Über Eleonore Romberg
Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus
Die Friedensaktivistin, Soziologin und Bayerische Landtagsabgeordnete Eleonore Romberg lebte seit ihrer Geburt am 19. Juni 1923 bis zu ihrem Tod am 2. August 2004 in München. Ihr Vater, Anton Hagspiel, starb 1926, nach einigen Jahren heiratete ihre Mutter Antonie, geb. Neuner, erneut. Eleonore und ihr Bruder wuchsen gemeinsam mit drei Stiefschwestern in „relativ ärmlichen Verhältnissen“1 im Münchner Stadtteil Ramersdorf auf. Nach acht Jahren Volksschule erhielt sie 1937 einen Platz an der Riemerschmid-Handelsschule. Im gleichen Jahr erkrankte sie an Kinderlähmung. Aufgrund ihrer Erkrankung wurde ihr die Aufnahme in den Bund Deutscher Mädchen verwehrt. Doch trotz Krankheit und Ausgrenzung schloss sie die Handelsschule 1940 erfolgreich ab. Zeitgleich war sie mit dem Tod ihres Bruders, der Pilot bei der deutschen Luftwaffe war, konfrontiert. Darüber hinaus war ihr Stiefvater zuvor wegen politischer Äußerungen denunziert worden und musste für neun Monate ins Gefängnis Stadelheim. Beide Ereignisse prägten ihr weiteres politisches Denken.
Politisierung in der Nachkriegszeit
Während des Krieges arbeitete Eleonore Romberg als Kontoristin. Durch Kontakte zu einem Kreis junger Leute, die der neu gegründeten CSU nahestanden, erhielt sie im Herbst 1945 die Stelle einer Sekretärin bei Alois Hundhammer, dem ersten CSU-Fraktionsvorsitzenden.2 Zwar weckte diese Tätigkeit ihr Interesse an Politik, aber sie schlug eine andere politische Richtung ein. Ihr politisches Verständnis wurde auch geschärft durch den Arzt Ernst-Heinrich Romberg, den sie 1953 heiratete. Seine Verbindungen zum Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, der 1945 mit Genehmigung der sowjetischen Militäradministration gegründet worden war und später zu einer Massenorganisation der DDR wurde, führte zum Vorwurf, dass Eleonore Romberg mit dem sowjetischen Regime sympathisiere. So verlor sie auf bloßen Verdacht hin ihre Arbeitsstelle bei der CSU. Schließlich verortete sich Eleonore Romberg in keiner Partei, sondern fand ihre politische Heimat in der Frauenfriedensbewegung. Den entscheidenden Impuls lieferte ihr die Debatte um die Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Für sie stand fest, dass es „nie wieder den Hitler und nie wieder Diktatur und nie wieder dieses Strammstehen und nie wieder Krieg“3 geben dürfe. Als sie 1955 Frauen kennenlernte, die in der Münchner Ortsgruppe der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF, englisch: Women’s International League for Peace and Freedom [WILPF], gegründet 1915 in Den Haag) friedenspolitisch aktiv waren, wurde ihr klar, „da gehör ich hin“.4
Für Frieden und Freiheit
Eleonore Romberg trat 1956 in die IFFF ein. Am meisten imponierte ihr, dass die älteren IFFF-Frauen bereit waren, ihre eigene Friedenspolitik kritisch zu überprüfen, um ihren Vorstellungen von Frieden und Freiheit gerecht zu werden, ebenso wie ihre Ablehnung von Freund-Feind-Bildern.5 Mit dieser Politik hatten die IFFF-Frauen einen schweren Stand zu Beginn des Kalten Krieges. Das bayerische Innenministerium ging sogar so weit, die IFFF 1953 auf die Liste ‚verfassungswidriger Organisationen‘ zu setzen. Bereits kurz nach ihrem Arbeitsbeginn musste die Münchner Ortsgruppe ihre Arbeit wieder einstellen. Im Oktober 1955 wurde die IFFF wieder von der Verbotsliste gestrichen.6
Bereits nach kurzer Zeit übernahm Romberg in München die Position der Vorsitzenden der Ortsgruppe und Vertreterin im Geschäftsführenden Ausschuss der Deutschen Sektion, Anfang der 1970er-Jahre wurde sie während des 18. internationalen IFFF-Kongresses in Neu Dehli, Indien, in das Amt der IFFF-Vizepräsidentin gewählt; bei den Vorstandswahlen hatte Romberg die meisten Stimmen erhalten.7 Als Vizepräsidentin konnte sie die Friedenspolitik der IFFF nun auf allen Ebenen, das heißt kommunal, national und international, direkt beeinflussen; für zwei Jahre auch als internationale IFFF-Präsidentin. Um das anspruchsvolle Ziel der IFFF, Frieden und Freiheit gleichermaßen zu verwirklichen, warb sie für ein möglichst breites Bündnis Gleichgesinnter. Dementsprechend sah sie im ‚Eisernen Vorhang‘ keine unüberwindbare Grenze, sondern nahm beispielsweise 1971 an einem internationalen Frauenseminar in Moskau teil, wo es unter anderem um das Thema ‚Frieden und Sicherheit in Europa‘ ging 8
Die Spätberufene: Professorin für Soziologie
Parallel zu ihrem Aufstieg in führende IFFF-Ämter auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene schlug Eleonore Romberg den zweiten Bildungsweg ein. Nach dem Begabtenabitur 1961 studierte sie Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Universität München. 1968 schloss sie ihr Studium mit einer Magisterarbeit über ein frauenspezifisches Thema ab: Die sozio-psychologische Situation der Frau an der Universität. Von 1968 bis 1971 lehrte sie Soziologie an der Ellen-Amman-Schule. Als diese 1971 mit drei weiteren Fachhochschulen zur Katholischen Stiftungsfachhochschule München fusionierte, übernahm Eleonore Romberg (ab 1973 als Professorin) – bis zu ihrer Emeritierung 1983 – den Fachbereich Soziale Planung mit Schwerpunkt Stadtteil- und Ausländerarbeit. 1976 drohte ihr die Katholische Kirche mit Berufsverbot. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Kommunist_innen war dieser suspekt. Eleonore Romberg trat pro forma aus der IFFF aus und ließ ihre Friedensarbeit ruhen, um ihre Professur nicht zu gefährden; Anfang der 1980er-Jahre hatte sich die Angelegenheit beruhigt. 9
Hinterlassenschaften für das 21. Jahrhundert: Kommunal – Transnational denken und handeln
1986 wurde Eleonore Romberg von Münchner_innen aufgefordert, für den Bayerischen Landtag zu kandidieren. Trotz Widerständen – vor allem aus den Reihen der FDP, die sie bezichtigte, Kommunistin zu sein – kandidierte sie erfolgreich als parteilose Friedensaktivistin auf einer offenen Liste der bayerischen GRÜNEN.10 Sie nutzte ihr Mandat, um von 1986 bis 1990 im Bayerischen Landtag ihre Friedenspolitik zu vertreten. Dank ihres langjährigen außerparlamentarischen Engagements in der Frauenfriedensbewegung und aufgrund ihres Fachwissens als Soziologin verknüpfte sie überzeugend Frieden mit Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit. Konkret legte sie dar, wie die bayerische Rüstungsindustrie und Asylpolitik Menschenrechte – insbesondere die von Frauen und Mädchen – verletzte.11 Zeitgleich übte Eleonore Romberg von 1986 bis 1992 zum zweiten Mal das Amt der internationalen IFFF-Präsidentin aus. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen gelang es ihr, die Arbeit der IFFF auch in Lateinamerika zu verankern.12 Bis zu ihrem Tod 2004 lebte Eleonore Romberg vor, was der Slogan ‚Global denken – Lokal handeln‘ friedenspolitisch bedeuten kann. Für dieses politische Leben wurde sie mit dem Bayerischen Friedenspreis der Deutschen Friedensgesellschaft (1991) und der Medaille ‚München leuchtet‘ in Silber der Stadt München ausgezeichnet.
Nachlass-Spuren
Der Nachlass kam 2005 in das Archiv der deutschen Frauenbewegung und umfasst 3,3 laufende Meter beziehungsweise 186 Verzeichnungseinheiten und hat eine Laufzeit von 1949 bis 2003. Leider konnte nach dem Tod Eleonore Rombergs nicht ihr gesamter Nachlass ‚gerettet‘ werden, sondern nur Teile, die noch nicht im Müllcontainer entsorgt worden waren; Forscherinnen konnten in den Jahren zuvor auf ihr umfangreiches Privatarchiv zurückgreifen. Glücklicherweise sind mehrere (biografische) Interviews mit Romberg geführt worden, die erhalten geblieben sind. Es finden sich im Bestand auch viele Unterlagen, die vom internationalen Engagement Eleonore Rombergs in der IFFF zeugen. Weiterhin sind Unterlagen der deutschen Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit überliefert ebenso wie Unterlagen der IFFF-Gruppe in München. Im Nachlass vermittelt sich auch ein Eindruck von den Aktivitäten verschiedener Münchner Frauengruppen, die sich für den Frieden und / oder für Frauenrechte engagierten.
Netzwerk von Eleonore Romberg
Biografie von Eleonore Romberg
Fußnoten
- 1 Interview mit Eleonore Romberg, geführt von Ruth Dieckmann am 8.6 und 11.9.1994, in: Krafft, Sybille: Zwischen den Fronten: Münchner Frauen in Krieg und Frieden, 1900-1950, München 1995, S. 435–447, hier S. 436. Biografische Hinweise finden sich auch im Lebenslauf von Eleonore Romberg vom 9.6.1992 (Archiv der deutschen Frauenbewegung, AddF, Nachlass Eleonore Romberg, NL-P-18, 17-3).
- 2 Siehe dazu Interview mit Eleonore Romberg, geführt von Heike Bretschneider mit dem Titel „Über den Tag hinaus“ am 23.5.1996 (AddF, NL-P-18).
- 3 Interview mit Eleonore Romberg, in: Krafft: Zwischen den Fronten, S. 441.
- 4 Eleonore Romberg, aufgezeichneter Vortrag von 1987 in Bremen, Privatbesitz der Deutschen IFFF-Sektion, anzufragen bei der IFFF-Geschäftsstelle in Berlin, E-Mail: info@wilpf.de.
- 5 Vgl. ebenda; zur Geschichte der IFFF siehe Bussey, Gertrude / Tims, Margaret: Pioneers for Peace: Women’s International League for Peace and Freedom, 1915-1965, Oxford 1980.
- 6 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 13. Oktober 1955, Staatsarchiv München (StaM), Pol. Dir. 9160.
- 7 Interview mit Eleonore Romberg, geführt von Susanne Hertrampf, München, 12.7.1996; vgl. Kongressdokument zur Stimmenabgabe bei der Vorstandswahl 1970/71, WILPF-papers, 1915 1978, Microfilm Edition, hg. von Mitchell F. Ducey, Film Nr. 24.
- 8 Vgl. Romberg, Eleonore: Bericht, internationales Frauenseminar, 18. bis 20. September 1971 in Moskau, AddF, Nachlass Eleonore Romberg, NL-P-18; 23,2.
- 9 Siehe dazu Erika Ewert (Geschäftsführerin der Deutschen Sektion) an Minna Fahrenberg, Brief vom 25.4.1976, und Ruth Gleissberg an Eleonore Romberg, Brief vom 17.11.1981, beide Addf, IFFF-Bestand, NL-K-18
- 10 Pressemitteilung der GRÜNEN, Landesverband Bayern, vom 24.2.1986 und Bewerbung um einen Listenplatz auf der oberbayerischen Liste der GRÜNEN von Eleonore Romberg, Brief vom 12.3.1986, AddF, NL-P-18, 8-6.
- 11 Siehe dazu die parlamentarischen Reden von Eleonore Romberg, in: Archiv des Bayerischen Landtags, Plenarprotokolle der 11. Wahlperiode im Internet, Zugriff am 7.3.2015 unter https://www.bayern.landtag.de/dokumente/drucksachen/.
- 12 Siehe dazu den Bericht des 25. IFFF-Kongresses, St. Cruz, Bolivien, 1.-6.7.1992, Genf 1992.
Ausgewählte Publikationen
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Romberg, Eleonore: Damals, als die Gleichberechtigung ins Grundgesetz kam ..., München: Gleichstellungsstelle für Frauen, 1993