Von bürgerlich bis sozialistisch

Die Akteurinnen der alten Frauenbewegung waren sich in der Debatte um den § 218 und die Geburtenpolitik in der Weimarer Republik nicht immer einig. Die ausgewählten Zitate lassen einen Ausschnitt der vielfältigen Positionen innerhalb der Bewegung erkennen.

   

Keiner, der für die Aufhebung der §§ 218/219 des StGB eintritt, wie es bekanntlich der Bund für Mutterschutz seit zwei Jahrzehnten getan hat, wird die Unterbrechung der Schwangerschaft an sich für etwas Gutes und Wünschenswertes halten. Sie wird nach meiner Überzeugung im Gegenteil jedenfalls stets eine traurige, ernste und bedauerliche Notwendigkeit bleiben.

Helene Stöcker : Fort mit der Abtreibungsstrafe! (1924), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 239‒247, hier S. 239.

Die Frage, ob die Abtreibung strafbar sein soll oder nicht, ist aber überhaupt keine ethische sondern einer rechtliche Frage.

Hertha Riese : Die soziale Indikation zur Unterbrechung der Schwangerschaft, Vortrag, gehalten auf dem „Sexual reform Congress“ (1929), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 248‒260, hier S. 250.

Aber eine Hauptursache dafür, daß das Verbot so strenge festgehalten wird, scheint uns doch die Angst vor der sexuellen Freiheit der Frau zu liegen .

Marie Frischauf / Annie Reich : Ist Abtreibung schädlich? (ca. 1930), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 261‒267, hier S. 263.

Die ärztliche Technik der Schwangerschaftsunterbrechung ist in Deutschland äußerst Rückständig und minderwertig. Infolge der an unseren Universitäten herrschenden Geheimniskrämerei wird der ärztliche Nachwuchs absichtlich in Unwissenheit über dieses wichtige Gebiet erzogen. […] Und schließlich sind Männer in der Anwendung derartiger Schutzmittel nicht so zuverlässig wie Frauen.

Martha Ruben-Wolf: Verhütung oder Abtreibung? (1931), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 275‒289, hier S. 277 ff.

Wir fordern nicht, wie die bürgerlichen Frauenrechterinnen >das Recht auf den eigenen Körper<. Vom sozialistischen Standpunkt hat kein Mensch das Recht, seinen Körper zu ruinieren, so daß er dann der Allgemeinheit zur Last fällt.

Käthe Frankenthal : §218 streichen – nicht ändern (1931), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 290‒296, hier S. 292.

Was nützte ihr das Stimmrecht, wenn sie trotzdem eine willenlose Gebärmaschine bleiben sollte?

Else Kienle : Die Befreiung der Frau (1932), in: Janssen-Jurreit, Marielouise (Hg.): Frauen und Sexualmoral, Frankfurt a.M. 1986, S. 297‒310, hier S. 300.

Nicht dadurch bekämpft man die von den Frauen selbst oder von Unberufenen ausgeführten Eingriffe, indem man Frauen und Aerzte ins Gefängnis steckt, sondern nur dadurch, daß man bessere soziale Verhältnisse schafft und weitgehende Aufklärung über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung vermittelt.

Marie Juchacz , Stimmen gegen §218, in: Der sozialistische Arzt, 7. Jg., 1931, H. 4, S. 99‒104, hier 102–103.

Der Bund Deutscher Frauenvereine stimmt den §§ 228 und 229 des Entwurfs zum Strafgesetzbuch zu, insbesondere insofern, als in Uebereinstimmung mit den früheren Forderungen des Bundes § 228 bei Aufrechterhaltung der Strafbarkeit an sich das Strafmass für die Unterbrechung der Schwangerschaft für die Schwangere herabsetzt und die Zuchthausstraße für die abschafft.

Entschließung des Bundes Deutscher Frauenvereine zu § 218 St. G. B. gefasst auf seiner 14. Generalversammlung in Dresden 1925, Sign.: B Rep. 235-20 347, B Rep. 235-20 HLA Zeitungsausschnittsammlung, 1 Bl.

Seit bald drei Jahrzehnten stehe ich im Kampfe für die Abschaffung des § 218. Auf die Fülle von Qual, von seelischem und körperlichem Leid, die durch diese Strafbestimmung hervorgerufen werden, wird man einst zurückblicken mit Gefühlen, wie wir sie heute für die Torturen des Mittelalters, für Inquisition und Hexenverbrennung hegen.

Dr. Adele Schreiber , Wie stehen Sie zum § 218 Str.G.B.?, Rundfrage der „Volksstimme, Mannheim 27. November 1929, Sign.: B Rep. 235-20 347, B Rep. 235-20 HLA Zeitungsausschnittsammlung, 4 Bl, hier Bl. 2.

Die in der Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands zusammengeschlossenen Frauen verlangen auf Grund ihrer religiös-sittlichen Weltanschauung die Aufrechterhaltung der Strafbarkeit des Eingriffs gegen das keimende Leben.

Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands : Entschließung zu § 218, o. D., Sig.: B Rep. 235-20 349, B Rep. 235-20 HLA Zeitungsausschnittsammlung, 1 Bl.
Stand: 17. Mai 2021
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