Kreativ gegen Fanatismus

Sogenannte Schweigemärsche werden von zumeist christlich fundamentalistischen Gruppierungen als Kritik an einer gelebten Emanzipation inszeniert. Wie kreativer und vor allem lauter Gegenprotest aussehen kann, zeigt dieses Demo-Aktionskit vom „What the Fuck?“-Bündnis aus dem FFBIZ.

Seit 2008 veranstalten sogenannte LebensschützerInnen jedes Jahr im September (davor unregelmäßig) den Marsch für das Leben in Berlin, um gegen das Recht auf Abtreibung zu demonstrieren. Ein konservatives Familienbild und die Zuschreibung von Geschlechterrollen, die wir eigentlich in der Vergangenheit verorten würden, eint die TeilnehmerInnen in ihrem christlichen Fundamentalismus.

Seit 150 Jahre kämpfen Aktivist*innen für das Recht auf Abtreibung. Wie dieser jährliche Protest zeigt, hat das Thema leider nicht an Aktualität verloren. Das queerfeministische Bündnis What the Fuck?! organisiert seit Jahren kreativen Gegenprotest. Dieses Demo-Aktionskit aus dem Jahr 2017 ist ein Ausdruck dafür. Neben der Legalisierung von Abtreibungen setzt sich das Bündnis für Pränataldiagnostik ohne Selektion, eine flächendeckende Unterstützung für Menschen mit Behinderung und für ein nicht-heteronormatives Familienbild ein.

Dieses Demo-Aktionskit ist eines von 500 Stück, hergestellt für die Teilnehmer*innen der Gegenproteste zum Schweigemarsch am 16. September 2017 in Berlin. Ein Tütchen gefüllt mit Glitzer, Konfetti, einer Trillerpfeife, Stickern und Kondomen soll den Teilnehmenden ermöglichen, dem Schweigemarsch einen bunten und lauten Protest entgegenzusetzen. Im Archiv zählt es zu den ganz besonderen Fundstücken. Es zeigt, dass die Dokumentation von Protestkultur ein wichtiger Bestandteil der Arbeit im Archiv ist. Hinzu kommt die Kontinuität, die damit aufgezeichnet wird. Der Kampf auf das Recht auf Abtreibung ist seit der Gründung des FFBIZ-Archivs immer Thema und somit auch die Artefakte, die diesen Kampf dokumentieren. Das Demo-Aktionskit befindet sich neben einem Feuerzeug mit dem Spruch „Frauen geben Feuer gegen den § 218“ und der Button-Sammlung einer Kampagne gegen Abtreibungsverbot in guter Gesellschaft.

 Für wie gefährlich Glitzer verstreuende Feminist*innen eingestuft werden, war 2015 zu sehen, als „Glitzerwerfen“ als Körperverletzung eingestuft und eine Aktivistin zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt wurde. Auch 2021 ist der feministische Protest weiterhin von Repression betroffen, wie die aktuellen Anklagen wegen „Nötigung“ aufgrund der Teilnahme an einer Sitzblockade zeigen.

Deswegen gilt auch in diesem Jahr – feminism is not a crime! Wir sehen uns am 18. September 2021 auf der Straße!

Das FFBIZ-Archiv wurde 1979 in Berlin gegründet. Seit den 1970er Jahren wird in dem feministischen Dokumentations- und Informationszentrum möglichst breit zu feministischen Themen, Gruppen und Aktivismus gesammelt. Das FFBIZ-Archiv ist Mitglied im i.d.a.-Dachverband.

Stand: 17. Mai 2021
Lizenz (Text)
Verfasst von
Roman Klarfeld

Projektleitung FFBIZ-Archiv

Empfohlene Zitierweise
Roman Klarfeld (2021): Kreativ gegen Fanatismus, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/angebote/dossiers/218-und-die-frauenbewegung/kreativ-gegen-fanatismus
Zuletzt besucht am: 10.05.2024
Lizenz: CC BY 4.0
Rechteangabe
  • Roman Klarfeld
  • Digitales Deutsches Frauenarchiv
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