Über Käte Rosenheim
Familie, Schule und Ausbildungen
Käte Rosenheim, geboren am 13. Januar 1892 in Berlin als Ältere von zwei Töchtern des Arztes und Privatdozenten Dr. Theodor Rosenheim und seiner Ehefrau Hedwig, geborene Lipmann, wuchs in einer gutbürgerlichen, assimilierten und linksliberal eingestellten jüdischen Familie auf.1 Sie besuchte zunächst private Schulkurse und später die Kallmorgensche Höhere Töchterschule, ihre bildungsinteressierten Eltern ermöglichten ihr Theater- und Konzertbesuche sowie größere Reisen.
Von 1909 bis 1912 war Käte Rosenheim Schülerin an der 1908 von Alice Salomon gegründeten Sozialen Frauenschule in Berlin-Schöneberg. 1910 verbrachte sie mehrere Monate in England und lernte in Oxford Englisch mit dem Ziel, Universitätskurse zu belegen. Nach Abschluss der Sozialen Frauenschule besuchte sie zur Ergänzung ihrer Ausbildung als Sozialarbeiterin Vorlesungen an der Berliner Universität und absolvierte eine Ausbildung zur Säuglingsschwester in der Wöchnerinnen-Unterkunft von Dr. H. Neumanns Kinderhaus, einer multifunktionalen Fürsorgeanstalt mit nationalem Ruf. Hier arbeitete sie anschließend mehrere Jahre.2
Von der Wohlfahrtspflegerin zur Dezernentin für das Wohlfahrtswesen
Im Anschluss an ihre Ausbildungen war Käte Rosenheim in unterschiedlichen Bereichen der Wohlfahrtspflege und Fürsorge aktiv. Bis 1914 arbeitete sie bei der Säuglingsfürsorge und im Büro für Sozialpolitik der Gesellschaft für Soziale Reform, anschließend leitete sie ein Jahr lang zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Hilfskommission des Nationalen Frauendienstes. Von 1915 bis 1916 war sie Mitarbeiterin der Bibliothek des Frauenberufsamtes, und von 1916 bis 1918 arbeitete sie im Frauenreferat der Kriegsamtsstelle in den Marken bei Berlin als Transportführerin und Beraterin für weibliche Hilfskräfte. Nach Ende des Ersten Weltkriegs war sie einige Monate im Frauenreferat der Deutschen Liga für Völkerbund aktiv.
Im April 1919 trat Käte Rosenheim eine Stelle im Preußischen Ministerium des Innern an, sie wurde persönliche Sekretärin des späteren Innenministers Carl Severing¸ 1928 wurde sie als Beamtin und Regierungsrätin befördert. Im März 1930 wechselte sie in die Regierungsabteilung des Polizeipräsidiums Berlin und wurde Dezernentin für das Wohlfahrtswesen. Um sich weiter zu qualifizieren, nahm sie an Vorlesungen der Verwaltungsakademie Berlin teil. Bereits im Februar 1933 wurde sie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft beurlaubt und wenig später entlassen auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933.
Engagement in Bewegungen, Bünden und Gruppen, frauenbewegte Freundschaften
Käte Rosenheim knüpfte erste Verbindungen zur bürgerlichen Frauenbewegung an der Sozialen Frauenschule von Alice Salomon. Mit Alice Salomon verband sie in späteren Jahren eine enge Freundschaft, in ihrem Testament3 bedachte die 1948 im New Yorker Exil gestorbene Alice Salomon Käte Rosenheim mit einer Perlenkette. Alice Salomon bildete auch eine Verbindung zu den Frauengruppen für Soziale Arbeit, die aus den Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit entstanden waren und deren Vorstandsmitglied Käte Rosenheim war. Am 2. März 1933 fand die letzte Vorstandssitzung der Frauengruppen statt, neben Käte Rosenheim und Alice Salomon waren Hildegard Böhme, Charlotte Dietrich, Hildegard von Gierke, Hilde Lion, Dora Peyser und Siddy Wronsky anwesend.
Im selben Jahr wurde Käte Rosenheim Mitglied im Jüdischen Frauenbund und hier in der Gruppe berufstätiger Frauen. Bei Sitzungen des Gesamtvorstandes des Frauenbundes hielt sie Vorträge, unter anderem zum Thema Kinderauswanderung nach Nordamerika, und publizierte in den Blättern des Jüdischen Frauenbundes. Im Jüdischen Frauenbund entwickelte sich eine Freundschaft mit Siddy Wronsky, nach der Auswanderung Wronskys 1933 nach Palästina weitergeführt im engen Briefkontakt. 1934 empfahl Siddy Wronsky Käte Rosenheim für die Arbeit in der Abteilung Kinderauswanderung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland aufgrund ihrer Qualifikation als Sozialarbeiterin, vielfältiger Erfahrungen in der Kinderfürsorge und ihres Organisationstalentes. Bei einer Reise 1935 nach Palästina traf Käte Rosenheim Siddy Wronsky, die sich darauf freute, ihr dort „von der schweren aber auch schönen Arbeit etwas zu zeigen“4. Im selben Jahr fragte Siddy Wronsky in einem Brief: „Was macht ihr Auto? Fährt es noch?“5 Käte Rosenheim war eine begeisterte Autofahrerin, erst Anfang der 1930er-Jahre hatte sie mit fast 40 Jahren den Führerschein gemacht.
Die Rettung jüdischer Kinder
Nachdem Käte Rosenheim durch die Nationalsozialisten aus ihrer Leitungsposition im Polizeipräsidium Berlin vertrieben wurde, trat sie in den Dienst der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden bzw. der Reichsvertretung ein und übernahm dort 1934 die Leitung der Abteilung Kinderauswanderung. Der Jüdische Frauenbund hatte die Kinderauswanderung zunächst scharf kritisiert, da Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden sollten, unterstützte dann aber, als sich der antisemitische Terror des Nazi-Regimes in Deutschland verstärkte, die Reichsvertretung auf diesem Gebiet. Käte Rosenheim übernahm die Organisation der Auswanderung von Kindern und Jugendlichen nach Holland, Belgien, Frankreich, Schweden, Dänemark, Australien, die Schweiz und in die USA. Sie war in dieser Funktion Ansprechpartnerin der German Jewish Children’s Aid (GJCA), einer jüdischen Organisation in New York, die seit 1934 jüdischen Kindern aus Deutschland die Einreise in die USA ermöglichte. 1934 schrieb Siddy Wronsky an ihre Freundin: „Ich habe im ganzen den Eindruck, dass Ihnen die Arbeit etwas Befriedigung gibt, es ist wohl das produktivste, was jetzt geschehen kann, den Kindern eine neue Heimat zu geben, wenn diese Arbeit auch wahrscheinlich sehr schwer und anstrengend ist.“6
Während ihrer Arbeit in der Kinderauswanderung begleitete Käte Rosenheim auch Kinder ins Ausland. 1936 reiste sie in die USA, um sich direkt zu informieren und mit Hilfsorganisationen zu verhandeln. Nach den Novemberpogromen 1938 begleitete sie Kindertransporte nach England und berichtete von dem „seltsamen Gemisch von Glück und Schmerz, von Dankbarkeit und Sorge“7 bei den Eltern der Kinder und Jugendlichen sowie bei den Transportbegleiterinnen.
Käte Rosenheim kehrte nach ihren Auslandsaufenthalten immer wieder zurück nach Deutschland, um die Arbeit der Kinderauswanderung nicht zu gefährden. „Sie war eine Frau mit Grundsätzen und mit dem Ziel, legale Methoden zur Rettung der Kinder anzuwenden.“8 Diese konsequent rechtskonforme Arbeitsauffassung Rosenheims mit Blick auf eine möglichst zahlreiche Rettung Verfolgter war in der Zeit nicht unumstritten.9 Bis zum August 1939 konnten Käte Rosenheim und ihre Mitarbeiter*innen mehr als 7.200 Kindern und Jugendlichen die Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland ermöglichen, ohne Eltern, von denen viele später in Vernichtungslager deportiert wurden.10 Obwohl sie so viele Kinder retten konnte, meinte Käte Rosenheim rückblickend, sie hätte gehofft, viel mehr Kinder in sichere Länder vermitteln zu können.11 Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fanden die Kindertransporte ein abruptes Ende.
Das Exil in den USA
Im Dezember 1940 wurde Käte Rosenheim vom Vorstand der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland verabschiedet, im Januar 1941 gelang ihr mit ihrer Mutter Hedwig mit einem der letzten Schiffe aus Europa über Frankreich, Spanien, Portugal und Kuba die Flucht in die USA. Albert Einstein, ein enger Freund der Familie, verhalf ihnen zu einem Affidavit (Bürgschaft), sodass sie in den USA Aufnahme finden konnten. Ihr Gepäck, vier Koffer, erhielten sie eineinhalb Jahre nach ihrer Ankunft in New York.
In den ersten Monaten in New York war Käte Rosenheim für das Migration Department des National Refugee Service tätig, anschließend studierte sie noch einmal bis 1943 an der New York School of Social Work. Wie für viele Emigrierte war es auch für sie nicht einfach, beruflich wieder Fuß zu fassen. Sie arbeitete zunächst als Sozialarbeiterin in New York und ab dem Frühjahr 1947 für verschiedene Wohlfahrtsorganisationen, zuletzt für das Wohlfahrtsamt in San Francisco. In New York stand sie im engen Kontakt mit der 1937 zur Emigration gezwungenen Alice Salomon.12 1958 ging Käte Rosenheim mit 65 Jahren in den Ruhestand. Sie hatte nie geheiratet und lebte weiter in Kalifornien in der Nähe ihrer Schwester Hildegard, die 1939 emigriert war.
Käte Rosenheim starb am 4. Dezember 1979 in Cupertino/ USA, ohne jemals wieder nach Deutschland zurückgekehrt zu sein.
Zur Bedeutung Käte Rosenheims
Käte Rosenheim war eine engagierte Sozialarbeiterin, Aktive in der bürgerlichen und jüdischen Frauenbewegung, hohe Verwaltungsbeamtin, als Leiterin der Abteilung Kinderauswanderung in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland Retterin von Tausenden jüdischen Kindern. Lange war sie nahezu vergessen. Als 2002 in Chicago das erste Treffen von Kindern stattfand, die über Kindertransporte in die USA gekommen waren, wurden die Verdienste Käte Rosenheims im Sinne Leo Baecks gewürdigt, der 1941 in einem Empfehlungsschreiben schrieb: „Hunderte von Kindern sind Ihnen zu Dank verpflichtet, dass sie die Möglichkeit hatten, ein neues und freies Leben zu beginnen. [...] Ihr Anteil daran, Frl. Rosenheim, wird niemals vergessen werden.“13
Netzwerk von Käte Rosenheim
Zitate von Käte Rosenheim
Biografie von Käte Rosenheim
Fußnoten
- 1 Maierhof, Gudrun: Käte Rosenheim (1892-1979), in: Soziale Arbeit. Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, Berlin 2013, S. 30 f, hier S. 30.
- 2 Dies.: Selbstbehauptung im Chaos. Frauen in der Jüdischen Selbsthilfe 1933-1943, Frankfurt a.M. 2002, S. 204.
- 3 Eine amtliche Kopie des Testaments von Alice Salomon liegt im Alice Salomon Archiv, das Original ist im Leo Baeck Institute in New York (Coll. Alice Salomon) archiviert.
- 4 Central Zionist Archives Jerusalem, Nachlass Siddy Wronsky.
- 5 Ebenda.
- 6 Ebenda, Siddy Wronsky an Käte Rosenheim am 12.1.1934.
- 7 Rosenheim, Käte Sara: Die Abteilung Kinder-Auswanderung, in: Jüdisches Nachrichtenblatt, 14. Juli 1939, S. 5. Der von den Nazis geforderte Namenszusatz „Sara“ soll Käte Rosenheim hier als jüdische Frau markieren.
- 8 Maierhof, Selbstbehauptung im Chaos, S. 205.
- 9 Dies.: Zwischen Selbsthilfe, Selbstbehauptung und Widerstand. Formen jüdischen Widerstehens am Beispiel von Käte Rosenheim und Recha Freier, in: Amthor, Ralph-Christian (Hg.): Soziale Arbeit im Widerstand. Fragen, Erkenntnisse und Reflexionen zum Nationalsozialismus, Weinheim/Basel 2017, S. 137‒154.
- 10 Dies., Selbstbehauptung im Chaos, S. 168 ff.
- 11 Dies.: Käte Rosenheim 1892-1979, in: Jewish Women‘s Archive, https://jwa.org/encyclopedia/article/rosenheim-kaete.
- 12 Krug von Nidda, Carl Ludwig: Biographisches Personenverzeichnis, in: Muthesius, Hans (Hg.): Alice Salomon. Die Begründerin des Sozialen Frauenberufs in Deutschland, Köln/Berlin 1958, S. 307‒346, hier S. 337.
- 13 Maierhof, Käte Rosenheim, S. 31.
Ausgewählte Publikationen
-
Hartig, Christine: Zwischen Emigrationshilfe und Amerikanisierungserwartung – Die Arbeit der German Jewish Children’s Aid, in: Feustel, Adriane / Hansen-Schaberg, Inge / Knapp, Gabriele (Hg.): Die Vertreibung des Sozialen, München 2009, S. 130‒151.
-
Krug von Nidda, Carl Ludwig: Biographisches Personenverzeichnis, in: Muthesius, Hans (Hg.): Alice Salomon. Die Begründerin des Sozialen Frauenberufs in Deutschland, Köln/ Berlin 1958, S. 307‒346.
-
Maierhof, Gudrun: „Das Produktivste, was jetzt geschehen kann, ist Kindern eine neue Heimat zu geben.“ Käte Rosenheim (1892-1979), in: Hering, Sabine (Hg.): Jüdische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien, Frankfurt am Main 2006, S. 376‒383.
-
Maierhof, Gudrun: Käte Rosenheim (1892-1979), in: Soziale Arbeit. Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, Berlin 2013, S. 30‒31.
-
Maierhof, Gudrun: Selbstbehauptung im Chaos. Frauen in der Jüdischen Selbsthilfe 1933-1943, Frankfurt a.M. 2002.
-
Maierhof, Gudrun: Zwischen Selbsthilfe, Selbstbehauptung und Widerstand. Formen jüdischen Widerstehens am Beispiel von Käte Rosenheim und Recha Freier, in: Amthor, Ralph-Christian (Hg.): Soziale Arbeit im Widerstand. Fragen, Erkenntnisse und Reflexionen zum Nationalsozialismus, Weinheim/Basel 2017, S. 137‒154.
-
Meierhof, Gudrun: Wege der Rettung. Recha Freier und Käte Rosenheim, in: Meierhof, Gudrun / Schütz, Chana / Simon, Hermann (Hg.): Aus Kindern wurden Briefe. Die Rettung jüdischer Kinder aus Nazi-Deutschland, Berlin 2004, S. 48‒69.
-
Rosenheim, Käte Sara: Die Abteilung Kinder-Auswanderung, in: Jüdisches Nachrichtenblatt, 14. Juli 1939, S. 5.
-
Rosenheim, Käte: Alice Salomon zum 60. Geburtstag, in: Die Frau. Festschrift, 39. Jg., Nr. 7/ 1932, S. 456.
-
Rosenheim, Käte: Interterritoriale Kinderfürsorge, in: Jüdische Wohlfahrtspflege 1936, S. 93‒99.
-
Walk, Joseph: Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918-1945, München/ New York/ London/Paris 1988.