Über Buntes Frauennetzwerk

Für viele Selbstorganisationen von Migrantinnen war die internationale und lokale Vernetzung wichtig. Die Sensibilisierung für die Situation, Anliegen und Arbeitsweisen jeweils anderer Frauen(-gruppen) institutionalisierte sich in Köln in den 1990er-Jahren im Verein Buntes FrauenNetzwerk.

Die Idee, einen Zusammenschluss verschiedener Migrantinnengruppen zu schaffen, reicht bis in die Mitte der 1980er-Jahre zurück. Als sich damals die internationale Kölner Frauengruppe ELISA, eine Abkürzung für im ‚Exil lebende Frauen, Immigrantinnen und Schwarze Frauen in Aktion‘1 , gründete, war dies eine Reaktion auf den Anstieg rassistischer Angriffe. ELISA versuchte, einen Ort zu schaffen, an dem sich unterschiedliche Migrantinnen zunächst untereinander kennenlernen und über ihre Bedürfnislagen austauschen konnten. Dieser Schritt war aus Sicht der Akteurinnen notwendig, um überhaupt gemeinsam Projekte entwickeln und Aktionen durchführen zu können. Die hierfür notwendige Vernetzung der Kölner Migrantinnengruppen gelang trotz mehrmaliger Versuche nicht. Ein wesentlicher Grund lag in den ausschließlich ehrenamtlichen Strukturen, die kaum Ressourcen für die Netzwerkarbeit bereithielt.2

Gesellschaftlicher Rassismus macht Zusammenschluss notwendig

Gesellschaftlicher, institutioneller und der sich in den 1990er-Jahren verstärkt gewaltvoll und tödlich entladende Rassismus war maßgeblich für die Gründung des Netzwerks. Die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen sowie die Morde in Mölln und Solingen hatten das ohnehin von Rassismus geprägte gesellschaftliche und politische Klima noch einmal verstärkt.

In dieser Situation nahm Fahime Fersaie, die eine neu geschaffene Stelle als Referentin für ,Migrantinnenangelegenheiten' im Kölner Frauenamt bekleidete, eine Schlüsselrolle ein. Die iranische Exilantin machte 1993 über das Frauenamt „ungefähr 15 Frauengruppen und Vereine“ ausfindig und arbeitete mit ihnen gemeinsam eine Satzung für die Vernetzungsgruppe Buntes FrauenNetzwerk e. V. aus.3

Der Zusammenschluss war auch eine Form der Gegenwehr und der Versuch, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem sich Migrantinnen über ihre individuellen Erfahrungen mit Rassismus austauschen und die strukturellen Bedingungen von Rassismus diskutieren konnten.4 Das Netzwerk organisierte in diesem Bereich Selbsthilfe und Bildungsarbeit, wie etwa mittels der Tagung Wie man mit Rassismus umgeht?.5  
Ferner spielte „unterschwelliger Rassismus“6 in der deutschen Frauenbewegung eine wichtige Rolle: Mitinitiatorinnen von Buntes FrauenNetzwerk berichteten von der Erfahrung, in Frauenprojekten nicht gleichberechtigt gewesen zu sein und in größeren kommunalen Frauenorganisationen Rassismuserfahrungen mit weißen deutschen Frauen gemacht zu haben. Diese stärkten das Bedürfnis nach eigenen Räumen des sicheren Austausches.7

BIRINCI BUNTER WOMEN GIORNO

Die erste und gleichsam eine der größten Aktionen des Netzwerks war der BIRINCI BUNTER WOMEN GIORNO (erster bunter Frauentag). Die Veranstaltung fand am 5. November 1994 unter der Federführung von Buntes FauenNetzwerk und dem Kölner Frauenamt und in Zusammenarbeit mit dem Bürgerhaus Stollwerck statt. Das Programm umfasste sechs Workshops und eine abendliche Kulturveranstaltung. Über 400 Frauen, die teilweise auch von außerhalb Kölns anreisten,8 tauschten sich hier zu Vernetzungsstrategien, den Auswirkungen von Rassismus auf mentale und physische Gesundheit und die Partizipation von Migrantinnen an der Kommunalpolitik aus.9 Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen waren deutsche, die andere Hälfte migrantische Frauen, unter denen besonders stark Italienerinnen, Kurdinnen, Türkinnen und Griechinnen vertreten waren.10

Plakat "Birinci Bunter Women Giorno. Unterschiede bereichern - Gemeinsamkeiten verbinden. Tagung Buntes FrauenNetzwerk", 1994

Vernetzung wurde hier sowohl in internationaler Hinsicht thematisiert als auch mit dem Ziel eines handlungsfähigen Bündnisses von deutschen und nichtdeutschen Frauen-Netzwerken vor Ort. Weitere Themen der Tagung waren unter anderem die rechtliche Situation von Migrantinnen und die Auseinandersetzung mit (Vor-)Urteilen über ‚die Andere’. Im Workshop „Paßt sie uns, die weiße Weste?“11 , der einzig von deutschen, nichtmigrantischen Frauen besucht werden durfte, diskutierten die Teilnehmerinnen Rassismus unter Frauen und innerhalb der Frauenbewegung.

In die Außenwirkung der Veranstaltung trat die Diskussion um den überholten Begriff der ,Ausländerin’. Viele Migrant:innen beschwerten sich über das teils in Öffentlichkeit und in engagierter Gesellschaft mitleidige Sprechen über Migrant:innen sowie die mangelnden Möglichkeiten ihrer eigenständigen Beteiligung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Dabei wurde auch explizit die Bedeutung migrantischer Mitarbeiter:innen in den kommunalen Verwaltungsstrukturen betont, sodass auf dem BIRINCI BUNTER WOMEN GIORNO die Forderung nach einem Interkulturellen Amt in Köln entstand.12

Vernetzung als Hauptziel – gegen die Zersplitterung von Kräften

Vertreterinnen der verschiedenen Selbstorganisationen sowie einzelne migrantische Aktivistinnen trafen sich fortan regelmäßig im Frauenamt und beantragten über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) eine Stelle für den Verein. Als diese bewilligt wurde, wechselte Fahimeh Fersaie vom Frauenamt in das Netzwerk, dessen Arbeit darüber hinaus maßgeblich von dem aktiven Vorstand und weiteren Aktivistinnen getragen wurde.13

Hauptziel von Buntes FrauenNetzwerk war die Vernetzung von „Migrantinnen, Jüdinnen, Schwarzen, im Exil und auf der Flucht lebenden Frauen’ und Frauen, die aufgrund von Hautfarbe, Religion, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit und/oder Kultur diskriminiert“14 wurden. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen angestrebt, die Arbeit gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus leisteten.15 Auch der Kontakt zu deutschen Frauengruppen sollte etabliert werden, um Vorurteile gegenüber Migrantinnen abbauen zu können.16 Kräfte sollten gebündelt, der Zersplitterung von Kräften entgegengewirkt werden.17

Flugblatt: Iranisch-Deutscher Frauenverein Köln

Im September 1994 waren folgende Gruppen Teil von Buntes FrauenNetzwerk: agisra (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e. V.), ASIANA, eine ökumenische Initiative von Frauen aus den Philippinen, die Griechische Frauengruppe beim Amt für Diakonie, die Frauengruppe der Griechischen Gemeinde Köln, DIDF – Frauengruppe aus der Türkei, die Gruppe von Flüchtlingsfrauen und deutschen Frauen, das Projekt ‚berufliche und gesellschaftliche Integration italienischer Frauen und Mädchen‘ für die Städte Köln, Leverkusen und Solingen, ELISA, die IAF, die Interessengemeinschaft der mit ‚Ausländern‘ verheirateten Frauen e. V. (Verband binationaler Familien und Partnerschaften), die Indonesische Frauengruppe (Kelompok Perempuan Indonesia), der Iranisch-Deutsche Frauenverein Köln e. V., die Kurdische und Türkische Frauengruppe Köln-MÜtZe, die Multikulturelle Frauengruppe – Bürgerhaus Stollwerk, das Philippine Women’s Forum (WF) NRW und die Interessenvertretung für Migrantinnen im Frauenamt.18

agisra Köln - Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e. V.

Berufsberatung, Berufsqualifikation, Politisierung von Berufschancen

Neben der (lokalen) Vernetzung entwickelte sich die Berufsberatung für geflüchtete und migrierte Frauen zu einer weiteren Hauptaufgabe des Netzwerks. Als Folge der Nichtanerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen durch deutsche Behörden erfuhren Migrant:innen eine berufliche Dequalifizierung. Häufig waren für Geflüchtete und Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt nur stereotypische Berufe vorgesehen, sodass sie schlecht bezahlte Jobs annehmen mussten oder in die Arbeitslosigkeit rutschten. Im Hinblick auf ein autonomes Leben wurden sie also diskriminiert – ein Problem, das bis heute Aktualität hat. Auch für die weitergehende berufliche Qualifizierung der Klientinnen setzte sich das Netzwerk ein. Dabei war es den Aktivistinnen besonders wichtig, die Beschränkungen innerhalb rassistischer Arbeitsmarktstrukturen nicht hinzunehmen und sowohl durch individuelle Beratung als auch mittels politischer Forderungen dafür zu kämpfen, dass Migrantinnen sich in vielfältigen Berufsfeldern wiederfinden können.19

Dass die Themen Erwerbslosigkeit und berufliche Partizipation von Migrantinnen für die Arbeit von Buntes FrauenNetzwerk so zentral war, ist symptomatisch dafür, wie wichtig das Thema und der Lebensbereich Arbeit für die Selbstorganisierung von Migrantinnen in den vergangenen Jahrzehnten war.

Weiterarbeit scheitert vor allem an Finanzierung

Von Anfang an waren die finanzielle Förderung und die personelle Ausstattung des Bunten FrauenNetzwerks prekär. Zwar gelang es am Anfang, eine zweijährige ABM-Stelle und zeitweilig eine unterstützende Bürokraft zu etablieren, eine Verlängerung der Stellen blieb trotz kontinuierlicher Versuche einer weiteren Finanzierung allerdings aus.20 Die räumliche Situation des Vereins kam erschwerend hinzu: Für ihre Tätigkeitsbereiche waren die Aktivistinnen auf Räumlichkeiten angewiesen, die in der Stadt verteilt und meist Notlösungen waren. Vorübergehend nutzten sie Räumlichkeiten des Allerweltshaus, der Alten Feuerwache und ein untervermietetes Zimmer in der Privatwohnung eines Bekannten.

Die viele administrative Arbeit, die durch die Beratungen und Veranstaltungen anfiel, konnte durch die Aktivistinnen, von denen ebenfalls viele leitende Funktionen in den jeweiligen Mitgliedsgruppen innehatten, nicht vollständig aufgefangen werden. Der Beschluss, den Verein aufzulösen, folgte etwa zwei Jahre nach dem Wegfall der ABM-Stelle.

Was bleibt von Buntes FrauenNetzwerk?

Das Bunte FrauenNetzwerk teilte das Schicksal, das viele Frauenprojekte zu Beginn der 2000er-Jahre ereilte: Zuvor freiwillig getätigte öffentliche Förderungen wurden in einer zunehmend neoliberalen Stimmung aufgekündigt, in der Folge konnten autonome feministische Strukturen sich häufig nicht halten. Zugleich trug der Weggang aktiver Protagonistinnen, aus beruflichen oder familiären Gründen, bei gleichzeitig fehlendem Nachwuchs engagierter Frauen zur Auflösung des Netzwerks bei.

Der Verein Buntes FrauenNetzwerk hat in Jahren starker rassistischer Einflüsse einen Raum für Selbstorganisierung, emanzipative Debatten und gegenseitige Bestärkung und Weiterbildung geboten. Die Einschätzung darüber, wie erfolgreich oder prägend die Arbeit des Vereins war, fällt in vom Kölner FrauenGeschichtsVerein geführten Gesprächen mit den ehemaligen Aktivistinnen unterschiedlich aus.21 Während einige in der Netzwerkarbeit einen wichtigen Schritt in ihrer politischen Entwicklung und für feministischen Austausch in Köln sehen, überwiegen bei anderen die negativen Erfahrungen vom frühzeitigen Ende der Initiative, welches langfristige Veränderungen und größere Erfolge verhindert habe.

Ungeachtet dessen hat die Initiative mit dem Ansatz, die emanzipatorischen Kräfte von Migrantinnenorganisationen zu bündeln, eine wichtige wie neue Ebene der Selbstorganisierung von Migrantinnen in Köln beschritten. Der Verein hat dazu beigetragen, die Interessen von Kölner Migrantinnen öffentlich zu machen, erfüllte dabei aber nicht nur eine politische, sondern auch eine soziale Funktion als Schutz- und Kulturraum, der nicht zuletzt ein Ort der Freude für die Aktivistinnen war.

 

Stand: 21. Februar 2024
Lizenz (Text)
Verfasst von
Nuria Cafaro

studierte Geschichte, Philosophie und Bildungswissenschaften an der Universität zu Köln, tätig beim Kölner Frauengeschichtsverein und in der historisch-politischen Bildung, forscht zur Geschichte migrantischer Selbstorganisierung, migrantischem Protest und Arbeitskämpfen, wilden Streiks und italienischer Arbeiter:innenbewegung.

Empfohlene Zitierweise
Cafaro, Nuria (2024): Buntes Frauennetzwerk, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/buntes-frauennetzwerk
Zuletzt besucht am: 27.04.2024
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Rechteangabe
  • Cafaro, Nuria
  • Digitales Deutsches Frauenarchiv
  • CC BY-SA 4.0

Netzwerk von Buntes Frauennetzwerk

Fußnoten

  • 1Quotierung für Migrantinnen, in: Kölner Frauengeschichtsverein (Hg.): Was erreicht? Frauenbewegte Lebensgeschichten aus der Sicht unterschiedlicher Kulturen, S. 254‒267, hier S. 255.
  • 2Vgl. ebenda.
  • 3Vgl. ebenda, S. 255 f.
  • 4Robert, Claudia / Jabs, Anna / Willems, Nicole / Modellatore Pedicini, Maria Pia (Hg.): Frauenmacht Köln. Handbuch für Frauen, Köln 1998, S. 183.
  • 5Vgl. Dokumentiertes Gespräch des Kölner Frauengeschichtsvereins mit Fahimeh Fersaie und Dimitra Clayton, 2022.
  • 6Quotierung für Migrantinnen, in: Was erreicht?, S. 267.
  • 7Vgl. Dokumentiertes Gespräch des Kölner Frauengeschichtsvereins mit Fahimeh Fersaie und Dimitra Clayton, 2022.
  • 8Vgl. Quotierung für Migrantinnen, in: Was erreicht?, S. 256.
  • 9BIRINCI BUNTER WOMENT GIORNO. Programm und Einladung. (Flyer, einsehbar im Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins)
  • 10Vgl. Freytag, Claudia: „Interkulturelles Amt gefordert. Erster Bunter Frauen-Tag – Wütend über das falsch verstandene Mitgefühl“, in: Kölner Stadtanzeiger, 7. November 1994.
  • 11BIRINCI BUNTER WOMENT GIORNO. Programm und Einladung. (Flyer, einsehbar im Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins)
  • 12Freytag: „Interkulturelles Amit gefordert.“
  • 13Vgl. Dokumentiertes Gespräch des Kölner Frauengeschichtsvereins mit Fahimeh Fersaie und Dimitra Clayton, 2022.
  • 14o. A.: Buntes Frauennetzwerk, Köln 1994, S. 4.
  • 15Tätigkeitsbericht agisra 1993, S. 14.
  • 16Vgl. Das Bunte FrauenNetzwerk. Interview mit Fahimeh Fersaie, in: stadt intern. Sonderausgabe Juli 1995. 13 Jahre Frauen-Power, S. 11.
  • 17Vgl. Robert, Claudia et al. (Hg.): Frauenmacht Köln, S. 182.
  • 18Vgl. Selbstdarstellung Buntes Frauennetzwerk, Köln 1994, S. 6‒30.
  • 19Vgl. Quotierung für Migrantinnen, S. 261.
  • 20Vgl. Dokumentiertes Gespräch des Kölner Frauengeschichtsvereins mit Fahimeh Fersaie und Dimitra Clayton, 2022.
  • 21Vgl. Dokumentierte wie informelle Gespräche des Kölner Frauengeschichtsvereins u.a. mit Antonella Giurano, Fahimeh Fersaie, Dimitria Clayton und Sophie Georgallidis.

Ausgewählte Publikationen