Von Freigabe bis Bestrafung
Die im § 218 unter Strafandrohung an die Frau gestellte Forderung, eine keimende Leibesfrucht in ihrem Schoße unter allen Umständen auszutragen und auf die Welt zu bringen, ist ein unwürdiger Eingriff in die allerintimste Privatangelegenheit eines Weibes.
Darüber besteht für mich kein Zweifel: wenn die Männer die Kinder zu gebären hätten – ein männlicher § 218 wäre nie geschaffen worden!
Die Arbeiterklasse dürfe nicht vergessen, daß für ihren Befreiungskampf die große Masse von ausschlaggebender Bedeutung sei. Ein Blick in die Geschichte zeige, daß die aufstrebenden Klassen nicht durch ihre Qualität, sondern durch ihre Masse gesiegt hätten. Es sei der Kinderreichtum ein gesunder Reichtum gewesen.
- Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wartenberg,_Alma.jpg
- Gemeinfrei
Wenn der Staat auch noch soviel Gesetze gegen den Rückgang der Geburten schaffe, so müsse die Frau doch Herrin über ihren eigenen Körper bleiben. Das Recht, sie gegen die Geburten zu schützen, stehe ihr selbst gegen den Willen ihres Ehemannes zu!
Ich kann nur nochmals eindringlich wiederholen, was ich bereits bei früheren Gelegenheiten zu Gunsten der Streichung gesagt habe. Wenn wir Frauen hier nicht für unsere Selbstverantwortlichkeit in der weiblichsten aller Lebensaufgaben, in der ‚Leben zu geben‘, wenn wir hier nicht gegen die Bewertung als willenlose Hilfswesen zur Hervorbringung von Kanonenfutter eintreten – dann verdienen wir m.E. keine andere Bewertung! Dies in Bezug auf das Prinzip. Was die Praxis anbelangt, so erscheint nach den Beobachtungen und Erfahrungen des täglichen Lebens diese Strafbestimmung einfach lächerlich.
§§ 218 & 219 sollen ganz gestrichen werden. Begründung: Ich halte diese beiden Paragrafen für den bedenklichsten Eingriff in die persönliche Freiheit, die es geben kann. Ist eine Frau schwanger und setzt sich mit Wissen und Willen der Lebensgefahr aus, welche die Abtreibung stets mit sich bringt, so soll sie dies auf eigene Gefahr tun und nicht noch mit dem Strafrichter in Konflikt kommen.
Haben Juristen, haben Männer denn eine Ahnung von dem, was im Frauenleben körperlich, geistig und seelisch vor sich geht, wenn die Frau die Empfängnis spürt? Was wissen denn Männer von dieser Seelenangst, von dieser namenlosen Sorge, von der Verzweiflung, wenn die Folgen eines leichtsinnigen oder eines im Rausche der Liebe und Leidenschaft geschlossenen Verkehrs empfunden werden?
- Digitales Deutsches Frauenarchiv
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