Hedwig Dohm und ihr Kampf gegen die Antifeministen

verfasst von
  • Dr. Kerstin Wolff
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Antifeminismus ist kein modernes Phänomen. Bereits die alte Frauenbewegung kämpfte mit frauenfeindlichen Äußerungen und mit offen antifeministischen Organisationen. Eine der wortgewaltigsten Verteidigerinnen des Feminismus im 19. Jahrhundert war die Schriftstellerin und Publizistin Hedwig Dohm.

Hedwig Dohm zählt zu den bedeutendsten und radikalen Stimmen der alten Frauenbewegung. Sie verfasste zahlreiche politische Essays, Romane, Novellen und sogar einige Märchen. Bekannt geworden ist sie vor allem für ihre scharfzüngige politische Literatur, in der sie sich von Anfang an mit den Antifeministen ihrer Zeit auseinandersetzte und diese und ihre Argumente massiv bekämpfte.

Der Kampf gegen die Antifeministen – Dohms Schriften

Je erfolgreicher und größer die Frauenbewegung wurde, desto lauter wurden auch antifeministische Stimmen. Vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts, als immer deutlicher wurde, dass die Frauenfrage auch politische und kulturelle Fragen aufwarf, nahmen diese Stimmen in allen Teilen der Gesellschaft zu; im Bürgertum wie aber auch im Proletariat. Ute Planert konnte nachweisen, dass antifeministische Tendenzen nicht nur in Berufsverbänden gepflegt wurden, die sich von der neuen weiblichen Konkurrenz bedroht sahen: „Die Opposition gegen Veränderungen im Geschlechterverhältnis reichte weit in die gesellschaftliche Elite hinein und erfaßte neben Staatsbürokraten, Hochschullehrern, Offizieren und Pfarrern auch Vertreter der neuen Leitwissenschaften Medizin und Biologie, dazu Juristen, Publizisten und Politiker.“1

Zu Beginn der 1870er Jahre trat Dohm zum ersten Mal mit hochpolitischen Schriften in die Öffentlichkeit, in denen sie gegen die antifeministischen Tendenzen anschrieb. Sie positionierte sich deutlich als Befürworterin einer uneingeschränkten Frauenemanzipation, sie forderte das Recht auf Bildung ohne Einschränkung durch das Geschlecht und wies eindrücklich auf die frauenfeindlichen Setzungen der Gesellschaft, z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in der Bildungsfrage hin. Dabei sah sie auch die lange Tradition von antifeministischen Argumentationen, die sie bis zu den Griechen und Römern zurückverfolgte und in ihren Werken darstellte. Dohm legte sich in ihren Texten bewusst mit Geistesgrößen ihrer Zeit an, mit Pastoren, Medizinern und Publizisten. Innerhalb von fünf Jahren veröffentlichte sie vier Bücher, deren Titel bereits auf den Inhalt schließen lassen: Was die Pastoren von den Frauen denken erschien 1872, ein Jahr später Der Jesuitismus im Hausstande, 1874 folgte Die wissenschaftliche Emancipation der Frau und 1876 Der Frauen Natur und Recht.

In ihren Texten entlarvte Dohm die gängigen frauenverachtenden Phrasen, indem sie die Argumente ihrer Gegner wörtlich nahm und zu Ende dachte. Dabei nutzte sie einen Stil, der auch heute noch amüsant und flüssig zu lesen ist. „Das Lachen“, so die Germanistin Isabel Rohner, „bleibt einem jedoch im Halse stecken, führt man sich vor Augen, dass dies tatsächlich die Argumente waren, auf deren Grundlage Frauen jahrhundertelang in Abhängigkeit leben mussten und die für sie so schreckliche Folgen hatten.“2

Besonders die Erlangung von (höherer) Bildung, der Kampf um die Mädchenschulreform und den Zugang zu Universitäten auch für Frauen waren Themen, mit denen sich Dohm immer wieder beschäftigte. Sie griff damit eine Problematik auf, die nicht umsonst im Zentrum männlicher Machtansprüche stand. Durch den Ausbau der Frauenbildung, da waren sich alle einig, würde sich in der Gesellschaft einiges ändern. Die Antifeministen befürchteten den Zusammenbruch des gesamten Systems. In den Worten des Historikers Constantin Rößler: „Wer der Meinung ist, daß die alte Gestalt der Gymnasien und Universitäten nicht schnell genug zertrümmert werden könne, der mag den Eintritt der weiblichen Schüler und Hochschüler als das wirksamste Mittel fordern, das unvermeidliche Ende zu beschleunigen.“3

Dohm widerlegte in ihrer Schrift Die wissenschaftliche Emancipation der Frau solche Vorurteile und sezierte geradezu genüsslich den Anatomen Theodor L. W. Bischoff, der durch das Vermessen von männlichen und weiblichen Körpern gegen das Frauenstudium polemisierte. Dass sie sich ausgerechnet der Medizin zuwandte, war nicht zufällig. Waren es doch gerade die Mediziner an Universitäten, die durch das Vermessen und Kartieren von Körpern eine weibliche ‚Sonderanthropologie‘ schufen, die sie innerhalb des Medizinstudiums an die nächste Generation weitergaben. Viele misogyne Theorien stammten von Nervenärzten, Anatomen und Gynäkologen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Inferiorität der Frau wissenschaftlich nachzuweisen. Gegen diese ‚naturwissenschaftlichen Beweise‘ stellte Dohm die Sozialisierungsidee und machte stark, dass Frauen – wie Männer auch – Produkte ihrer Erziehung und der sie umgebenden Gesellschaft seien. Von körperlichen Merkmalen sei nicht auf geistige Fähigkeiten zu schließen. Dohm wörtlich: „‘Der Mann hat längere Beine als die Frau‘, bemerkt sehr richtig Herr von Bischof [sic!]. Ein Schlußsüchtiger könnte allenfalls daraus schließen, daß der Mann sich mehr zum Briefträger eigne als die Frau; ihr aber aus diesem Grund die Fähigkeit zum Erlernen des Griechischen und Lateinischen absprechen zu wollen, ist mehr kühn als logisch gedacht.“4

Die Antifeministen

1902 erschien das Buch Hedwig Dohms, welches das Wort Antifeminismus in die Debatte einspeisen sollte: Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung. In dieser Publikation erschuf Dohm, in Anlehnung an das Wort Antisemitismus, das Wort Antifeminismus und beschrieb hierunter vor allem die Ablehnung frauenbewegter Reformvorschläge.5 Dass die Publikation um 1900 entstand, war nicht zufällig, befand sich doch die Frauenbewegung seit 1890 in einer Mobilisierungshochphase, die bis 1914 anhielt.6 Dadurch wurden sowohl die Protagonistinnen als auch die Themen der Frauenbewegung in der allgemeinen Öffentlichkeit immer präsenter, was ihre GegnerInnen vermehrt auf den Plan rief. Dabei war es vor allem die Frage nach dem Platz der Frauen in der Gesellschaft, der kontrovers diskutiert wurde, wie Susanne Maurer feststellte: „… vor allem aber den Anspruch von Frauen auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe lehnten sie (die Antifeministen; K. W.) ab. ‚Obrigkeit ist männlich; das ist ein Satz, der sich eigentlich von selbst versteht‘, so bringt es der preußische Historiker Heinrich von Treitschke auf den Punkt.“7

In ihrer Publikation zu den Antifeministen ihrer Zeit schält Dohm vier ‚Typen‘ heraus, die auch wir heute noch kennen – auch wenn wir sie anders bezeichnen. Bei Dohm sind dies die ‚Altgläubigen‘, die ‚Herrenrechtler‘, die ‚praktischen Egoisten‘ und die ‚Ritter der mater dolorosa‘.

Wie der Name schon vermuten lässt, beziehen sich die Altgläubigen auf eine angeblich schon immer angewandte Tradition, die das vorgefundene Geschlechterverhältnis als etwas Unveränderliches darstellt. Dazu Dohm: „Die Altgläubigen sind diejenigen, die den Gedankeninhalt vergangener Jahrhunderte für alle Ewigkeit festzuhalten für ihre Pflicht erachten. Zum eisernen Bestand ihrer Argumentation gehört der liebe Gott und die Naturgesetze.“8 Susanne Maurer macht darauf aufmerksam, dass diese Stelle vor allem deshalb so interessant ist, weil Dohm die Idee der angeblich alten Tradition in Frage stellt. Traditionen müssen sich – so das Argument – nicht immer auf eine alte Debatte beziehen, sie können auch „eine historisch recht junge Idee oder Praxis sein (…), die aber ihrer Geschichtlichkeit (und damit Veränderlichkeit) enthoben wird, indem sie als Überliefertes und (von wem eigentlich?) Übergebenes wie ein ewiges Gesetz erscheint.“9 Die Herrenrechtler – so Dohm – unterscheiden sich von den Altgläubigen nur insofern als sie den Fokus nicht so sehr „auf den lieben Gott und seine Offenbarungen, als auf die realen, praktischen Unmöglichkeiten legen, die sich der Frauenemanzipation entgegenstellen. Sie pochen mehr auf ihre Rechte als auf die himmlischen. (…) Der Herrenrechtler weigert dem Weib das Bürgerrecht, weil es als Weib und nicht als Mann geboren wurde.“ Der praktische Egoist „betrachtet die Frauenemanzipation vom Standpunkt der Vorteile oder Nachteile, die ihm daraus erwachsen könnten. Er – der Geschäftsantifeminist – fürchtet von ihr die Konkurrenz beim Broterwerb, sieht aber zugleich in der Erwerbsfrau die Zerstörerin seiner häuslichen Behaglichkeit.“10

Während sie sich mit diesen selbsterklärenden Typen des Antifeminismus nicht näher beschäftigt, nimmt sie die ‚Ritter der mater dolorosa‘, also die Ritter der schmerzensreichen Mutter, näher unter die Lupe. Hierunter fallen viele Mediziner, was Dohm dadurch erklärt, dass die Medizin das erste akademische Fach ist, „auf das die Frauen bereits ihren Fuß gesetzt haben.“11 Diese „Ritter“ heben das weibliche Geschlecht auf einen Sockel, indem sie es überhöhen, idealisieren und vor allem auf seine angeblich schwächere und dadurch zu schützende Körperlichkeit verweisen. Sie schaffen eine besondere – auf dem Körper beruhende – weibliche Schwäche, die es Frauen unmöglich zu machen scheint, das gleiche Pensum an Bildung zu absolvieren wie Männer. Vor allem die Menstruation wird als Grund dafür angegeben. In dieser Zeit – so die Ärzte – sollten Frauen sich schonen, sie seien dann nicht in der Lage, zum Beispiel ein Medizinstudium zu absolvieren. Dohm interveniert energisch gegen diese Idee und führt aus: „Der Einwurf der Menstruation ist absolut hinfällig, so lange man nicht alle arbeitenden Frauen in den Menstruationstagen von der Arbeit suspendiert. Ob sich die Ärzte während der Leidenstage ihrer Köchinnen mit kalter Küche oder mit einer durch Gemütsdepression herabgesetzten Kochkunst begnügen würden? Ob sie nicht vielmehr die Köchin, die allmonatlich ihr Menstruationsgeheimnis verrät, gern mit einer anderen, diskreteren vertauschten?“12 Hier zeigt sich exemplarisch der Dohmsche Stil: Das Argument der Ärzte, welches beweisen soll, warum Frauen nicht Medizin studieren können, wendet Dohm auf die Köchinnen dieser Ärzte an und weist damit auch gleich auf die Klassenfrage hin. Die Argumente der Ärzte werden dadurch als das entlarvt, was sie sind: vorgeschobene, sich edel und besonders auf das Wohl von Frauen abzielende Argumente, die die Emanzipation derselben verhindern sollen. Mit diesem Gedankenkonstrukt wird Frauen aber ebenso ein gesellschaftlich nicht verhandelbarer Platz (durch Männer) eingeräumt, wie dies die Altgläubigen oder die Herrenrechtler auch tun.

Dass das Buch von Dohm auch in der Frauenbewegung rezipiert wurde, zeigen zwei Besprechungen in der Zeitschrift Die Frauenbewegung in den Jahren 1904 und 1910. 1904 bezeichnet die leider unbekannte Rezensentin das Buch als „herzerfrischend“ und wünscht „viele verständnisvolle Leser“; 1910 bespricht Adelheid von Welczeck das Buch noch einmal, da es nun der Preußische Landesverein (leider ist nicht näher bezeichnet, um welchen preußischen Landesverein es sich genau handelt) in die Sammlung seiner Propagandaschriften aufgenommen hat. Die Autorin bescheinigt dem Buch, dass es nicht veraltet ist. „Was Hedwig Dohm vor einer Reihe von Jahren zur Abwehr gegen die Feinde der Frauenbewegung geschrieben hat, daß passt für unser Zeit noch ebenso, als ob es gestern geschrieben wäre;“.13

Dohm gelingt es bis heute, den damaligen Antifeminismus gekonnt zu entlarven und ihn als das darzustellen, was er auch heute noch ist: eine Ideologie, die auf dem Ideal der heterosexuellen weißen Kleinfamilie beruht und alle anderen Lebensstile nicht nur ausblendet, sondern bekämpft.

Veröffentlicht: 12. April 2022
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Verfasst von
Dr. Kerstin Wolff

Historikerin und Forschungsleiterin im Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) in Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sowie die Frage nach einer politischen Repräsentation von Frauen auf kommunaler und Bundesebene im 19. und 20. Jahrhundert.

Empfohlene Zitierweise
Dr. Kerstin Wolff (2024): Hedwig Dohm und ihr Kampf gegen die Antifeministen, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/hedwig-dohm-und-ihr-kampf-gegen-die-antifeministen
Zuletzt besucht am: 14.12.2024
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  • Digitales Deutsches Frauenarchiv
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Fußnoten

  1. 1 Planert, Ute: Antifeminismus im Kaiserreich. Diskurs, soziale Formation und politische Mentalität, Göttingen 1998, S. 260.
  2. 2 Rohner, Isabel: Spuren ins Jetzt, S. 65.
  3. 3 Rößler, Constantin: Hingeworfene Gedanken zur Frauenfrage, zitiert nach Planert, Ute: Antifeminismus im Kaiserreich, S. 35 f.
  4. 4 Dohm, Hedwig: Die wissenschaftliche Emancipation des Weibes, Berlin 1874, S. 98.
  5. 5 Blum, Rebekka, 05.10.2021: Historische Kontinuitäten und Brüche im deutschen Antifeminismus, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung,Zugriff am 12.04.2022 unter www.gender-blog.de/beitrag/antifeminismus-deutschland-kontinuitaeten-brueche
  6. 6 Wischermann, Ulla: Frauenbewegungen und Öffentlichkeiten um 1900. Netzwerke, Gegenöffentlichkeiten, Protestinszenierungen, Königstein i.Ts. 2003.
  7. 7 Maurer, Susanne: Hedwig Dohms „Die Antifeministen“, Zugriff am 12.04.2022 unter https://www.bpb.de/apuz/267946/hedwig-dohms-die-antifeministen.
  8. 8 Dohm, Hedwig: Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung, Berlin 1902, S. 5.
  9. 9 Maurer, Susanne: Hedwig Dohms „Die Antifeministen“
  10. 10 Zitate aus: Dohm, Hedwig: Die Antifeministen, S. 7 und 10.
  11. 11 Ebenda, S. 34.
  12. 12 Ebenda, S. 40 f.
  13. 13 Welczeck, Adelheid v.: Bücherbesprechung, in: Die Frauenbewegung, 16. Jg., 1910, Nr. 2, S. 15.

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