escape – Hamburgs Magazin für Lesben

verfasst von
  • Nicolli Povijač
veröffentlicht 04. Juni 2020
1997 entschlossen sich Frauen aus Hamburg, das Frauen/-Lesbenmagazin escape herauszugeben. Die monatlich erscheinende Zeitschrift wurde ehrenamtlich als autonomes Frauenprojekt organisiert und informierte bis zu ihrem Ende 2014 über die lesbische Kultur-, Party- und Politikszene in und um Hamburg.

Idee der escape

Das erste Heft der escape erschien im April 1997 und wurde als zunächst kostenloses Infoblatt von einer Gruppe, bestehend aus drei bis vier Frauen, herausgebracht. Der volle Name der escape lautete zu Beginn: ‚escape – but where? ‘ und war mit der Intention verbunden, (lesbische) Frauen über Termine, Veranstaltungen und kulturelle Angebote in und um Hamburg zu informieren und ihnen Orte zu zeigen, wohin sie aus ihrem Alltag fliehen und wo sie sich mit anderen Frauen und Lesben vergnügen konnten. Der Name änderte sich recht bald in escape – termine und kontakte für frauen und lesben in hh. Neben den Terminen wurden auch Film- und Fernsehtipps zusammengetragen.

Interview mit escape-Mitarbeiterin S. (Minute 9:43-10:34)

Weitere Rubriken kamen hinzu, sodass sich die escape zu einem umfangreichen Magazin entwickelte. Für Teile der Frauen-/Lesbenszene ging es beim Erstellen der Zeitschrift auch bewusst darum, neben der öffentlich-politischen Arbeit, Orte und Räume zu schaffen, in denen frauen-/lesbenspezifische Aktivitäten (ohne männliche Einmischung) möglich wurden und in denen die eigene, vor allem lesbische, Identität gelebt, erfahren und gestaltet werden konnte.1  Die escape fokussierte sich gerade in ihrer Anfangszeit auf den die Freizeit und den Spaß betonenden Teil der Hamburger Frauen-/Lesbenbewegung und trug damit zum Sichtbarmachen der privaten lesbischen Praxis bei. Es ging um Vernetzung und gemeinsam gelebten Alltag, auch als ein Ausdruck politischer Arbeit. Die ehemalige Zweite Hamburger Bürgermeisterin Dr. Verena Lappe bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: „Die escape war nichtsdestotrotz ganz lange DAS Blatt, um Vernetzung unter lesbischen Frauen herzustellen; einer bestimmten Szene. Und alle, die lesbische Frauen treffen wollten, taten gut da dran, dieses Blatt irgendwie mal kennenzulernen, weil sie dann wussten, wo sie sie treffen.“2

ESCAPE - but where?, 1997

Aufbau und Themenschwerpunkte

Der inhaltliche Kern der escape waren Veranstaltungstermine, TV- und Kino-Tipps, die jeden Monat zusammengestellt wurden, sowie die Auflistung frauen-/ lesbenrelevanter Orte in Hamburg. Schnell kamen weitere Rubriken hinzu wie ‚Lesben in anderen Ländern‘, ‚Frau des Monats‘ und die Vorstellung Hamburger Frauenprojekte oder von Frauen, nach denen Hamburger Straßen benannt wurden. Zentral war jedes Jahr die Berichterstattung um die Feierlichkeiten und Aktionen zum Internationalen Frauentag am 8. März, die Lesbisch-Schwulen-Filmtage (Queer Film Festival) , den Christopher-Street-Day, das bundesweite Lesbenfrühlingstreffen oder das Elblesbenspektakel, die meist immer den Schwerpunkt des entsprechenden Heftes bildeten und an denen sich die escaperinnen mit Infoständen, Filmvorstellungen oder anderen Aktivitäten selbst beteiligten.

Aktuelle Themen griff die escape ebenfalls auf. So zum Beispiel 2004 die massiven staatlichen Kürzungen der Hamburger Frauenprojekte wie FLAKS e. V., DENKtRÄUME, EVA oder Intervention e. V., die auch mit eigenen Beiträgen in der escape zu Wort kamen.3  Über das Ende der Frauenkneipe 2004 und der Frauenbaustelle im HausDrei 2013 in Altona wurde kritisch berichtet. Auch wurde 2008 die Ersteinladung zum Hamburger Mammografie-Screening kommentiert und in der Spätzeit der escape die Hamburger Parteien vor den Bürgerschaftswahlen zu ihrem Gleichstellungsprogramm befragt.4  Im Kern blieb die escape inhaltlich vor allem auf frauenrelevante Nachrichten aus Hamburg sowie aus der dortigen Frauen-/Lesbenszene fokussiert, die um überregionale Themen ergänzt wurden.

escape als ein Projekt der Hamburger Frauen-/Lesbenszene

Neben der Abbildung der ‚alltäglichen‘ Frauen-/Lesbenszene Hamburgs war die escape auch selbst Teil der Szene und bot für (lesbische) Frauen die Möglichkeit einer (lesbisch-politischen) Arbeit nach eigenen Neigungen.5  Die escape wurde während ihrer gesamten Erscheinungszeit ehrenamtlich von im Schnitt 15 bis 20 Frauen zwischen 20 und 70 Jahren, die aus verschiedenen Berufssparten kamen, organisiert: Automechanikerin, Studentin, Ingenieurin, Ergotherapeutin, Journalistin, Sozial- und Tanzpädagogin, Steuerfachangestellte, Krankenschwester, Tierärztin waren nur einige Berufe, die bei Selbstvorstellungen des Teams genannt wurden.6  Die Redaktion hatte keine eigenen Räume. Die Sitzung für ein Heft fand immer Mitte des vorhergehenden Monats jeweils wechselnd bei einer escaperin zu Hause statt. Das Team orientierte sich an einem selbst entwickelten Redaktionshandbuch und besprach auf den Sitzungen die Themen für die kommenden Hefte.7  An den Redaktionssitzungen durften auch Interessierte teilnehmen – und beobachten, wie Themen entwickelt und Autorinnen verpflichtet wurden. Gemeinsam (in späteren Jahren auch per Rundmail) wurden dann Manuskripte, Bilder und Endlayout besprochen – und das fertige Heft zum Druck am 25. eines Monats freigegeben.8  Das Magazin erschien in einer Auflage von bis zu 700 Exemplaren in seiner Hochphase und wurde von einer oder zwei escaperinnen zu den Verkaufsstellen gefahren, die die Hefte auf Kommission verkauften.9

Die escape richtete sich hauptsächlich an Leserinnen des Hamburger In- und Umlandes. Umfragen von 2001 und 2003 ergaben, dass die durchschnittliche escape-Leserin 37 Jahre alt war und in Altona (vor allem Ottensen) und in Eimsbüttel wohnte.10  In diesen Stadtteilen befanden sich auch die meisten Verkaufsstellen der escape, überwiegend Orte der Frauen-/Lesbenszene; im Heft vom Februar 2003 werden zum Beispiel 22 Verkaufsstellen aufgelistet.11  Eine letzte Umfrage 2014 ergab, dass die Leserinnen der escape mit der Zeitschrift ‚gealtert‘ waren: Im Durchschnitt waren sie 57 Jahre. Immer noch wohnten die meisten in Altona, viele aber auch im Hamburger Umland.12  Die escape blieb über den gesamten Zeitraum ihres Erscheinens ein regionales Magazin, das schwerpunktmäßig über die Hamburger Frauen-/Lesbenszene berichtete und finanziell und ideell von dieser Szene getragen wurde.13  So feierte die escape zum Beispiel ihr zehnjähriges Jubiläum mit einer Party im Magnus-Hirschfeld-Centrum in Hamburg, mit 200 Frauen. Die Radiosendung FunDyke widmete dem Jubiläum beim Hamburger Bürger*innenradio TIDE zudem eine ganze Sendung.14

escape: Hamburgs Magazin für Lesben, Heft 4, 2012

Die escape erfuhr über die Jahre auch eine Professionalisierung. Zum fünfzehnjährigen Bestehen im April 2012 schrieben die escaperinnen selbst über das Magazin: „Vom einstigen kostenlosen Terminblättchen, das anfangs noch in Ermangelung eines PCs zusammengeschnitten, geklebt und kopiert wurde, haben wir uns inzwischen zum informativen Magazin gemausert. Unsere Themen erstrecken sich von geschichtlichen Abhandlungen über sonstige lesben- und frauenrelevante Themen bis hin zu Interviews mit Politikerinnen oder anderen interessanten meist lesbischen Frauen. Natürlich sind auch die Veranstaltungstermine geblieben und sogar um TV-Serien, Bücher- sowie Film-, CD-, und DVD-Tipps ergänzt worden. Seit Beginn der escape haben sich aber nicht nur die Inhalte geändert, sondern auch […] das Layout haben wir ständig weiterentwickelt.“15  Einen großen Relaunch des Layouts gab es ab Juni 2008 nach einem Klausurwochenende in der Frauenpension Bertingen. Fortan erschien das Magazin in neuem, professionellerem Layout.16  

Bereits 2005 hatte es noch eine Namensänderung in escape – Hamburgs Magazin für Lesben gegeben.17  Das schwarz-weiße Layout wurde 2013 in einer letzten Veränderung durchbrochen, als die escape ab Mai mit einem roten Band hinter dem Logo erschien.18  Das Ende der escape konnte dies jedoch nicht verhindern.

escape: Hamburgs Magazin für Lesben, Heft 5, 2013

Ende der escape

Im Augustheft 2014 starteten die escaperinnen einen letzten dringenden Aufruf zur Unterstützung. Zwar wurden über das gesamte Erscheinen der escape durchgehend Unterstützerinnen für das Projekt gesucht, doch hieß es im Augustheft 2014 erstmals „HILFE, die escape versinkt. Wir brauchen dringend Unterstützung!“19  

Wie dringend die Lage war, zeigte sich bereits drei Monate später. Im Editorial der Novemberausgabe 2014 gaben die escaperinnen das Einstellen der Zeitschrift zum Jahresende bekannt:

„Liebe Leserinnen,

nun ist es auch bei uns soweit!

Nachdem [der Radiosender, Anm. N.P.] FunDyke seinen Betrieb eingestellt hat, [die Buchhandlung, Anm. N.P.] Frauenschwarm/Männerschwarm aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben muss, müssen auch wir die Produktion der escape einstellen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber eine der Ursachen ist sicher: Die Medienwelt hat sich verändert und Print ist einfach keine moderne Erscheinungsform mehr und vor allem ist der Vertrieb – zumindest für uns – nur lokal möglich. […] Auch finden wir einfach keine Mitstreiter*innen mehr. Unsere Redaktion ist zusehends kleiner und kleiner geworden und jede von uns musste immer mehr Arbeit übernehmen, um das Erscheinen einer Ausgabe zu gewährleisten.20

escape: Hamburgs Magazin für Lesben, Heft 8, 2014
letzte Ausgabe der escape: Hamburgs Magazin für Lesben, Heft 12, 2014

Das letzte Heft der escape erschien schließlich im Dezember 2014 , danach lösten die Frauen der Redaktion das Magazin auf. Das noch übrig gebliebene Geld kam gemeinnützigen Lesbenprojekten zu Gute.21  Neben wirtschaftlichen Gründen und zunehmend weniger mitarbeitenden Frauen kann sicher auch die allgemeine Orientierung hin zu einer stärkeren queer-Betonung in der Szene als ein Grund für die zunehmend geringer werdende Nachfrage und letztliche Einstellung des Magazins genannt werden. Auch das zunehmend selbstverständlicher werdende Leben einer lesbischen Identität in der Öffentlichkeit mag das Interesse an der escape geschmälert haben. Die Hamburger Lesbenszene jedenfalls verlor eines ihrer Vernetzungsmedien.22  Inwieweit dies durch die ‚neuen‘ Medienformate aufgefangen wurde, bleibt zu fragen.

Stand: 04. Juni 2020
Verfasst von
Nicolli Povijač

geb. 1986, Studium der Geschichte mit den Schwerpunkten Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Frauengeschichte, und der Soziologie.

Empfohlene Zitierweise
Nicolli Povijač (2021): escape – Hamburgs Magazin für Lesben, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/escape-hamburgs-magazin-fuer-lesben
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Fußnoten

  • 1DENKtRÄUME-Archiv: Schlüter, Linda, Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 118‒142; 501–543.
  • 2DENKtRÄUME-Archiv: Lappe, Dr. Verena, Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 585-588.
  • 3Zum Beispiel escape. termine und kontakte für frauen und lesben in hh, 2004, H. 7, passim.
  • 4Siehe zum Beispiel: Hass, Wiebke / Crowell, Kathy: Lesbenkultur im Haus Drei. Zukunftswerkstatt, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2011, H. 11, S. 4; Peiser, Claudia: „Die Frauenkneipe ist nicht mehr“. Aber es geht weiter, in: escape. termine und kontakte für frauen und lesben in hh, 2004, H. 9, S. 6; Schumacher, Barbara: Teilnehmen oder ignorieren? In 2008 werden Hamburgerinnen erstmals zum Mammografie-Screening „eingeladen“, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2008, H. 1, S. 10 f; Crowell, Kathy: Bürgerschaftswahl. Umfrage bei den Parteien, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2011, H. 2, S. 4‒9.
  • 5DENKtRÄUME-Archiv: D., S., 2019, Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 21-27.
  • 6Delvecchio, Joelie: In eigener Sache. Ein Wunder, das Unterstützung braucht, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2010, H. 5, S. 16 f.
  • 7DENKtRÄUME-Archiv: D., S., Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 61-63; 135.
  • 8Ebenda; DENKtRÄUME-Archiv: Vierecke, Petra (Rito), Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 169-173.
  • 9Ebenda.
  • 10Peiser, Claudia: “Escape” auf dem CSD, in: escape. termine und kontakte für frauen und lesben in hh, 2001, H. 51, S. 6; Lickteig, Sigrid: Jetzt wissen wir es! escape-Umfrage, in: escape. termine und kontakte für frauen und lesben in hh, 2003, H. 8, S. 8.
  • 11Siehe zum Beispiel escape. termine und kontakte für frauen und lesben in hh, 2003, H. 2, S. 3.
  • 12Webel, Susanne: Hamburg. Termine. Hamburgtermine. Ergebnisse der Leserinnenumfrage, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2014, H. 6, S. 13.
  • 13Crowell, Kathy: Editorial, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2014, H. 11, S. 3.
  • 14R. Susanne: escape ist jetzt ein Teenager, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2007, H. 5, S. 9.
  • 15Crowell, Kathy: Escape, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2012, H. 4, S. 3.
  • 16Siehe escape. hamburgs magazin für lesben, 2007, H. 6.
  • 17O. A.: escape kommt aus dem Schrank, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2005, H. 1, S. 14.
  • 18Siehe escape. hamburgs magazin für lesben, 2013, H. 5.
  • 19O. A.: HILFE, die escape versinkt. Wir brauchen dringend Unterstützung! in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2014, H. 8, S. 4.
  • 20Crowell, Kathy: Editorial, in: escape. hamburgs magazin für lesben, 2014, H. 11, S. 3.
  • 21DENKtRÄUME-Archiv: D., S., Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 823 827.
  • 22DENKtRÄUME-Archiv: Lappe, Dr. Verena, Interview durch Nicolli Povijač, Hamburg 2019, Zeile 477, 588.