Über Deutscher Evangelischer Frauenbund (DEF)

Der DEF bildete mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund und dem Jüdischen Frauenbund zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Zentrum der konfessionellen Frauenbewegung. An der Schnittstelle von Protestantismus und Frauenbewegung prägt er seither die Frauenemanzipation in Deutschland mit.

1899 wurde der Deutsch-Evangelische Frauenbund1 in Kassel gegründet, verlegte seinen Vereinssitz aber schon bald nach Hannover, wo er sich noch heute befindet. Er verstand sich im Gegensatz zur im selben Jahr entstandenen Evangelischen Frauenhilfe als Bindeglied zwischen protestantischer Kirche und christlichem Engagement einerseits und den frauenpolitischen Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegung andererseits, zugleich aber auch als Gegengewicht zu deren radikalem Flügel: „Es gilt [...] im Sinne der religiösen und sittlichen Forderungen des Evangeliums zur Frauenbewegung unserer Tage Stellung zu nehmen und nicht die Behandlung dieser Frage den rein human wirkenden oder gar radikalen und antichristlichen Elementen ausschließlich zu überlassen.“2 Der DEF war ein eingetragener Verein und wurde ausschließlich von Frauen organisiert und geleitet: „Ziel unserer Gründung ist ein selbständiger Deutsch-Evangelischer Frauenbund, der sich wohl gern Rat holt von erfahrenen Männern, der aber in keiner Weise abhängig von ihnen ist.“3 Zuvor hatten alle kirchlichen Frauengruppen unter der Leitung von Pfarrern oder kirchlichen Würdenträgern gearbeitet.

Protokoll-Buch für die Sitzungen des Bundesvorstandes I 15. Juni 1899 - 19. Aug. 1902
100 Jahre "Deutscher Evangelischer Frauenbund", in: Ariadne - Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung, H. 35, 1999

Der DEF übernahm einige zentrale Ziele der bürgerlichen Frauenbewegung in sein Programm, so die Forderung nach Verbesserung der Mädchenbildung und der Arbeits- und Rechtsschutzbestimmungen für Frauen. Darin drückte sich die Abkehr vom Rollenbild der Frau als Ehefrau und Mutter – bzw. mütterlich (und ehrenamtlich) in der Gemeinde Dienenden – aus, auch wenn betont wurde, dass „der Beruf der Ehefrau und Mutter bei allen Bestrebungen der Frauenbewegung der Hebung der Frauenwelt vorangestellt und als der natürliche Weg zu befriedigender weiblicher Tätigkeit angesehen und unter allen Umständen offen gehalten werde“4 . Mit seinen Aktivitäten wollte der DEF Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten schaffen, um Frauen eine eigenständige, ökonomisch unabhängige Existenz zu ermöglichen.

Dass er zu den konservativen Gruppierungen im Zusammenhang der Frauenbewegungen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik zählte, zeigte sich in seiner Ablehnung der vom Rechtsausschuss des BDF vorgeschlagenen Reform des § 218, vor allem aber in seiner Haltung zum politischen Wahlrecht. Obwohl sich der DEF vehement für das kirchliche Frauenwahlrecht einsetzte – nicht „um in der Kirche zu herrschen, sondern um in ihr zu dienen“5 –, lehnte er das politische Frauenwahlrecht ab. Im Dachverband Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), dem er seit 1908 angehörte, wurde er damit zum politischen Gegenpol der Frauenvereine des linken Flügels. Diese Positionierung war kein Zufall. Für große Teile des DEF war das Frauenwahlrecht nicht akzeptabel, weil es als allgemeines und gleiches Wahlrecht die Ablösung des Dreiklassenwahlrechts implizierte. Dadurch befürchteten die meist adligen Damen des DEF eine Stärkung der Sozialdemokratie.6

Porträt von Paula Mueller-Otfried

Als das Frauenwahlrecht im BDF 1917 eine Mehrheit fand, trat der DEF unter Protest aus . Ungeachtet dessen gehörte die langjährige DEF-Vorsitzende Paula Müller-Otfried7 von 1920 bis 1932 als Abgeordnete der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) dem Reichstag an. Nachdem das Frauenwahlrecht Realität geworden war, galt es auch dem DEF als staatsbürgerliche Pflicht.

Paula Müller: Das kirchliche Stimmrecht der Frauen. Aufsätze, 1912
Korrespondenzen BDF-DEF 1902-1926

Arbeitsfelder und Organisation

Der DEF hat sich im Laufe der Zeit verschiedene Handlungsfelder erschlossen, in erster Linie im Bereich der sozialen Arbeit. Mit dem Christlich-Sozialen Frauenseminar (CSF) in Hannover eröffnete er 1905 die erste soziale Frauenschule Deutschlands, in der für soziale und pädagogische Berufe ausgebildet wurde. Das CSF bestand bis 1939, 1947–1958 wurde es als Seminar für kirchlichen Dienst weitergeführt und später als Fachbereich in die Fachhochschule Hannover integriert. Der DEF gründete zahlreiche Kinderheime, Mädchenwohn-, Erholungs- und Arbeiterinnenheime, später auch Altenheime. Neben diesen Einrichtungen für praktische soziale Arbeit und Ausbildung engagierte und engagiert sich der DEF bis heute in kirchlichen, kommunalen und staatlichen Gremien. Die Themengebiete waren und sind vielfältig, sie reichen von Sittlichkeit und Rechtsschutz, Krankenpflege und Kriegshilfsdiensten bis hin zu den ‚modernen‘ Themen Medienarbeit, Bildungsarbeit und Verbraucherschutz.

Vorträge von Paula Müller-Otfried

Der DEF kann auch auf eine rege Publikationstätigkeit zurückblicken. Von Beginn an bis zur Jahrtausendwende trat er mit einer eigenen Zeitschrift an die Öffentlichkeit (1899-1904 Mitteilungen des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, 1904/05-1940/41, 1956/57-1970 Neue Evangelische Frauenzeitung, 1971-1974 Evangelische Frauenzeitung, 1975-1999 Anhaltspunkte). Seit 2012 gibt der Landesverband Bayern vierteljährlich den Rundbrief def aktuell heraus. Mit Unterbrechungen gab es von 1904 bis 1958 alljährlich einen Frauenkalender bzw. ein Jahrbuch. Zudem erschienen zahlreiche Bücher und Broschüren, die im Umfeld des DEF entstanden waren.

Handbuch zur Frauenfrage. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund in seiner geschichtlichen Entwicklung, seinen Zielen und seiner Arbeit, 1908

Der DEF organisiert sich nach Bundesverband, Landesverbänden und Ortsverbänden, in Bayern gibt es zusätzlich Anschlussvereine. 1914 gab es 134 Ortsverbände mit ca. 15.500 Mitgliedern8 , 1929 137 Ortsverbände mit ca. 33.000 Mitgliedern9 , 1974 115 Ortsverbände mit ca. 13.000 Mitgliedern10 und 1999 100 Ortsverbände mit ca. 10.000 Mitgliedern 11 . Inzwischen hat sich die Mitgliederzahl nahezu halbiert. Der DEF ist, wie viele Frauenverbände, mit den Schwierigkeiten des Generationenwechsels und der strukturellen Veränderung gesellschaftlichen Engagements konfrontiert.

Der DEF im Nationalsozialismus

Paula Müller-Otfried hat als Vorsitzende den DEF von 1901 bis 1933 entscheidend geprägt, ihre Nachfolgerin Meta Eyl führte ihn durch die Jahre der NS-Diktatur. Um der Gleichschaltung im Deutschen Frauenwerk zu entgehen, gab der DEF seine Eigenständigkeit auf und gliederte sich der Evangelischen Frauenarbeit für Kirche und Gemeinde an. Das Christlich-Soziale Frauenseminar ging 1939 in staatliche Trägerschaft über. Mit dem Verbot der christlichen Presse musste die Evangelische Frauenzeitung 1941 ihr Erscheinen einstellen.

Zur Stellung des DEF im und zum Nationalsozialismus gibt es erste, aber noch keine umfassenden Forschungen. Der ‚neue Staat‘ wurde von Paula Müller-Otfried nach dem „bösen Spuk der letzten 14 Jahre“12 zunächst erfreut begrüßt: „… die in vaterländischer Gesinnung verbundenen Mitglieder des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes sehen erleichtert und hoffnungsfreudig der Zukunft entgegen“13 . Meta Eyl thematisierte im Rückblick auf ihre Amtszeit 1934–1947 die Kämpfe um die Eigenständigkeit des DEF, die Ablehnung des nationalsozialistischen Frauenbildes und die Abgrenzungen zur Gleichschaltung. Aber: „Die Leiden, die durch den nationalsozialistischen Vernichtungsapparat gegen jüdische und andere Menschen, die dem völkischen Idealbild nicht entsprachen, verübt wurden, reflektierte Eyl auch 1947 nicht.“14  Was sich unterhalb der Führungsebene in den Landes- und Ortsverbänden des DEF abspielte, wurde bislang kaum erforscht. Jochen-Christoph Kaiser kam 1985 bezüglich der evangelischen Frauenverbände insgesamt zu der Einschätzung, dass „Fundamentalopposition gegen das Dritte Reich zu den Ausnahmen gehört, eine Gegnerschaft auf Einzelfeldern dagegen verhältnismäßig oft zu beobachten ist“15 . Detaillierte Untersuchungen fehlen bislang.16

Der DEF im geteilten Deutschland und heute

1945 erfolgte die Neugründung des DEF als eingetragener Verein, in der BRD wurde er zu einem der bedeutendsten konfessionellen Frauenvereine. 1953 übernahm er zudem die Geschäftsführung der überverbandlichen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Hausfrauen (AEH ). „Die AEH vertritt die Interessen der im Bereich Hauswirtschaft tätigen Frauen und will gleichzeitig die gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Schlüsselstellung des privaten Haushalts sowie seine Bedeutung als Schaltstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern bewusst machen.17

In der DDR blieben die Gruppen des DEF unter dem Dach der Kirche und schlossen sich zur Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Frauen der DDR zusammen, der Kontakt zwischen Ost und West wurde so gut es ging aufrechterhalten. Nach dem Mauerfall kam es zu einigen Neugründungen in den ostdeutschen Bundesländern, die jedoch leider meist nicht lange Bestand hatten.18

Neben der Mitarbeit in kirchlichen und sozialpolitischen Gremien – zum Beispiel in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO ) – befasst der DEF sich heute mit den Arbeitsschwerpunkten Verbraucherpolitik, Medien, Demografischer Wandel, Theologie und Ökumene, Soziale Arbeit sowie Hauswirtschaft. Neben der AEH ist seit Langem die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM) als konstante ‚Untergruppe‘ aktiv. Der DEF ist Mitglied im Deutschen Frauenrat.

2008 fusionierten bei der Neustrukturierung der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche mehrere Frauenverbände zum neuen Verband Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD), der zugleich als Dachverband fungiert. Der DEF bewahrte seine Eigenständigkeit, ist aber Mitglied in diesem Dachverband.

Archiv und Bibliothek

Sammlung: Internationale Frauen Kongresse

 

Sammlung: Frauenfrage. Internationale Frauenfrage. Kongresse

Archiv und Bibliothek des DEF wurden 2006 dem AddF - Archiv der deutschen Frauenbewegung übergeben. Es handelt sich um einen seit 1899 lückenlos geführten, auch von Kriegsschäden verschont gebliebenen Bestand mit rund 150 laufenden Metern Akten und ca. 300 Fotos sowie um eine Bibliothek mit ca. 6.000 teilweise historischen Büchern, Broschüren und Zeitschriften. Darüber hinaus gibt es kleinere Nachlässe der Vorsitzenden Paula Müller-Otfried (1865–1946) und Meta Eyl (1894–1952) und Irmgard von Meibom (1916–2001, DEF-Vorsitzende 1966–1981) sowie der Geschäftsführerin Gertrud Kappeller (1923–1993) und der Theologin Freda Niemann (1908–1996).

 

Stand: 22. Februar 2022
Lizenz (Text)
Verfasst von
Cornelia Wenzel

Wissenschaftliche Dokumentarin, Freie Mitarbeiterin im AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung; Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Frauenbewegung, Überlieferung sozialer und politischer Bewegungen in Freien Archiven.

Empfohlene Zitierweise
Cornelia Wenzel (2022): Deutscher Evangelischer Frauenbund (DEF), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/deutscher-evangelischer-frauenbund-def
Zuletzt besucht am: 26.04.2024
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Rechteangabe
  • Cornelia Wenzel
  • Digitales Deutsches Frauenarchiv
  • CC BY-SA 4.0

Netzwerk von Deutscher Evangelischer Frauenbund (DEF)

Biografie von Deutscher Evangelischer Frauenbund (DEF)

1899

Gründung in Kassel

1905

Gründung des Christlich-Sozialen Frauenseminars in Hannover (erste Soziale Frauenschule in Deutschland)

1933

Der DEF gibt seine Eigenständigkeit auf und schließt sich der Evangelischen Frauenarbeit für Kirche und Gemeinde an, um der Gleichschaltung im Nationalsozialismus zu entgehen

1945

Neugründung des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes als e.V.

1949 - 1989

Die ostdeutschen Landesverbände schließen sich zur Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Frauen in der DDR zusammen

1969

Umbenennung des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes in Deutscher Evangelischer Frauenbund

2008

Zusammenschluss von Evangelischer Frauenhilfe und Evangelischer Frauenarbeit in Deutschland zum Verband Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD) – DEF wird Mitglied im Dachverband

Fußnoten

  • 1Die Umbenennung in Deutscher Evangelischer Frauenbund erfolgte 1969.
  • 2Aus dem Gründungsaufruf, zitiert nach: Antwort auf die Herausforderungen der Zeit. 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund 1899-1974, Hannover 1974, S. 8.
  • 3Müller, Paula (Hg.): Handbuch zur Frauenfrage. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund in seiner geschichtlichen Entwickelung, seinen Zielen und seiner Arbeit, Groß Lichterfelde-Berlin 1908, S. 10.
  • 4Ebenda, S. 16.
  • 5Tiling, Magdalene / Müller, Paula: Die Kirche und die Frau, Berlin 1919, S. 27.
  • 6Vgl. dazu Kuhn, Halgard: Die Stellung des D.E.F.B. zum politischen Stimmrecht, in: Anhaltspunkte, 1999, H. 5, 49–55: Verantwortung für sich und andere übernehmen. 100 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund e.V.
  • 7Paula Müller ergänzte um 1920 herum ihren Namen mit dem Vornamen ihres Großvaters zu Müller-Otfried.
  • 8Kappeller, Gertrud: Verantwortung - Antwort auf die Herausforderung der Zeit, 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund, Hannover 1974, S. 10.
  • 930 Jahre Deutsch-Evangelischer Frauenbund, Hannover o.J. (1929), S. 103.
  • 10Kappeller, Gertrud: Verantwortung, S. 51.
  • 11Anhaltspunkte, H. 5, 1999, S. 3.
  • 12Müller-Otfried, Paula: Nationale Erhebung, in: Evangelische Frauenzeitung 34. Jg., 1932/33, S. 97 f.
  • 13Ebenda.
  • 14Köhler, Heike: Meta Eyl und der Deutsch-Evangelische Frauenbund. Ein Beispiel evangelischer Frauenarbeit im Nationalsozialismus, in: Darum wagt es, Schwestern. Zur Geschichte evangelischer Theologinnen in Deutschland, Neukirchen-Vluyn 1994, S. 312.
  • 15Kaiser, Jochen-Christoph: Frauen in der Kirche, Düsseldorf 1985, S. 248.
  • 16Zum Widerstand christlicher Frauen vgl. aber: Internationale Frauenbegegnungsstätte Ravensbrück (Hg.): Christliche Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus, Fürstenberg/Havel 1999.
  • 17Meibom, Irmgard von: Auch Verbraucher bestimmen die Zukunft – sie stellen Weichen, in: Anhaltspunkte, H. 5, Oktober 1999, S. 246 f.
  • 18Vgl. dazu: Liesenberg, Christa: Eine Zeitzeugin berichtet. Zu Besuch bei Margot Bähr in Radebeul, in: Anhaltspunkte, H. 5, 1999, S. 108‒110.

Ausgewählte Publikationen