Konfessionelle Frauenbewegung: von konservativ zu progressiv

verfasst von
  • Mareike Hollmann und Charlotte Pissors
veröffentlicht 04. Mai 2020

Unter der Schirmherrschaft der Kaiserin Auguste Viktoria wurde die Evangelische Frauenhilfe 1899 als Frauenhülfe des Evangelisch-Kirchlichen Hülfsvereins gegründet. Über das 19. und 20. Jahrhundert hinaus bestand die Frauenhilfe als eine der mitgliederstärksten Frauenorganisationen der konfessionellen Frauenbewegung, bis sie sich 2008 mit der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland zu den Evangelischen Frauen in Deutschland zusammenschloss.

Sichtung des EFHiD-Bestandes durch zwei Mitarbeiterinnen im Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel.
Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel / Silke Mehrwald
Mareike Hollmann und Charlotte Pissors bei einem ersten Blick in die Bestände.

Geteilt in die Geschäftsstellen West und Ost mit den Sitzen in Münster (später Düsseldorf) und Potsdam gelang es der Frauenhilfe, über die innerdeutsche Grenze hinweg den Kontakt zu halten. In der Form steter Korrespondenz, aber auch jährlicher sogenannter Herbstkonferenzen kooperierten die Frauenhilfen West und Ost weiterhin eng miteinander, bis 1992 die Wiedervereinigung der Frauenhilfe erfolgte. Die damit einhergehende Schließung der Geschäftsstelle in Potsdam zog Proteste und Diskussionen nach sich. Die ostdeutschen Frauen befürchteten, dass ihre spezifischen Probleme und Anliegen in der Düsseldorfer Geschäftsstelle nicht genug Gehör finden könnten. In wieweit dies eingetreten sind, bleibt zu erforschen.

Bemerkenswert ist der Wandel der Frauenhilfe von einem kirchlich-konservativen Verband mit deutlichem Schwerpunkt auf Fürsorgearbeiten diakonischer Art hin zu einem politisch-progressiven Frauenverband. Bis in die 1950er Jahre lag es im Selbstverständnis der Frauenhilfe, das Frauenbild der Ehefrau, Hausfrau und Mutter zu fördern. Doch mit der Diskussion um das Gesetz zur Gleichberechtigung wurden zunehmend feministisch-theologische Aspekte in die verschiedenen Arbeitsbereiche der Frauenhilfe aufgenommen. Kontroverse ethische und frauenspezifische Themen wie die Apartheid in Südafrika oder §218 wurden von der Evangelischen Frauenhilfe auf internationaler und ökumenischer Ebene mitdiskutiert. In zahlreichen Manuskripten, Stellungnahmen, offenen Briefen und Pressespiegeln sind diese Debatten überliefert.

Der Bestand bietet Nutzer*innen wertvolle Einblicke in die landesweite Struktur der Frauenhilfe, ihre Arbeitsweise und ihre vielfältigen Tätigkeitsbereiche. Mit der Erschließung dieses Bestandes leistet das Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel (AddF) einen weiteren wichtigen Beitrag für die Erforschung der konfessionellen Frauenbewegung, denn in seinen Depots findet sich auch der schon erschlossene Bestand des Deutschen Evangelischen Frauenbundes.

Gestartet ist dieses DDF-Projekt am 1. Januar 2020 mit einer Laufzeit von 12 Monaten. Zusätzlich zur Erschließung des Bestandes der Frauenhilfe wird das Fotoarchiv mit Fokus auf den Zeitraum 1850 bis 1960 überarbeitet. Außerdem werden die Zeitschrift Neue Bahnen und Manuskripte aus dem Nachlass von Gabriele Strecker digitalisiert, es entstehen Essays zu Akteurinnen der ersten Frauenbewegung, wie z.B. zu Malwida von Meysenbug, Lily Braun, Marie Calm und Lina Morgenstern.

 

Ausgewählte Beiträge des AddF aus vorhergehenden DDF-Förderprojekten:

Stand: 04. Mai 2020

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