Von bürgerlich bis sozialistisch
Keiner, der für die Aufhebung der §§ 218/219 des StGB eintritt, wie es bekanntlich der Bund für Mutterschutz seit zwei Jahrzehnten getan hat, wird die Unterbrechung der Schwangerschaft an sich für etwas Gutes und Wünschenswertes halten. Sie wird nach meiner Überzeugung im Gegenteil jedenfalls stets eine traurige, ernste und bedauerliche Notwendigkeit bleiben.

Die Frage, ob die Abtreibung strafbar sein soll oder nicht, ist aber überhaupt keine ethische sondern einer rechtliche Frage.

Aber eine Hauptursache dafür, daß das Verbot so strenge festgehalten wird, scheint uns doch die Angst vor der sexuellen Freiheit der Frau zu liegen .
Die ärztliche Technik der Schwangerschaftsunterbrechung ist in Deutschland äußerst Rückständig und minderwertig. Infolge der an unseren Universitäten herrschenden Geheimniskrämerei wird der ärztliche Nachwuchs absichtlich in Unwissenheit über dieses wichtige Gebiet erzogen. […] Und schließlich sind Männer in der Anwendung derartiger Schutzmittel nicht so zuverlässig wie Frauen.
Wir fordern nicht, wie die bürgerlichen Frauenrechterinnen >das Recht auf den eigenen Körper<. Vom sozialistischen Standpunkt hat kein Mensch das Recht, seinen Körper zu ruinieren, so daß er dann der Allgemeinheit zur Last fällt.
Was nützte ihr das Stimmrecht, wenn sie trotzdem eine willenlose Gebärmaschine bleiben sollte?
Nicht dadurch bekämpft man die von den Frauen selbst oder von Unberufenen ausgeführten Eingriffe, indem man Frauen und Aerzte ins Gefängnis steckt, sondern nur dadurch, daß man bessere soziale Verhältnisse schafft und weitgehende Aufklärung über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung vermittelt.

- Historical Museum Frankfurt
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Der Bund Deutscher Frauenvereine stimmt den §§ 228 und 229 des Entwurfs zum Strafgesetzbuch zu, insbesondere insofern, als in Uebereinstimmung mit den früheren Forderungen des Bundes § 228 bei Aufrechterhaltung der Strafbarkeit an sich das Strafmass für die Unterbrechung der Schwangerschaft für die Schwangere herabsetzt und die Zuchthausstraße für die abschafft.
Seit bald drei Jahrzehnten stehe ich im Kampfe für die Abschaffung des § 218. Auf die Fülle von Qual, von seelischem und körperlichem Leid, die durch diese Strafbestimmung hervorgerufen werden, wird man einst zurückblicken mit Gefühlen, wie wir sie heute für die Torturen des Mittelalters, für Inquisition und Hexenverbrennung hegen.

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Die in der Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands zusammengeschlossenen Frauen verlangen auf Grund ihrer religiös-sittlichen Weltanschauung die Aufrechterhaltung der Strafbarkeit des Eingriffs gegen das keimende Leben.
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