(Selbst-)Ermächtigung von Sexarbeiter*innen

veröffentlicht 16. Dezember 2020

Anders als die Medien vermitteln, ist Sexarbeit so unterschiedlich wie die Menschen, die mit ihr Geld verdienen. Jede Frau* entwickelt eigene Strategien, um mit der Arbeit und Gesellschaft umzugehen. Einige sprechen offen über ihre Erfahrungen, während andere ein Doppelleben führen müssen.

Flyer und Hurenzeitschriften aus dem Bestand des Madonna-Archivs
Madonna-Archiv / Claudia Liedtke
Flyer und Hurenzeitschriften aus dem Bestand des Madonna-Archivs

Wie diese Lebensentwürfe aussehen können, zeigen bald die Audio-Interviews, die das Madonna-Archiv mit acht Frauen* geführt hat. Sie haben verschiedene kulturelle Hintergründe und Geschichten, einige gehören zu den Gründungsfrauen* von Madonna -Treffpunkt und Beratung für Sexarbeiterinnen (Madonna e.V.). Auch ihre Beweggründe zur Sexarbeit unterscheiden sich wie ihre Definitionen, was Sexarbeit heute für sie bedeutet. 

Um die Frauen* zu schützen, können nicht alle Interviews im DDF online zugänglich gemacht werden. Das Gespräch mit Ulrike Rothe ist hingegen ausdrücklich zur Veröffentlichung vorgesehen. Sie ist Sexarbeiterin und arbeitet inzwischen als Sozialarbeiterin bei Madonna e.V. Aufgewachsen ist sie in Westdeutschland „in einem normalen gutbürgerlichen Haushalt“, der sehr katholisch war, wie sie im Interview betont. Entsprechend hatte sie in ihrer Kindheit und Jugend mit Prostitution gar nicht so viel zu tun.

Nach dem Abitur verschlägt es sie mit ihrem damaligen Freund erstmal nach Hamburg. Dort heiraten sie und bekommen zwei Kinder. Später trennt sie sich von ihrem Mann. Ohne Ausbildung und als Alleinerziehende ist die finanzielle Situation schwierig. Ulrike Rothe hat als Nachtschwester und Nachhilfelehrerin gearbeitet. Mit der Sexarbeit beginnt sie kurz vor Weihnachten 2002, weil sie ihren Kindern, wie sie im Interview sagt, „gerne schöne Weihnachtsgeschenke kaufen wollte, also ganz klischeehaft irgendwie“.

Um Sexarbeiter*innen auf ihrem Weg zu unterstützen, gibt es Einrichtungen wie Madonna e.V. Der Verein hat sich 1991 aus der Hurenbewegung in Bochum gegründet mit dem Motto ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘. Angeschlossen daran ist das Madonna-Archiv. Dort werden alle Materialien über Sexarbeit gesammelt. 

Das DDF-Projekt des Madonna-Archivs ist am 1. Januar 2020 gestartet und hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Neben den Interviews entsteht ein Essay über die Geschichte von Madonna und Rechte werden geklärt. Außerdem werden Flyer und Hurenzeitschriften wie Was Sie für Ihren Beruf wissen sollten oder Rotstift oder Direitos Humanos e Prostituicao Feminina digitalisiert – für noch mehr Sichtbarkeit von Sexarbeiter*innen in der Frauenbewegungsgeschichte.

Am 4. Dezember fand bereits die Abschlussveranstaltung „Sexarbeit – Vortragsreise durch verschiedene Lebenswelten zwischen Stigma und Vorurteilen“ mit Johanna Weber vom BesD als Livestream statt. Demnächst kann der Stream in einem Webinformationsangebot über Sexarbeit, Madonna e.V. und Hurenbewegung nochmals über die Webseite des Madonna-Archivs geguckt werden.

Ausgewählte Beiträge des Madonna-Archivs im DDF:

Stand: 16. Dezember 2020
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