Über Das Frauenbildungszentrum Denk-T-Räume
Feministische Subversion statt Mascara-Tipps
Frauenbildung hieß bis in die 1980er-Jahre: Schminktipps, Kochrezepte und Ikebana, während Politik, Wirtschaft oder Geschichte weitgehend frauenfreie Zonen waren. In der Tagespresse repräsentierte ein Mann mit Schlips und Kragen die Welt, Podiumsdebatten zeigten meist ein Gruppenbild mit und auch ohne Dame. Zahllose Bücher männlicher Autoren zierten die Buchregale, nur selten aber das einer Autorin. Dazu Denk-T-Räume: „Bildung, Kultur und Wissenschaft sind Bereiche, deren Struktur und Inhalt von Männern bestimmt werden. […] Männer haben das Monopol auf Welterklärung und stehen für die menschliche Norm. Frauen bleiben darin der Gegensatz, das Defizitäre.“1
Das ‚männliche Monopol auf Welterklärung‘ durchbrechen
1980 planten Feministinnen an der Hamburger Volkshochschule eine Veranstaltung über ‚Hausarbeit und Sexarbeit als Frauenarbeit‘, doch die Debatte wurde verboten. Das war der Startschuss zur Gründung eines autonomen, von Institutionen und Männern unabhängigen (‚autonomen‘) Frauenbildungszentrums. Es galt, das ‚männliche Monopol auf Welterklärung‘ zu durchbrechen: „Nur wenn wir die eigene (persönliche) Vergangenheit und die kollektive Geschichte von Frauen kennen, sind wir in der Lage, die Bedingungen der Gegenwart zu durchschauen, als veränderbar zu begreifen und eigene Utopien und Alternativen zu entwickeln!“2
Vorausgegangen waren die Gründung des Vereins ‚Frauen lernen gemeinsam‘ und der 1. Hamburger Frauenwoche im März 1981 mit 10.000 Besucherinnen. Ermutigt von diesem Erfolg verfassten vier Vereinsfrauen einen Aufruf für ein feministisches Veranstaltungszentrum. Es sollte zudem ein (Presse-)Archiv und eine (Frauen-)Bibliothek haben, denn:3„Sich nicht mehr stundenlang in öffentlichen Bibliotheken auf der Suche nach feministischer Literatur abquälen oder ratlos auf 5 Kärtchen zum Stichwort ‚Frauen‘ blicken! Nicht mehr tagelang die Stadt durchwandern, weil wir ein Flugblatt gegen Erwerbslosigkeit von Frauen machen wollen, aber kein Archiv imstande ist, Zahlenmaterial dazu anzubieten! Nicht mehr gezwungen sein, unseren Vortrag oder Kurstext nach ungebührlich Feministischem zu zensieren, weil es dem Leiter einer Bildungsstätte oder dem Vermieter eines Raums zu radikal ist!“4
Kein neuer Wein in alten Schläuchen
Feministisch-kritisches Denken und feministische Utopien (‚Denk-T-Räume‘) gehörten für das 1982 gegründete Frauenbildungszentrum stets zusammen, doch man wandte sich gegen weiblichkeitsverklärende Tendenzen in der Frauenbewegung. In einem taz-Bericht mit dem Titel Nicht nur Bauch, sondern auch Kopf 5 heißt es: „Es wird zu wenig nachgedacht und zu wenig Politik gemacht.“ Das Programm 1983 betont: „Es kommt uns darauf an, dass alle Kurse und Studiengruppen in Zusammenhang mit Frauenpolitik und Veränderung stehen, dass sie uns weiterhelfen, handlungsfähiger zu werden und selbstbestimmter zu leben. Inhalte, die Frauen in alter oder neuer Weise auf ihre Weiblichkeit festlegen, lehnen wir ab.“6
Alle Themen sind ‚Frauen‘-Themen
Frauen sollten sich nicht auf ein ‚frauenspezifisches Ghetto‘ beschränken, sondern alle Bereiche der Gesellschaft für sich erobern: Wissenschaft, Bildung, Politik und Technik. Doch es galt auch, die verschwiegene Beteiligung von Frauen am patriarchalen System zu erkennen wie in Kursen ‚Frauen im Faschismus‘7 oder ‚Unser täglicher Rassismus‘8. Um das Problem der ‚Frauennische‘ zu vermeiden, erarbeitete man eine neue Bibliothekssystematik, die umfassender war als die bloße Addition von Frauen wie in ‚Frauen-und-Politik‘ oder ‚Frauen-und-Wirtschaft‘: „Wir wollen nicht nur frauenrelevante Literatur sammeln, sondern sie auch systematisch neu erschließen. Die Bücher sollen nach Kategorien geordnet und einsortiert werden, die den besonderen Sichtweisen von Frauen auf die Gesellschaft entsprechen und ‚Frauenfragen‘ in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen stellen.“9 Frauenpolitik sollte kein Anhängsel der ‚großen‘ Themen sein, sondern integraler Bestandteil aller Bereiche der Gesellschaft.
Gemeinsam lernen – Verschiedenheit als Bildungskonzept
Inspiriert von einem radikaldemokratischen Verständnis von Bildung träumte das Frauenbildungszentrum von einer inklusiven Frauenkultur: Frauen aller Altersgruppen und sozialen Schichten sollten hierarchiefrei zusammen lernen. „Unsere Erfahrungen im Beruf und in der Frauenbewegung haben uns gezeigt, dass Frauen am besten in eigenen, selbstbestimmten Zusammenhängen lernen und diskutieren können, wo sie ohne starre Pläne einer Institution Dauer, Tempo und Verlauf der Kurse und Gruppen gemeinsam bestimmen, wo Privates und Arbeitsinhalte nicht voneinander getrennt werden müssen.“10 Das ‚integrierte Bildungskonzept‘ schuf dafür einen offenen, flexiblen Rahmen mit verschiedenen Zugänge zu Frauenstudien unter einem Dach:
- eine Bibliothek mit Büchern von Frauen, um sichtbar zu machen, dass Frauen ‚was zu sagen‘ haben;
- ein (Presse-)Archiv, das dokumentierte, was (und wie) über Frauen geschrieben wurde;
- Kurse beziehungsweise Veranstaltungen, die feministisch-wissenschaftliche Ansätze vorstellten und mit neuen Lernformen experimentierten;
- Studiengruppen, wo Frauen auch ohne akademischen Hintergrund gemeinsam zu einem Thema forschen konnten;
- das Frauencafé MegDonna, wo Frauen essen, lesen, plaudern oder sich mal ‚männerfrei‘ ausruhen konnten.
Das offene Bildungsangebot erleichterte lernungewohnten Besucherinnen den Zugang zum Lernen. Für viele war es eine lebensprägende Erfahrung, zum ersten Mal öffentlich das Wort zu ergreifen, doch auch manche Professorin hatte hier ihren ersten Auftritt: „Wenn die 16jährige geht, die im Archiv für die Schule was über Gentechnologien rausgesucht hat, kommt die 60jährige zum selbstorganisierten Literaturkreis. Igelpunks und Schneiderkostüm diskutieren über feministische Zeitungskonzepte. Mutter und Tochter melden sich zum Bildungsurlaub an, Putzfrau von Beruf die eine, Sozialarbeiterin die andere.“11
Denk-T-Räume, in unmittelbarer Nachbarschaft einer Motorenfabrik gelegen, wurde zu einem bundesweit bekannten Vorzeigeprojekt: „Tausende von Frauen wanderten im Lauf der letzten 5 Jahre an verblüfften Blaumännern vorbei, um die Denk-T-Räume für sich zu erobern. Liehen Bücher aus, hielten Vorträge, gründeten Gruppen, schrieben Diplomarbeiten, sammelten Material für kleine und große Anfragen, diskutierten geniale Ideen, veröffentlichten sie, ließen sich scheiden, gründeten eigene Projekte, organisierten Feste, änderten ihr Leben, suchten Referentinnen, Rat, Hilfe, Kontakte, Buchtipps, Filme.“12
Im Kollektiv ist alle Arbeit gleich (wertvoll)
Der Kollektivgedanke spielte in vielen alternativen Projekten der 70er- und 80er-Jahre eine tragende Rolle. So wurden alle Mitarbeiterinnen der Denk-T-Räume unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation gleich entlohnt. Von Renovierung über Layout bis Kursleitung: Alle machten alles. Entscheidungen traf man im Plenum, meist im Konsensverfahren, Projektveröffentlichungen waren immer anonym. Das förderte den Gruppenzusammenhalt und trug zu einer hohen Identifikation aller mit dem Projekt bei, wenn auch oft zu langen Diskussionen.
Sobald es ABM-Stellen gab, spendeten Frauen, die eine Stelle innehatten, 50 Prozent ihres Gehalts an das Projekt, um weitere Mitarbeiterinnen zu entlohnen. Die bezahlte ABM-Arbeit trug zur Professionalisierung, aber auch zu Spannungen bei: „So lässt sich feststellen, dass sich mittlerweile eine Arbeitsteilung herausgebildet hat, die ein altes Projektprinzip von ‚Alle planen, machen, besprechen alles‘ ad absurdum führt, dass sich ‚geschäftige‘ Routine einstellt, die mit unseren Vorstellungen von Gemeinsamkeit kaum mehr Ähnlichkeit etwas zu tun hat.“13 Die rein ehrenamtliche Struktur löste sich nach einigen Jahren auf. Nur die Archivgruppe existierte noch weiter, gehörte aber nicht mehr zum Kernteam.
Träume von Autonomie oder Dienstleistungsunternehmen?
Seit der Gründung führte Denk-T-Räume einen zähen Kampf um staatliche Finanzierung. Dank des Engagements einiger Politikerinnen gab es gelegentlich städtische Zuschüsse, doch eine feste Finanzierung blieb aus. Vom Betreiben des Cafés Megdonna hatte das Team sich ein finanzielles Plus erhofft, doch vergeblich. Frustration kehrte ein: „Aufbruchstimmung und spontaner Eifer haben sich mit den Jahren etwas verloren. Sind wir nur noch ein seriöses Dienstleistungsunternehmen und haben die Trends verpasst, mit denen wir uns ‚geldbringend‘ verkaufen können? […] Sind wir bloß ein Relikt der alten Träume von Autonomie, gelebter Politik und Organisation von Gegenmacht?“14 Als die ABM-Stellen ausliefen, verließen langjährige Mitarbeiterinnen das Projekt, um sich anderswo eine bezahlte Arbeit zu suchen, und Denk-T-Räume sah sich vor dem Aus: „Es scheint so weit zu sein: die Denk-T-Räume wird es bald nicht mehr geben.“15 Verzweifelt starteten die Denk-T-Räume, unterstützt von zahlreichen Anhängerinnen, öffentliche Protestaktionen. So tauchte zum Beispiel ein langer ‚Bücherwurm‘ im Hamburger Rathaus auf und forderte per Megafon Geld für die Denk-T-Räume. Die Aktionen waren erfolgreich: Neun Jahre nach der Gründung, im März 1993, bewilligte der Senat endlich vier Stellen plus Haushaltstitel und das Denk-T-Räumen konnte für viele Jahre weiterbestehen…
Netzwerk von Das Frauenbildungszentrum Denk-T-Räume
Biografie von Das Frauenbildungszentrum Denk-T-Räume
Fußnoten
- 1 Archiv DENKtRÄUME (im Folgenden DT), Wissenschaft und Bildung, VIII 4.1 DT Archive und Bibliotheken – DENKtRÄUME, Selbstverständnisbroschüre: „Frauenbildungszentrum Hamburg“, Hamburg 1983, S.6.Selbstverständnisbroschüre: „Frauenbildungszentrum Hamburg“, Hamburg 1983, S.6.
- 2 Archiv DENKtRÄUME (im Folgenden DT), Wissenschaft und Bildung, VIII 4.1 DT Archive und Bibliotheken – DENKtRÄUME, Selbstverständnisbroschüre: „Frauenbildungszentrum Hamburg“, Hamburg 1983, S.6.Selbstverständnisbroschüre: „Frauenbildungszentrum Hamburg“, Hamburg 1983, S.6.
- 3 Programmheft der 1. Hamburger Frauenwoche, Hamburg 1981, S. 87.
- 4 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Sommer 1988, S.6.
- 5 taz vom 19.04.1983: „Keine Bauchpflege“; Frauenbildungszentrum eröffnet, o. S.
- 6 DT, VIII 4.1_DT, Flugblatt Frauenbildungszentrum: Kursprogramm 1983.
- 7 DT, VIII 4.1_DT, Flugblatt Frauenbildungszentrum: Kursprogramm Sommer 1983 und Herbst/Winter 1983/84.
- 8 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Herbst/Winter 1985/86.
- 9 DT, VIII 4.1_DT, Selbstverständnisbroschüre 1983, S.10.
- 10 DT, VIII 4.1_DT, Flugblatt Frauenbildungszentrum: Kursprogramm Frühjahr 1983.
- 11 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Sommer 1988, S.7.
- 12 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Sommer 1988, S.7.
- 13 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Sommer 1985, S.24.
- 14 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Sommer 1986, S.6.
- 15 DT, VIII 4.1_DT, Denk-T-Räume-Kursprogramm Herbst/Winter 1988/89, S.5.