Über Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB)

Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung engagierte sich in den 1950er-Jahren gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, die atomare Rüstung und den Vietnamkrieg. Sie organisierte Mahnwachen, Friedenstage und Friedenskonferenzen und agierte überparteilich und überkonfessionell.

Gründung, Selbstverständnis und Ziele

Ihren Namen erhielt die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB) während einer Friedenskonferenz in Göttingen im Februar 1952. Die Idee für ihre Gründung wurde bereits einige Monate zuvor geboren, als am 14. Oktober 1951 etwa 1.000 Frauen im nordrhein-westfälischen Velbert zum Kongress der Frauen und Mütter für den Frieden zusammenkamen. Initiiert worden war dieser Kongress von evangelischen und katholischen Frauen; zu ihnen gehörten unter anderem Klara Marie Faßbinder (1890-1974, Professorin für Geschichtspädagogik an der Pädagogischen Akademie Bonn), Henriette Rühle (1910–1963, Mitglied der Zentrums-Partei) und

Maria Deku (1901–1983, Mitglied der CSU). Obwohl im Ursprung als Treffen christlicher Frauen geplant, nahmen an diesem Kongress auch Kommunistinnen, Pazifistinnen und Sozialistinnen teil. Über alle weltanschaulichen Unterschiede hinweg einte diese Frauen ihre grundsätzliche Ablehnung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland:

„Der Friede ist unser Leben, darum muß unser Vaterland, sechs Jahre nach dem Kriege, einen richtigen Friedensvertrag erhalten. Nur im Frieden können die schweren, sittlichen Schäden, die zum großen Teil eine Folge der beiden letzten Kriege sind, geheilt werden, Kriegsvorbereitungen vermehren sie. Nur im Frieden können die schwierigen sozialen Probleme, mit denen wir und die ganze Welt ringen, ihrer Lösung entgegengefügt werden. Diese soziale Neuordnung ist der beste Verteidigungsbeitrag. Die Entmilitarisierung Deutschlands soll der Anfang sein für internationale Verständigung und Abrüstung.“1   
Dem ersten Friedenskongress in Velbert 1951 folgten viele weitere, unter anderem in Cuxhaven (1951), in der Frankfurter Paulskirche, in München und in Oberhausen.2

Die Organisation

Die WFFB war ein loser Zusammenschluss von örtlich und regional organisierten Frauengruppen.3 In allen Bundesländern gab es selbstständig arbeitende Regionalgruppen und Arbeitskreise. Sie organisierten Vorträge, Basare, Infostände und Flugblattaktionen und sammelten Unterschriften unter anderem gegen die atomare Aufrüstung und die Notstandsgesetze. In jedem Bundesland gab es eine Vorsitzende oder eine kleine Gruppe, die die Zusammenarbeit der Regionalgruppen koordinierte. Es gab ein gewähltes, bundesweit agierendes Präsidium. Die Öffentlichkeitsarbeit geschah im Wesentlichen über die organisationseigene Zeitschrift Frau und Frieden.4 Die WFFB arbeitete auf der Basis freiwilliger, ehrenamtlicher Arbeit und finanzierte sich über Spenden.5

Die Mitglieder

Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung verstand sich als überparteilich und überkonfessionell. Jede konnte Mitglied werden, unabhängig von ihrer religiösen oder politischen Weltanschauung. Einziges Kriterium für die Mitarbeit war die Identifikation mit dem vorrangigen Ziel der Organisation, die Wiederaufrüstung Deutschlands zu verhindern. So arbeiteten in der WFFB katholische, kommunistische, sozialistische, liberale und konservative Frauen miteinander. Zu den Mitgliedern gehörten Hausfrauen und Berufstätige aus allen Schichten, Arbeiterinnen und Wissenschaftlerinnen.6  
Sie verbanden ihr Engagement für den Frieden mit einem bildungspolitischen, erzieherischen und aufklärerischen Anspruch. Sich für den Frieden zu engagieren, bedeutete auch, Frauen zu befähigen, ihrer Aufgabe als mündige Staatsbürgerinnen gerecht zu werden. Diese Haltung ist nicht als dezidiert feministisches oder frauenbewegtes Engagement für die Rechte der Frau zu verstehen. Ingeborg Küster, Mitbegründerin der WFFB, war nach ihren eigenen Angaben nie sonderlich an den Themen, Aktionen und der politischen Arbeit der Frauenbewegung interessiert. Sie ging sogar soweit, das selbstständige politische Handeln der Frauen abzulehnen. Erst durch ihr politisches Engagement in der WFFB wuchs in ihr die Überzeugung, dass die Mobilisierung von Frauen für den Frieden nur über politische Bildung und Aufklärung funktionieren werde.7 In der Retrospektive gibt es aber durchaus auch Stimmen, die der Meinung sind, die WFFB habe sich insgesamt zu wenig für die Rechte der Frau eingesetzt.8

Aktionen und Aktivitäten

Die WFFB organisierte auch Friedenskonferenzen und Friedenstage. Am 22. Mai 1952 fand in Bonn ein Friedenstag statt, der als Protestaktion gegen den Generalvertrag und den Beitritt der BRD zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft veranstaltet wurde. An diesem Friedenstag nahmen etwa 1.600 Frauen teil.9 Zahlreiche Protest-Resolutionen wurden an Bundeskanzler Adenauer und andere Regierungsmitglieder verschickt. Während die Verhandlungen zwischen den USA, der UdSSR, England und Frankreich in Genf stattfanden, hielten die WFFB-Frauen Mahnwachen ab.10  
In den folgenden Jahren war die Arbeit der WFFB geprägt vom Kampf gegen die Remilitarisierung Deutschlands, gegen die Einführung der Wehrpflicht, gegen die Atombewaffnung, gegen die Notstandsgesetze und gegen den Vietnamkrieg.11 Zur Demonstration ‚Frauen gegen Wiederaufrüstung kamen 1.500 Frauen. Auch an der Protestaktion der amerikanischen Organisation Mütter für den Frieden 1964 in Den Haag, bei der Frauen aus allen NATO-Ländern gegen die Bildung einer multinationalen Atomstreitmacht demonstrierten, waren die WFFB-Mitglieder beteiligt. An dem Anti-Kriegsforum 1964 in Bonn nahmen neben den WFFB-Frauen auch Frauen aus England teil.12  
Ab den 1960er-Jahren wurden der Krieg in Vietnam, die Ostermarschbewegung und die Anti-Atombewegung die zentralen Themen der WFFB.13

Kommunistische Tarnorganisation?

Die Gründung der WFFB kann als Reaktion auf die in parteipolitischen, pazifistischen und christlichen Kreisen geführten Auseinandersetzungen um die deutsche Wiederbewaffnung und die zukünftige friedens- und sicherheitspolitische Ausrichtung des westdeutschen Staates verstanden werden.
Die weltanschauliche Offenheit der WFFB führte zu einer politischen Haltung, die sich vom Denken in ideologischen Blöcken distanzierte. Die praktische Konsequenz hiervon war der Kontakt zu und die Verständigung mit Frauengruppen in anderen, auch kommunistischen und sozialistischen Ländern. So reichte das friedenspolitische Netzwerk der WFFB-Frauen unter anderem in die USA, nach England, Frankreich, die Sowjetunion und nach Vietnam. Vor allem durch ihren Kontakt zu Frauen aus sozialistischen Ländern sahen sich die Mitglieder der WFFB immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, kommunistisch unterwandert zu sein.14 Die Folgen waren Beobachtung durch den Verfassungsschutz, polizeiliche Überwachung, Durchsuchungen von Häusern und Wohnungen sowie Verhaftungen und Anklagen von Aktivistinnen.15 1953 erschien eine vom Verfassungsschutz herausgegebene Liste ‚politischer Tarnorganisationen‘, darunter auch die WFFB. In Bayern protestierte und prozessierte die WFFB gegen diese Diffamierung und erreichte, dass sie hier aus der Liste der verfassungsfeindlichen Organisationen gestrichen wurde.16 In Rheinland-Pfalz wurde die WFFB verboten, was einen viereinhalbjährigen Prozess der Organisation gegen das Land zur Folge hatte, an dessen Ende das Verbot aufgehoben und die WFFB rehabilitiert wurde.17  
Klara Marie Faßbinder schreibt in ihrer Autobiografie über diese Zeit: „Über den Velberter Kongreß und die erste Zeit der Entwicklung habe ich in einem Heft ‚Das Geheimnis von Velbert‘ geschrieben und dabei versucht, die Verleumdungen als ‚Tarnorganisation‘, ‚östlich gesteuert und finanziert‘, zu widerlegen. Diese ein Produkt der merkwürdigen Geisteshaltung in der Bundesrepublik, als ob es undenkbar sei, daß irgendein biederer Bundesbürger einen selbständigen politischen Gedanken haben könne. Entweder muß er ihn von Adenauer oder von Ulbricht entliehen haben!“18

Die Zeitschrift Frau und Frieden

Die Zeitschrift Frau und Frieden erschien zum ersten Mal im Mai 1952. Ständige Mitarbeiterinnen waren Klara Marie Faßbinder, Ingeborg Küster, Elly Steinmann, Maria Deku und Erna Hinz-Vonthron.19 Die Zeitschrift berichtete über nationale und internationale Kongresse der Friedensorganisationen, über Reisen der WFFB-Mitglieder, über geplante Vorhaben der Bundesregierung zur Wiederaufrüstung, über Proteste gegen diese Wiederaufrüstungsmaßnahmen und ganz allgemein über ihren Kampf gegen die Militarisierung und den Auf- und Ausbau der atomaren Rüstung.20  
Die Zeitschrift erschien von 1952 bis 1974 monatlich. 1974 musste sie aus finanziellen Gründen ihr Erscheinen einstellen. Es zeigte sich, dass diese Zeitschrift die Klammer für die Mitglieder der WFFB gewesen war, denn mit dem Verschwinden der Zeitschrift verschwand auch die WFFB. Ein weiterer Grund war, dass es den WFFB-Mitgliedern nicht gelungen war, die nächste Generation von Frauen für ihre Organisation zu gewinnen.21  
Auch wenn die WFFB weder die Wiedereinführung der Wehrpflicht noch den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO oder das atomare Wettrüsten verhindern konnte, so waren die Frauen doch zutiefst überzeugt, dass ihr Engagement richtig und notwendig war. Ihre persönlichen Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg gaben ihnen die Kraft.22

Bestände in Archiven

Da die WFFB keine feste Organisationsstruktur besaß, gibt es auch keinen zusammenhängend überlieferten Archivbestand. Die Reste der Überlieferung dieser Organisation finden sich in verschiedenen Archiven, vermutlich ist einiges noch gar nicht entdeckt, weil es versteckt zwischen anderen Akten und Nachlässen schlummert.
Einige Sammlungen und Nachlasssplitter befinden sich im Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) in Kassel.23  

Stand: 03. März 2020
Verfasst von
Helke Dreier

M.A., Historikerin

Empfohlene Zitierweise
Helke Dreier (2020): Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/westdeutsche-frauenfriedensbewegung-wffb
Zuletzt besucht am: 06.05.2024

Netzwerk von Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB)

Biografie von Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB)

Gründungsidee beim „Kongress der Frauen und Mütter für den Frieden“ in Velbert

Ende 1951

Gründung in Velbert

Veranstaltung und Organisation des Friedenstages in Bonn

Fußnoten

  • 1Manifest von Velbert v. 14. Oktober 1951; AddF Kassel, Sammlung Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB), SK-51; 1.
  • 2Vgl. Nödinger, Ingeborg: Für Frieden und Gleichberechtigung. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung in den 50er und 60er Jahren, in: Hervé, Florence (Hg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Köln 2001, S. 139‒154, hier S. 144.
  • 3Vgl. Faßbinder, Klara Marie: Begegnungen und Entscheidungen, Darmstadt 1961, S. 170 f.
  • 4Vgl. Nyssen, Elke: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, in: Feministische Studien 1984, 3. Jg., 1984, H. 2, S. 66‒77, hier: 68 f.; Steinmann, Elly: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung. Elly Steinmann erzählt, in: Elefanten Press et al.: FrauenBilderLeseBuch, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 142 155, hier S. 145.
  • 5Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, S. 69.
  • 6Vgl. Maltry, Karola: Die neue Frauenfriedensbewegung. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung, Frankfurt a.M./New York 1993, S. 63.
  • 7Vgl. Swiderski, Gaby: Entstehung und Entwicklung der Westdeutschen Frauen-Friedensbewegung (WFFB) von 1951 bis 1956, Hamburg 1981, S. 34, FN 20; Bestand Bibliothek AddF.
  • 8Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, S. 72.
  • 9Maltry: Die neue Frauenfriedensbewegung, S. 63 f.
  • 10Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, S. 72 f.
  • 11Vgl. Maltry: Die neue Frauenfriedensbewegung, S. 63 f.
  • 12Zu den Aktionen vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, S. 72 f.
  • 13Vgl. Nödinger: Für Frieden und Gleichberechtigung, S. 151.
  • 14Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, S. 68.
  • 15Vgl. Stoehr, Irene: Friedensklärchens Feindinnen. Klara-Marie Fassbinder und das antikommunistische Frauennetzwerk, in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechterforschung, 2010, H. 58, S. 12–21, hier S. 12.
  • 16Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, hier S. 70.
  • 17Vgl. Ebenda, S. 70 f.
  • 18Faßbinder: Begegnungen und Entscheidungen, S. 170.
  • 19Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, hier S. 66‒77.
  • 20Vgl. Nyssen: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, hier S. 69; Steinmann, Elly: Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB), in: Hervé, Florence (Hg.): Brot und Rosen. Geschichte und Perspektiven der demokratischen Frauenbewegung, Frankfurt a.M. 1979, S. 170‒180, hier S. 175.
  • 21Vgl. Maltry: Die neue Frauenfriedensbewegung, S. 64.
  • 22Eine ausführlichere Fassung dieses Dossiers findet sich unter: https://www.addf-kassel.de/dossiers-und-links/dossiers/dossiers-organisationen/westdeutsche-frauenfriedensbewegung-wffb/.
  • 23Zum Beispiel die Nachlässe von Ingeborg Küster (Sign. AddF NL-P-27), Elly Steinmann (Sign. AddF NL-P-40) und die Sammlung „Westdeutsche Frauenfriedensbewegung“ (Sign. AddF SK-51). Die Bestände sind verzeichnet und die Findbücher können online eingesehen werden: http://www.addf-kassel.de/sammlungen/archiv/. Auch im Fritz-Küster-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn befinden sich Überlieferungsreste.

Ausgewählte Publikationen