Hamburger Frauenwoche
Themen und Organisation
Die Hamburger Frauenwoche wurde im März 1981 erstmals gemeinsam vom Verein Frauen lernen gemeinsam e.V., der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP, seit 2005 Teil der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg) und dem AStA des Fachbereichs Erziehungswissenschaften organisiert. Eine Woche im März blieben die Räume der HWP Frauenräume, in denen ein breites politisches Bildungsangebot allein für Frauen stattfand. Im Foyer Marktstimmung: Stände diverser Frauenprojekte boten eine Wissens- und Kontaktbörse für Hamburger Frauen. Bis 1991 blieb diese Zusammenarbeit und Form relativ konstant. Frauen mit den unterschiedlichsten Lebensformen wurde die Teilnahme ermöglicht – etwa dank der Anerkennung als Bildungsurlaub und der angebotenen Kinderbetreuung auf der sogenannten Kinderwoche.
Über die elf Jahre ermöglichte ein erweiterter Bildungsbegriff eine breite Themenpalette: So gab es in einigen Jahren Schwerpunkte wie ‚Frauen Macht Politik‘ (1984), ‚Frauenarbeit‘ (1986), ‚Gewalt und Widerstand‘ (1987). Über diese Schwerpunkte hinaus gab es Veranstaltungsangebote zu nahezu allen Bereichen des Frauenlebens. 1984 beispielsweise konnten große politische Diskussionsveranstaltungen, arbeitstheoretische Auseinandersetzungen zur geschlechtlichen Arbeitsteilung,1 kleine Seminare zu Themen wie ‚Frauen und Faschismus‘2 oder ‚Sexismus in Bilderbüchern‘3 besucht werden, aber auch Yoga-Kurse4, Horoskop-Seminare, stets gut besucht, und Theater-Workshops5.
Die Frauenwoche von 1991 stand unter dem Motto ‚1. Hamburger FrauenLesbenwoche‘. Lesben spielten seit der zweiten Frauenwoche zwar eine (bewusst) wichtige Rolle, doch dieses Motto sollte unter anderem stärker hervorheben, dass Lesben einen großen Teil der Aktivist*innen und Besucher*innen ausmachten.6
Ab 1994 wurde die Frauenwoche zu Frauentagen. Grund für die Verkleinerung war die Kürzung der Finanzierung um 75 % durch das Amt für Berufs- und Weiterbildung.7 Unter dem Motto ‚Was heißt denn hier normal?‘ beschäftigten sich die teilnehmenden Frauen mit Normen und Konstrukten von Normalität in Bezug auf weibliche Lebenszusammenhänge.
Neue Bildungsbegriffe: Lernen kann auch Spaß machen
Vorbilder für die Frauenwoche waren die Berliner Sommeruniversität und das Dortmunder Frauenforum im Revier. Ziel war, Frauen Werkzeuge und Vorstellungen für individuelle und gesellschaftliche Veränderungen zu vermitteln. „Um uns aus Politik, Kultur und Wissenschaft herauszuhalten, hat man versucht uns einzureden, das sei ‚Männersache‘. […] Es ist Zeit, daß wir unsere eigenen Standpunkte herausarbeiten und uns einmischen.“8 Durch den Austausch mit anderen Frauen sollte die Frauenwoche die Fähigkeiten dazu stärken.
Das Motto der ersten Hamburger Frauenwoche lautete daher ‚Frauen lernen gemeinsam‘. Die Gestaltung und Definition dieses gemeinsamen Lernens hatten die Veranstalterinnen bewusst erweitert. Die Frauenwoche sollte eine Möglichkeit der politischen Bildung jenseits der Hochschulstrukturen bieten. „Unsere Erfahrungen als Frauen in dieser Gesellschaft sollen im Mittelpunkt stehen. Wir wollen von- und miteinander lernen und neue Formen des Lernens ausprobieren, denn auch Lernen kann Spaß machen. Wir gehen davon aus, daß jede Frau etwas zu sagen hat, und nicht nur die sogenannten ‚Fachfrauen‘.“9 Diese Umsetzung des Bildungsbegriffes konnte bei Behörden jedoch nur teilweise Anklang finden. Daher wurden diese Selbsterfahrungsseminare und kulturellen Veranstaltungen über die Jahre nicht als politische Bildung und damit nicht als Bildungsurlaub anerkannt.
Wer im Detail vom Angebot der Frauenwoche angesprochen werden sollte, wurde in den unterschiedlichen Zusammensetzungen der ‚Orga-Gruppe‘ stark diskutiert.10 Überwiegend galt jedoch der Grundsatz, dass alle Frauen zur Zielgruppe gehörten. Frauenbewegte Frauen waren verstärkt im Blick der Veranstalterinnen, doch auch die „Hausfrau aus Mümmelmannsberg“11 – eine stilisierte Personengruppe, die nicht mit einer Selbstverständlichkeit Teil der autonomen Frauenbewegung war – sollte zumindest durch einige Veranstaltungen angesprochen werden.
Die Hamburger Frauenwoche wird rückblickend als ein Ergebnis der autonomen Frauenbewegung verstanden – auch weil über die Jahre viele autonome Frauenprojekte daran beteiligt waren. Zumindest in der Anfangszeit war dieses Selbstverständnis noch umstritten. So heißt es im Programm der zweiten Frauenwoche: „Während einige Frauen diese Woche als Spiegel der autonomen Frauenbewegung verstanden, waren andere entschieden gegen dieses Wort autonom, zum Teil, weil sie sich selbst zwar zur Frauenbewegung, nicht aber zur autonomen Frauenbewegung zugehörig fühlen, zum Teil aber auch aus Angst, damit andere Frauen zu verschrecken.“12
Frauen lachen gemeinsam e.V.
Die Kabarettgruppe Frauen lachen gemeinsam e.V. bot jedes Jahr den humorvollen Höhepunkt der Frauenwoche. Bereits der Name der Gruppe war eine offensichtliche (liebevolle) Parodie auf den Verein Frauen lernen gemeinsam e.V. und damit auf die Frauenwoche an sich. In einem voll besetzten Hörsaal des Pädagogischen Instituts waren Frauen Zeuginnen einer selbstironischen Aufarbeitung von Frauenthemen und speziell der jeweils in der Frauenwoche theoretisch diskutierten Inhalte. Die Frauen spielten selbstironisch mit dem Vorurteil, dass Frauenbewegung humorfrei sei – zum Beispiel mit Ohrwürmern wie ‚Ich mach ’nen Workshop, ’nen Workshop, ’nen Workshop hier‘. 1987 – das Motto der Frauenwoche hieß ‚Gewalt und Widerstand‘ – wurde das Stück ‚Gewaltig geschafft‘ aufgeführt. Hier wurde unter anderem Sexismus in der Sprache thematisiert und eine „radikale Sprachreform“13 mit freier Wahl des Artikels vorgeschlagen.
Das Problem mit der ‚Staatsknete‘
Wie die meisten Frauenprojekte hatte auch die Hamburger Frauenwoche mit der Finanzierung zu kämpfen. Die Behörde finanzierte die Veranstaltungen mit 50.000 Mark. Wie die Orga-Gruppe selbst schrieb, deckte diese Summe bei aller Sparsamkeit nicht einmal die Hälfte der Kosten ab. Auch die Frauenwoche war deshalb von Spenden abhängig. Die staatliche Finanzierung hatte teilweise auch inhaltliche Konsequenzen. So kritisierte der Rechnungshof den Bereich „Lesben“ im Programm der 9. Hamburger Frauenwoche.14 1991 sollte die Hamburger Frauenwoche zudem offiziell in Hamburger FrauenLesbenwoche umbenannt werden.15 Dies scheiterte jedoch am langwierigen Verwaltungsaufwand. Um die öffentliche Finanzierung zu gewährleisten und die Lesben dennoch sichtbarer zu machen, wählten die Orga-Frauen der 11. Hamburger Frauenwoche das Motto ‚1. Hamburger FrauenLesbenwoche‘. Die Alternative wäre eine Selbstfinanzierung gewesen – in diesem Fall wären sie frei in ihren Entscheidungen gewesen, das Modell wäre jedoch an der finanziellen Realität gescheitert.
Die mangelnde Finanzierung legte auch einen Konflikt zwischen den überwiegend autonomen Frauenprojekten und den traditionellen Frauenverbänden offen. Letztere standen hinter dem Festival der Frauen, das 1986 stattfand. Der Senat finanzierte dieses Festival, das internationale Gäste eingeladen hatte und diverse kulturelle Veranstaltungen anbieten sollte, mit 500.000 Mark. Vor dem Hintergrund der sonstigen Sparmaßnahmen des Senats und der Kürzungen für autonome Frauenprojekte erntete das Festival massive Kritik vonseiten der autonomen Frauenbewegung.
Überfall auf der Frauenwoche
1985 ereignete sich ein Überfall während des Abschlussfestes der Frauenwoche. In der darauffolgenden Presseerklärung der Orga-Gruppe heißt es: „Am 16. März um 12 Uhr nachts endete die Frauenwoche mit einer Demonstration von Männergewalt. Auf die Teilnehmerinnen des Abschlussfestes in der Mensa der Universität wurde geschossen, drei Frauen wurden zusammengeschlagen und etliche andere bedroht und beleidigt.“16 Infolge dieses Ereignisses setzten sich die Frauen verstärkt mit Gewalt gegen Frauen sowie gegen Projekte der Frauenbewegung auseinander. So wurde die kommende Walpurgisnacht genutzt, um mit Diskussion, Demonstration und einem Fest verstärkt auf Männergewalt aufmerksam zu machen.17
Das zum Teil negative Verhältnis von Männern – aber auch von Frauen – zur Frauenwoche äußerte sich jedoch nicht nur in physischen Auseinandersetzungen. 1983 kamen Vorwürfe der Geschlechtsdiskriminierung auf, da die Frauenwoche ein reiner Frauenraum war. Unter anderem die Welt, die taz und die Lübecker Nachrichten berichteten von der Alterspräsidentin der Bürgerschaft, Charlotte Fera, die eine Finanzierung dieser „diskriminierenden Veranstaltung“ durch die Kultur- und Schulbehörden kritisierte.18 In diesem Vorwurf und der Argumentation zeigte sich, dass die Frauenwoche Gegenstand eines gesellschaftlichen Diskurses war, der auch bis heute anhält.
Fußnoten
- 1 4. Hamburger Frauenwoche. Programm 26.–31.3.1984, Hamburg 1984, S. 40.
- 2 Ebenda, S. 67.
- 3 Ebenda, S. 101.
- 4 Ebenda, S. 160.
- 5 Ebenda, S. 177.
- 6 Vgl. 11. Hamburger Frauenwoche. Programm 4.–8.3.91, Hamburg 1991, S. 6.
- 7 Bake, Rita: Die Ersten und das erste Mal... Zum 50. Geburtstag des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz. Was hat er Hamburgs Frauen gebracht?, Hamburg 1999, S. 124.
- 8 Hamburger Frauenwoche. Vorprogramm 1980, S. 2.
- 9 Frauen lernen gemeinsam e.V.: Hamburger Frauenwoche – Frauen lernen gemeinsam. Konzeptpapier, Hamburg 1981, S. 1 f.
- 10 5. Hamburger Frauenwoche. Programm 11.–16.3.1985, S. 6.
- 11 Versuch eines Protokolls der Diskussion auf dem Projektetreffen der 10. Hamburger Frauenwoche am 8.6.89, S. 1.
- 12 Hamburger Frauenwoche. Programm 1.–6.3.1982, Hamburg 1982, S. 3.
- 13 Tauch auf, Kassandra!, in: Hamburger Rundschau, 19.3.1987, S. 3.
- 14 11. Hamburger Frauenwoche. Programm 4.–8.3.1991, S. 5.
- 15 Ebenda.
- 16 Frauen lernen gemeinsam e.V.: Presseerklärung, 3.4.1985.
- 17 Walpurgisnacht, in: taz, 25.4.1985.
- 18 Vgl. 58.000 Mark zur Diskriminierung des Mannes?, in: WELT, 18.3.1983; Frauenwoche findet ein Bürgerschafts-Nachspiel, in: Lübecker Nachrichten, 26.3.1983; Frauenwoche geschlechtsdiskriminierend, in: taz, 25.3.1983.