Über Der Blocksberg

Der Blocksberg war eine kollektiv betriebene Frauenkneipe im Westberlin der 1970er-Jahre. Sie wurde von Lesben für FrauenLesben gegründet und bot einen subkulturellen Ort vorwiegend für die autonome (lesbisch-)feministische Bewegung. Als erste ihrer Art erlangte sie einige Berühmtheit und fand viele Nachahmerinnen.

Die Gründung

Der Blocksberg war die erste Frauenkneipe in der Bundesrepublik. Gegründet wurde sie 1975 in Berlin-Kreuzberg in der Yorkstraße (damals noch ohne c) auf Privatinitiative von zwei Lesben (H.L./G.H.). Sie wollten eine alternative Kneipe für FrauenLesben abseits der herkömmlichen subkulturellen Lesbenlokale und/oder männlich dominierten linken Kneipen anbieten. Neben dem regulären Barbetrieb fanden im Blocksberg politische Diskussionen, Lesungen und Projektetreffen statt.1 Die Besucherinnen dürften deshalb vorwiegend, aber nicht ausschließlich, aus dem Umfeld der Frauen- und Lesbenbewegung gewesen sein. Männer hatten keinen Zutritt.2

Der Name ‚Blocksberg’ referierte auf Versammlungsorte von Hexen, welche in großen Teilen der Frauenbewegung der 1970er-Jahre als Symbol für die Unterdrückung durch und den Widerstand gegen das Patriarchat galten. Innerhalb und außerhalb der Kneipe spielte das Bild der Hexe deshalb eine dekorative Rolle.3 Auch bei der Benennung von Speisen und Getränken war das Konzept der Frauenkneipe konsequent. So hieß griechischer Salat mit Schafskäse beispielsweise „Sapphos Freude“, Cocktails trugen Namen wie „Jeanne dʹArc“ oder „Rote Rosa“.4

Eine neue Form der Subkultur

Für Lesben, die der initiierende und tragende Teil des Projekts Blocksberg waren,5 spielte die Subkultur eine besondere Rolle. Sie war bisher eine der wenigen Möglichkeiten gewesen, ein lesbisches Leben zu leben und sie war von immenser Bedeutung für die queere Geschichte der Weimarer Republik und der Nachkriegszeit.6 Viele Lesben, die sich in der Bewegung der 1970er-Jahre engagierten, hatten hingegen ein gespaltenes Verhältnis zum sogenannten ‚Sub’. Solch einen Ort lesbischer Gemeinschaft empfanden viele Bewegungslesben als zu sexualisiert, zu kühl in der Atmosphäre, zu unpolitisch und/oder zu spießbürgerlich konservativ – auch wenn sie ihn meist dennoch aufsuchten.7

Der Blocksberg wurde von den Betreiberinnen als „feministische Alternative zur damaligen Subkultur“8 bezeichnet. „Bars wie Pour Elle mit den traditionellen Butch-/Femme-Rollen waren bei vielen von uns verpönt und wurden deshalb boykottiert. Wir wollten neue Wege miteinander finden, die sich nicht an patriarchal-heterosexuellen Normen orientierten.“9 Die Ablehnung der etablierten lesbischen Subkultur hing auch mit Faktoren wie Herkunft, Bildung und Alter zusammen.10 Teilweise begegneten sich Lesben aus dem Sub und Bewegungslesben mit gegenseitiger Ablehnung oder eben Kritik.11

Die Gründung und das Selbstverständnis des Blocksbergs zeigten an, dass viele der Lesben aus der Frauenbewegung sich die Subkultur anders als die bisher existierende imaginierten, und dass der Blocksberg einen Ort alternativer lesbischer, feministischer Gemeinschaft innerhalb der Subkultur darstellte.

Kollektivbetrieb Blocksberg

Neben der alternativen ,inhaltlichenʻ Ausrichtung des Blocksbergs stand auch die Art, in der der Laden betrieben wurde, im Gegensatz zu herkömmlichen Lokalen der lesbischen Subkultur. Der Betrieb war, wie viele in der Zeit initiierte Frauenprojekte, in kollektiven Strukturen organisiert.12 Im Blocksberg bekamen alle Frauen, die hauptverantwortlich dort arbeiteten, einen Einheitslohn. Außerdem gab es ein Kollektiv, das Entscheidungen traf und das Programm mitbestimmte. In den Zeiten, in denen viele Schulden abgearbeitet werden mussten (dazu im Folgenden mehr), arbeiteten allerdings viele Frauen auch unbezahlt oder stark unterbezahlt, um das Projekt zu retten.13 Preise für Speisen und Getränke waren nicht profitorientiert kalkuliert und eventuelle Gewinne sollten in andere Frauenprojekte fließen.14

Mediale Aufmerksamkeit für den Blocksberg

Der Blocksberg erlangte einige Aufmerksamkeit in den Massenmedien, als das Konzept ‚Frauenkneipe‘ neu war. So gab es 1977 im Zeit-Magazin einen langen und positiven Artikel über die Kneipe; von einer Frau geschrieben, die den Blocksberg zum ersten Mal besuchte und der feministischen Bewegung bis dahin eher skeptisch gegenübergestanden hatte.15 Jedoch gab es auch, und das war die negative Seite der Aufmerksamkeit, effektheischende Meldungen in verschiedenen Zeitungen, nachdem Frauen aus dem Blocksberg vor der Kneipe „randaliert“ haben sollen.16 Die Stilisierung von linken, feministischen und/oder lesbischen Frauen als Gefahr und eine teilweise damit einhergehende Kriminalisierung hat eine lange Tradition, die vor dem Blocksberg nicht haltmachte: Es fanden hier auch Durchsuchungen der Polizei statt.17

Streit um den Blocksberg

Im Juni 1977 brach ein großer Streit über den Blocksberg aus, an dem das Projekt fast gescheitert wäre.18 Nachdem zwei neue Hauptverantwortliche (M.K./M.B.) im August 1976 in das Projekt eingestiegen waren, offenbarte sich ein Schuldenberg, der sich unbemerkt angehäuft hatte. Zur Tilgung der Schulden wurden die Löhne der Mitarbeiterinnen heruntergesetzt und LAZ-Frauen arbeiteten unentgeltlich im Blocksberg, um seinen Fortbestand zu sichern. Nachdem sich dadurch die finanzielle Lage stabilisiert hatte, wollten die Gründerinnen, dass die neuen Kollektivfrauen ihnen den Blocksberg abkauften, wozu diese nicht bereit waren.19 So eskalierte der Konflikt und die neuen Kollektivfrauen skandalisierten die „Ermordung“ des Blocksbergs sowie den ersten „Bulleneinsatz von Frauen für Frauen“.20 Dennoch bedeutete diese Auseinandersetzung noch nicht das Ende der Frauenkneipe. Am 5. Juli 1977 wurde der Blocksberg als GmbH eingetragen, weiterhin kollektiv bewirtschaftet und bestand bis Ende 1980.21 Danach wurde die Kneipe zunächst von Lesben und einem Schwulen gemeinsam übernommen, die das legendäre Punklokal Risiko eröffneten und ein gemischtes, schwul-lesbisches Publikum ansprachen.22

Stand: 14. Februar 2019
Verfasst von
Lara Ledwa

hat ihren M.A.-Abschluss in den Gender Studies mit einer Arbeit zu der HAW-Frauengruppe beziehungsweise dem LAZ gemacht, wofür sie viele Stunden im Spinnboden Archiv mit einem Ordnerregal verbrachte. Sie lebt in Berlin und beschäftigt sich (manchmal sogar auch in der Lohnarbeit) mit feministischen, queeren und lesbischen Politiken.

Empfohlene Zitierweise
Lara Ledwa (2019): Der Blocksberg, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/der-blocksberg
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Netzwerk von Der Blocksberg

Biografie von Der Blocksberg

September 1975

Gründung

August 1976

2 neue Frauen (M.B. / M.K.) übernehmen die Hauptverantwortung für das Projekt im Kollektiv

Juni 1977

Eskalation der Auseinandersetzung zwischen den Gründerinnen und den neuen Kollektivfrauen

Juli 1977

Eintrag des Blocksberg als GmbH

Ende 1980

Schließung

Fußnoten

  • 1Bobsin, Mica / Kühn, Monne: Blocksberg. Eine politische Berliner FrauenLesbenkneipe (1975-1980), in: Dennert, Gabriele et. al. (Hg.): In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben, Berlin 2007, S. 216 f.
  • 2Just, Renate: Frauen, Bier und keine Männer, in: Zeitmagazin, Nr. 6/28, Januar 1977, S. 17. Die erste Fassung des Artikels mit handschriftlichen Kommentaren der Blocksberg-Frauen ist zu finden im Spinnboden Archiv (im Folgenden: SpA), LAZ Sammlung Monne Kühn 1/3, „Liebe Blocksberg-Frauen“.
  • 3Just: Frauen, Bier und keine Männer, S. 17.
  • 4Just: Frauen, Bier und keine Männer, S. 17.
  • 5Bobsin / Kühn: Blocksberg, S. 217 sowie Perincioli, Cristina: Berlin wird feministisch. Was von der 68er Bewegung blieb, Berlin 2015, S. 83.
  • 6Leidinger, Christiane: Lesbische Existenz 1945-1969, Berlin 2015, S. 44 ff.
  • 7Erfahrungsberichte in: SpA, LAZ-Archiv 05, „Interviews am 03. / 15. und 22. November 1974 für Diplomarbeit Ilse“.
  • 8Bobsin / Kühn: Blocksberg, S. 217.
  • 9Bobsin / Kühn: Blocksberg, S. 217.
  • 10SpA, LAZ-Archiv 05, „Brief von Gretl R. ,Liebe Schwesternʻ“ sowie SpA, Ordner L74, „Brief ,Liebe Schwestern im LAZʻ vom 27.08.1975“.
  • 11SpA, LAZ-Archiv 12, „Protokoll vom 15.08.1975“.
  • 12Vgl. allgemein: Plogstedt, Sibylle: Frauenbetriebe. Vom Kollektiv zur Einzelunternehmerin, Königstein/Taunus 2006.
  • 13SpA, LAZ-Archiv 11, „Blocksberg im Sonderangebot“, S. 3 sowie Bobsin / Kühn: Blocksberg, S. 217.
  • 14Just: Frauen, Bier und keine Männer, S. 18.
  • 15Just: Frauen, Bier und keine Männer, S. 18.
  • 16SpA, L-Projekt Ordner, „Bei der Geburtstagsfeier in der Frauenkneipe flogen Barhocker und Bierflaschen“.
  • 17Just: Frauen, Bier und keine Männer, S. 18 sowie SpA, LAZ-Archiv 04, „Wir lassen uns nicht kriminalisieren und einschüchtern!“.
  • 18Ein Artikel in einer französischen Zeitschrift berichtet sogar von der Schließung des Blocksbergs 1977 infolge der Konflikte: SpA, LAZ Sammlung Monne Kühn 1/3, „A propos d'un café de femmes“.
  • 19Vgl. für die Darstellung des Konflikts seitens der neuen Kollektivfrauen: SpA, LAZ-Archiv 11, „Blocksberg im Sonderangebot“.
  • 20Vgl. für die Darstellung des Konflikts seitens der neuen Kollektivfrauen: SpA, LAZ-Archiv 11, „Blocksberg im Sonderangebot“.
  • 21Bobsin / Kühn: Blocksberg, S. 217.
  • 22Kämpf, Katrin, 19.04.2018: Fünf legendäre Lesbenorte, Zugriff am 08.05.2018 unter https://www.siegessaeule.de/no_cache/newscomments/article/3822-fuenf-legendaere-lesbenorte.html sowie L-MAG, Mai/Juni 2018, „Punks, Tschernobyl und Mauerfall“, Interview von Wolfgang Müller mit Stefanie Mahlknecht, S. 56 ff.