„Frauenbewegungsgeschichte macht sichtbar“
Wie bist du auf das DDF aufmerksam geworden?
Tatsächlich über Instagram. Seit mehr als einem halben Jahr folge ich dem DDF aus purem Interesse. Ich kenne die deutschsprachige Frauenbewegung, aber für mich ist es immer spannend, etwas über konkrete Akteur*innen zu lesen. Hier konnte ich Namen mit Biografien verknüpfen und Eckdaten zeitlich einordnen. Über Instagram etwas über Akteur*innen zu erfahren, fand ich toll. Man könnte sagen: Social Media wirkt. Und dann habe ich die Ausschreibung gesehen und gedacht: Das passt perfekt zu dem, was ich beruflich kann, aber auch meinen privaten politischen Interessen.
Du hast im Mai begonnen. Wie hast du die erste Zeit erlebt?
Für mich ist es besonders, in einem Team zusammenzuarbeiten, von dem ich weiß, man hängt an der politisch gleichen Sache. Was heißt es, feministisch zu arbeiten? Oft muss man die eigene Politik im Arbeitskontext hinten anstellen oder ganz vorsichtig verpacken, damit man nicht als ,die Radikale’ gilt. Viel seltener findet sich ein Verständnis davon, worum es geht oder wohin es gehen soll. Und darauf freue ich mich. Schon beim Bewerbungsgespräch habe ich gemerkt, dass die Stimmung im Team sehr gut ist und mir gegenüber sehr aufgeschlossen, interessiert und wertschätzend. Das ist bis jetzt so. Es gibt auch viel Feedback, dass finde ich total gut. Also, ein guter erster Monat. Dass in der weiter pandemischen Situation nur wenige Leute vom Büro aus arbeiten und das meiste online abläuft, ist daher schon auch sehr schade.
Du kommst aus den Literaturwissenschaften. Was waren für dich wichtige Stationen vor dem DDF?
Ich habe in Wien einen Bachelor in Literaturwissenschaft und internationaler Entwicklung absolviert, das ist ein transdisziplinäres Studium zu globaler Politik, Ökonomie und Geschichte. Sehr schnell habe ich gemerkt, dass mich Feminismus auch wissenschaftlich interessiert, also habe ich zudem Gender Studies belegt. Aktuell studiere ich sogar noch bzw. schreibe meine M.A.-Arbeit. Ich werde bald hoffentlich fertige Literaturwissenschaftlerin sein. Tatsächlich werden ja alle gesellschaftlichen Fragestellungen und Themen auch in der Literatur bearbeitet, das fasziniert mich.
Neben dem wissenschaftlichen Hintergrund bringe ich auch Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit mit. In Wien habe ich in einer Presseagentur gearbeitet. Mit dem Studienwechsel habe ich dann in Berlin für einen universitären Forschungsverbund die Öffentlichkeitsarbeit gestaltet. Hier war ich auch an einer Initiative beteiligt, die sich kritisch mit den Folgen des Kolonialismus beschäftigt. Forschung zu Kolonialismus passiert an vielen Orten der Welt, wird aber in ungleichem Maße wahrgenommen und verbreitet. Das möchte die Initiative ändern und gerade die vorhandenen Ressourcen einer gut finanzierten europäischen Universität nutzen, um weltweit bestehende Forschung und Akteur*innen noch besser digital zu vernetzen und den historischen und globalen Ungleichheiten, die herrschen, damit etwas entgegenzusetzen.
Welche Rolle spielt für dich die Frauenbewegungsgeschichte?
Mein Studium hat mir auch gezeigt: Ungleichheiten gibt es viele und sie sind miteinander verbunden. Es gibt nicht die eine Diskriminierungsform, die ohne die anderen funktioniert. Mich hat schnell fasziniert, dass es Überschneidungen von Erfahrungen gibt, die ich gemacht habe, und Erfahrungen, die andere Personen weltweit oder zu anderen Zeiten gemacht haben, die sich allein über das Geschlecht erklären lassen. Ich möchte damit natürlich nicht sagen, dass dies Erfahrungen gleich sind. Aber ich denke, es gibt Überschneidungen, z.B. Aspekte in der Biografie, die Personen Dinge ermöglichen oder verhindern. Mit Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten konfrontiert zu sein, hat mich eine riesen Empörung spüren lassen. Das ist es ja, was viele Leute zum Feminismus bewegt. Neben der Empörung fand ich es auch erleichternd zu merken, dass dies nichts Individuelles ist. Es sind strukturelle Erfahrungen, die viele Personen machen. Dies mit dem Wissen um die Geschichte zu verknüpfen, hat mich immer wieder aufgeregt, aber mir zugleich auch viel erklärt.
Privat bin ich in der autonomen feministischen Szene unterwegs, in Wien wie in Berlin. Ich bezeichne mich mit sehr großen Selbstbewusstsein als Feministin und mir ist es wichtig, auch so wahrgenommen zu werden. In meiner Schulzeit galt das noch als Schimpfwort. Es war selbstermächtigend, dass plötzlich positiv umdeuten zu können. Mit der Frauenbewegungsgeschichte verbindet ich also auch Dankbarkeit. Ich habe große Bewunderung für Personen, die es geschafft haben, für ihre Positionen einzustehen – und das unter sehr viel widrigeren Umständen als jenen, in denen ich mich befinde. Ich habe heute Möglichkeiten, die viele Frauen früher gar nicht hatten. Genau das gilt insbesondere auch für lesbische Frauen. Und tatsächlich fehlt es noch immer an Vorbildern. Feministische Geschichtsschreibung macht sie sichtbar, das ist wichtig und – wie ich selbst ja gemerkt habe – auch sehr ermutigend.
Du arbeitest in der Onlineredaktion und liebst Literatur. Hast du hier einen feministischen Klick- oder Lesetipp?
Ich bin gerade erst wieder auf eine spannende Person gestoßen, die einen Lifestyle-Instagram-Kanal betreibt. Die Person, @marenaskinner heißt sie, macht extrem coole Tattoos und Illustrationen – darin verbindet sie antikapitalistische Kritik mit feministischen Anliegen. Das hat mich sehr angesprochen. Und mein Lesetipp: Ich war schon immer Fan von Toni Morrison. Das gilt ungebrochen – und ihren Roman Paradies empfehle ich wirklich jeder Person. Und kürzlich erst habe ich die Romantrilogie von Tove Ditlevsen gelesen, über ihre Kindheit und Jugend bis hin zu ihrem Erwachsenenalter, eine tolle Erzählung von Frauenschicksalen. Das kann ich auch wirklich sehr empfehlen und nutze ab jetzt jeden Geburtstag, um sie zu verschenken.
Was sind deine Aufgaben als Onlineredakteurin und worauf freust du dich in der kommenden Zeit?
Als Redakteurin bin ich nicht für alles, aber doch einiges, was online passiert, zuständig. Von der Begleitung der Website über den Blog bis zum Newsletter – hier arbeite ich eng im Team zusammen. Meine Aufgaben umfassen im Speziellen die Betreuung der Social-Media-Kanäle, aber auch die Entwicklung von Social-Media-Formaten. Mein Arbeitsalltag ist damit sehr divers, würde ich sagen. Das Beste ist, dass ich morgens den Laptop aufklappe und mir dann erst einmal Social-Media-Kanäle angucken und schauen kann, was in der Welt passiert ist.
Gerade im Umgang mit Social Media merke ich auch die Notwendigkeit, sich gewissen Medien anzupassen, damit die eigenen Inhalte für das Medium funktionieren. Und das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Feministische Themen also so aufzubereiten, damit sie nach den bestehenden Logiken der Medien auch Leute erreichen, das macht mir am meisten Spaß. Dabei ist mir selbst auch Humor sehr wichtig. Ich freue ich mich daher auch wirklich extrem auf die Konzeption und Aufnahme von Videos für den kommenden TikTok-Account.