Über Plenum Ostberliner Frauenprojekte (POP)
„Klar ist, die Frauenprojekte wurden bislang zwar gelitten, aber keineswegs geliebt. Denn Frauenprojekte sind eine politische Macht, die in gesellschaftliche Prozesse eingreift.“1 Das POP war ein Zusammenschluss verschiedener Frauen- und Mädchenprojekte im Ostteil Berlins, die sich von 1991 bis 1998 regelmäßig trafen. Die einzelnen Projekte widmeten sich mit ihren Beratungs-, Betreuungs- und Informationsangeboten ganz unterschiedlichen Bereichen – von den Themen Antigewalt, Therapie und Sucht über (Multi-)Kulturelles, Gesundheit, Forschung und Bildung bis hin zu Beschäftigung, Wirtschaft und Existenzgründung. Die Projekte traten als großes Bündnis an die Öffentlichkeit, um sich effektiver gegen die als restriktiv empfundene Finanzierungspolitik des Berliner Senats wehren zu können. So heißt es in einem offenen Brief aus dem Gründungsjahr:
„Wir fordern daher:
- Die sofortige Sicherung der laufenden Kosten für die Projekte bis zur endgültigen Verabschiedung des Ostberliner Nachtragshaushaltes.
- Keine Kürzungen der geplanten Mittel für 1991.
- Nicht nur die Unterstützung bereits bestehender, sondern auch sich neu gründender Frauenprojekte.
- Förderung der Ostberliner Frauenprojekte nicht auf Kosten der Projekte im Westteil der Stadt.“2
Der Nachlass von POP zeugt einerseits vom ständigen Kampf der Ostberliner Frauenprojekte gegen ihre prekäre finanzielle Lage und gewährt andererseits einen seltenen Einblick in die Geschichte der Frauenbewegung der Nachwendezeit im Kontext des schwierigen Prozesses der Annäherung Ost- und Westberlins.
Ausgangslage: Die Frauenbewegung nach dem Mauerfall in Ostdeutschland
„Es stellte sich heraus, daß in den Projekten unser eigentlicher Anspruch, ein neues Frauenselbstverständnis zu entwickeln, Freiräume zu schaffen sowie Frauenkunst, -politik und -kultur zu befördern, überlagert wurde von massiv auftretenden wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und familiären Problemen vor allem von Frauen im Ostteil der Stadt. In 40 Jahren haben sich hinter der Mauer eine völlig andere Mentalität und andere Wertvorstellungen entwickelt. Durch den abrupten Umbruch des Wertesystems und den Verlust der Identität sind Selbsthilfeprojekte gerade im Ostteil notwendiger denn je.“3
Diese Spaltung zwischen den Frauenprojekten aus Ost und West wurde zusätzlich dadurch befeuert, dass der Senat der Nachwendejahre behauptete, die ständigen finanziellen Kürzungen in beiden Teilen Berlins wären Folge zu hoher Ausgaben im jeweils anderen Teil der Stadt. Der Senat versuchte so, die Frauenprojekte in Ost und West gegeneinander auszuspielen.4
Gründung von POP
Im Sommer 1990 gründeten engagierte Frauen den Wirkstoff e.V. Der Verein war ursprünglich als Träger- und Qualifikationsprojekt für die sich im Entstehen befindende Frauenprojektinfrastruktur im Osten Berlins vorgesehen. Die Teilnehmerinnen der im Verein angebotenen Qualifizierungsmaßnahme ‚Projektmanagement für Gründerinnen Ostberliner Frauenprojekte‘ erkannten indes die Notwendigkeit eines Bündnisses aller Frauenprojekte im Osten der Stadt, um die lokale Infrastruktur zu erhalten und auszubauen5 Die Teilnehmerinnen gründeten Mitte des Jahres 1991 das Plenum Ostberliner Frauenprojekte mit dem Anspruch, sich untereinander zu vernetzen und gemeinsam die Interessen von ehemaligen DDR-Bürgerinnen durch Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und politische Aktionen besser zu vertreten, insbesondere vor dem Hintergrund der seit dem Mauerfall verschärften Ausgrenzungs- und Benachteiligungstendenzen durch Staat und Gesellschaft.6 So heißt es auf einem bei einer Aktion am 29. Mai 1991 im Abgeordnetenhaus verteilten Flugblatt:
„Nachgewiesenermaßen gehören insbesondere Frauen der ehemaligen DDR zur den großen Verliererinnen der Deutschen Einheit. Nun wird ihnen auf Grund politischer Entscheidungen und finanzieller Zwänge jede Möglichkeit genommen, in Frauenzentren und -projekten die entstandenen Defizite zu mildern, sich neu zu orientieren und zu aktivieren. Völlig unverständlich und skandalös erscheint uns auch die Tatsache, daß trotz des erhöhten Bedarfs im Ostteil, der sich aus der sprunghaft wachsenden Zahl erwerbsloser Frauen, einem höheren Anteil an Alleinerziehenden und Sozialhilfeempfängerinnen, der noch vorhandenen Unsicherheit im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie aus dem noch erforderlichen Ausbau der Projekte ergibt, lediglich 13,25 % der Gesamtzuwendungssumme [Berlins] in nur 4 Projekte im Ostteil der Stadt fließen.“7
Die Projekte sprangen mit ihren Beratungsstellen und Hilfsangeboten dort ein, wo der Staat versagte. Und immer wieder prangerten sie die viel zu schwache soziale Infrastruktur der Stadtbezirke an. Regelmäßig erinnerten sie daran, dass die von Frauenprojekten geleistete soziale Arbeit eine Leistung ist, die eigentlich vom Staat erbracht werden müsste. Doch statt diese Leistung zu erbringen, waren die Stellen, die besetzt wurden, unter- bzw. unbezahlt und wurden beinahe ausnahmslos von kurzfristig angestellten oder freiwillig engagierten Frauen auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt geleistet. POP forderte daher eine dauerhafte Förderung der Projekte, um sie zu erhalten, auszubauen und die Professionalität ihrer Hilfsangebote zu gewährleisten.8
Arbeitsweise und Aktionen
Die Frauen des Plenums Ostberliner Frauenprojekte trafen sich einmal pro Monat, jedes Mal in den Räumlichkeiten eines anderen Mitgliedsprojektes. Da die Netzwerktreffen anfänglich vorrangig noch dem Erfahrungs- und Informationsaustausch dienten, erkannten die Frauen schnell, dass alle Projekte ähnliche Probleme beschäftigten. Ausgehend von dieser Erkenntnis entwickelte sich POP innerhalb der ersten Jahre zu einem der wichtigsten Frauennetzwerke Berlins nach der Wiedervereinigung. Innerhalb des Bündnisses besprachen die Frauen nicht nur die Zusammenarbeit mit VertreterInnen von Senat, Parteien, Ämtern oder Verbänden, sondern organisierten auch aufsehenerregende Aktionen, die oft von einem großen Medienecho begleitet wurden. So finden sich zur ersten dokumentierten gemeinsamen Aktion am 24. April 1991 – einer Bustour vom Abgeordnetenhaus zu den Frauenprojekten im Osten Berlins – Artikel in beinahe allen großen Tageszeitungen der Stadt, die auf die katastrophale finanzielle Lage der Frauenprojekte im Osten der Stadt aufmerksam machten.9 Am 8. März 1993 organisierte POP das erste Politische Frauenfrühstück im Rathaus Schöneberg gemeinsam mit der Überparteilichen Fraueninitiative (ÜPFI e.V.), wo sie den geladenen Berliner Abgeordneten einen gemeinsam aufgestellten Forderungskatalog überreichten. In dem Forderungskatalog heißt es:
„Aus Anlaß des 8. März 1993 fordert das Plenum Ostberliner Frauenprojekte nachdrücklich den Erhalt und Ausbau der Frauen-infrastruktur im Ostteil Berlins und damit die Sicherung selbst-geschaffener Frauenarbeitsplätze. Frauen wollen sich in einer Zeit massiven Stellenabbaus nicht zur „Arbeitsreserve“ degradieren lassen. Deshalb stehen unsere Forderungen immer im Kontext mit dem Erhalt von Frauenarbeitsplätzen!“10
Am 27. September 1995 veranstalteten die POP-Projekte eine groß angelegte Podiumsdiskussion zum fünfjährigen Bestehen ihres Bündnisses. Es diskutierten unter anderem Dr. Christine Bergmann, Senatorin für Arbeit und Frauen, sowie Vertreterinnen aus Politik und Verwaltung mit den POP-Frauen. Die Senatorin zog eine positive Bilanz, während die Projektefrauen ihre politischen Forderungen in den Vordergrund stellten.11
Aus dem einstmals losen Zusammenschluss von Mädchen- und Frauenprojekten wurde so im Laufe der Jahre ein starkes Bündnis, das das Ziel hatte, sich dort in politische Entscheidungen einzumischen, wo sie getroffen wurden. So veröffentlichte POP Protestbriefe an PolitikerInnen und SenatorInnen zu aktuellen Haushaltsdebatten und verfasste Forderungskataloge an MinisterInnen.12 Die Frauen hielten Protestaktionen an prominenten Orten wie dem Roten Rathaus und dem Abgeordnetenhaus ab, demonstrierten gegen den Abtreibungsparagraphen § 218 StGB und organisierten Unterschriftensammlungen für die Abschaffung des § 19 des Ausländergesetzes.13
Fusion mit dem Arbeitskreis Autonomer Frauenprojekte
Schon von Beginn an organisierten die Frauen von POP Veranstaltungen zusammen mit ihrem Westberliner Pendant, dem Arbeitskreis Autonomer Frauenprojekte (Kurz: AK). Vor allem das Thema Gewalt gegen Frauen rückten sie gemeinsam in Form von Podiumsdiskussionen sowie Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen in den Fokus.14 Nach sieben Jahren separater Organisation in den beiden Teilen der Stadt vereinten sich POP und AK im Jahr 1998 schließlich zum Berliner Frauen Netzwerk (kurz: bfn). Indem die Frauen die Trennung in Ost- und Westprojekte auf organisatorischer Ebene aufhoben, sollte einem Konkurrenzkampf zwischen Frauenprojekten beider Stadtteile entgegengewirkt werden. Zudem hofften sie auf größere politische Einflussnahme durch eine gemeinsame Interessenvertretung.15
Netzwerk von Plenum Ostberliner Frauenprojekte (POP)
Biografie von Plenum Ostberliner Frauenprojekte (POP)
Fußnoten
- 1 Zimmerling, Ingeborg: Frauen in Berlin. Gelitten, aber nicht geliebt … oder: Fünf Jahre Plenum Ostberliner (Frauen-)Projekte (POP), in: Weitblick, 1996, Nr. 25, S. 9.
- 2 FFBIZ. Sammeln, Bewahren, Erinnern – das feministische Archiv e.V., A Rep. 400 Berlin 20.26 - 6 „Plenum Ostberliner Frauenprojekte“, Bl. 15.
- 3 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 6, Bl. 12.
- 4 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 6, Bl. 1.
- 5 .FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 6, Bl. 105.
- 6 Plenum Ostberliner Frauen-Projekte (POP): Fünf Jahre Frauenprojekte Ost: Bilanz und Perspektiven. Veranstaltung des POP am 27. September 1995, Berlin 1995, S. 7.
- 7 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 1, Bl. 38.
- 8 Zimmerling, Ingeborg: Frauen in Berlin, S. 8.
- 9 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 1, Bl. 27–37.
- 10 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 3, Bl. 39.
- 11 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 5, Bl. 168.;FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 6, Bl. 122-125.
- 12 Plenum Ostberliner Frauen-Projekte (POP): Fünf Jahre Frauenprojekte Ost, S. 3.
- 13 Ebenda, S. 4–6.
- 14 Zimmerling, Ingeborg: Frauen in Berlin, S. 8.
- 15 FFBIZ, A Rep. 400 Berlin 20.26 - 9, Bl. 134.
Ausgewählte Publikationen
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Zimmerling, Ingeborg: Frauen in Berlin. Gelitten, aber nicht geliebt …oder: Fünf Jahre Plenum Ostberliner (Frauen-)Projekte (POP), in: Weibblick, 5. Jg., 1996, H. 25, S. 8 - 9.