anforderungen des DDF als auch die Bedürfnisse der TIB berücksichtigt. Die Herausforderung war, die Finanzierung der Dienstleistung in bestehende Strukturen zu integrieren und darüber eine solide und langfristige Kalkulation zu gewährleisten.
Dies ist geglückt. Es zeigt aber auch, wie wichtig es gerade für kleinere Institutionen ist, auf eine verlässliche Finanzierung vertrauen zu können. Hier müssen grundsätzlich noch einige Anstrengungen im Bereich der Langzeitarchivierung unternommen werden, um deutlich zu machen, dass die Erhaltung von digitalem kulturellem Erbe dauerhaft finanziert werden muss!
Der Weg zur Dienstleistung
Die Arbeit an der digitalen Langzeitarchivierung hat an der TIB vor mehr als 15 Jahren begonnen. Die Digitalisierung der Informationsversorgung hatte die Bibliotheken längst erreicht. Es war klar, dass der langfristige Zugang zu digitalen Informationen nur sichergestellt werden kann, wenn deren Inhalte dauerhaft archiviert werden. Zu dieser Zeit wurde bereits intensiv an der Lösung dieser Aufgabe gearbeitet. Es gab weltweit unzählige Projekte, die versuchten, auf verschiedenen Ebenen Lösungen zu finden.
Neben der konzeptionellen Arbeit und der Entwicklung von Modellen ging es hauptsächlich darum, technische Lösungen zu finden und Arbeitsprozesse zu entwickeln. Auch wurde schnell klar, dass die Erhaltung des Datenstroms nicht ausreicht, um die Nutzbarkeit von Informationen langfristig zu gewährleisten.
Während es für die Hardware-Obsoleszenz – die begrenzte Lebensdauer passender Hardware – recht gute Ansätze gab, entwickelte sich die Frage der Format-Obsoleszenz – also die Tatsache, dass Formate nicht unbegrenzt nutzbar sind – zu einer großen Herausforderung. Hinzu kam, dass die bisherigen Modelle der Beschreibung von Objekten mithilfe von Metadaten für die digitalen Langzeitarchivierung nicht ausreichend waren. Auch hier bestand die Herausforderung darin, Modelle und Lösungsansätze zu finden, die aktuelles Wissen berücksichtigen, aber auch noch unbekannte Entwicklungen antizipieren.
Digitale Langzeitarchivierung als Querschnittsaufgabe
Heute, 15 Jahre später, hat sich gezeigt, dass erfolgreiche digitale Langzeitarchivierung nur als Zusammenspiel von technischen, organisatorischen und auf Wissen basierenden Faktoren möglich ist. Digitale Langzeitarchivierung ist eine Querschnittsaufgabe, die idealerweise in einem eigenen Verantwortungsbereich angesiedelt ist und sich sowohl mit digitaler als auch mit analoger Bestandserhaltung befasst.
Know-how aufbauen und weiterentwickeln
Der dauerhafte Betrieb eines Langzeitarchivierungssystems ist kosten- und ressourcenintensiv. Neben dem Bedarf an skalierbarem Speicherplatz, einer performanten Systemumgebung und softwarebasierter Werkzeuge braucht es sehr spezielles und tiefes Wissen im Bereich von Formaten, Datenprozessen, Datenstrukturen, der Administration von Hardware und Software, Modellen und Strukturen von Metadaten und der intensiven Vernetzung in der LZA-Fachcommunity.
Dieses Know-how zu schaffen und permanent weiterzuentwickeln, ist eine der größten Herausforderungen in der LZA, wenn nicht sogar die größte. Nur langsam entwickeln sich Strukturen und Curricula, die in Ausbildung und Studium ein Wissen über die digitale Langzeitarchivierung vermitteln, das praxistauglich ist. Und es bedarf jahrelanger Arbeit und damit verbundener Erfahrung in diesem Bereich, die nur über dauerhafte Beschäftigung mit dem Thema zu erreichen ist.
Aus Sicht der TIB ist es nicht sinnvoll, nicht wirtschaftlich und oft auch gar nicht möglich, diese Strukturen und Anforderungen flächendeckend umzusetzen. Aus diesem Grund bietet die TIB institutions- und themenübergreifend die digitale Langzeitarchivierung als Dienstleistung für alle an, die hier Unterstützung suchen.
LZA ist eine gesellschaftliche Aufgabe
Digitale Langzeitarchivierung ist keine Einzelaufgabe von Institutionen, Universitäten, Bibliotheken, Museen oder Archiven. Digitale Langzeitarchivierung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, deren Herausforderungen nur gemeinschaftlich bewältigt werden können. Wir freuen uns sehr, dass wir unsere jahrelange Erfahrung, unser Wissen und unsere Ressourcen in die Kooperation mit dem DDF einfließen lassen können und damit unser beider Verantwortung gerecht werden können.
Zum ersten Teil der Blogreihe:
Feministische Archive starten Langzeitarchivierung