Zeitschrift – Vom Rundbrief Frauen machen Musik zu MELODIVA

verfasst von
  • Hildegard Bernasconi
veröffentlicht 04. Juni 2020
Die Geschichte der Mitgliederzeitschrift des Vereins Frauen machen Musik e.V. ist voller Krisen, in denen die aktiven Frauen des Vereins, die auch die Zeitschrift produzierten, immer wieder an ihre Grenzen kamen. Aber sie ist auch eine Erfolgsgeschichte – dank Ehrenamt und Idealismus.

Der Schwung der ersten Jahre – 1985 bis 1989

Der gedruckte Zeitschriftenbestand des Vereins bildet eine einzigartige Dokumentation über die Geschichte der neueren Frauen Musik Bewegung in Deutschland und der Vielzahl der damals entstandenen Projekte und Aktivitäten.

Im Februar 1985 erschien die erste Ausgabe, die 0-Nummer, als A5-Heftchen. Danach folgten pro Jahr drei Ausgaben im A3-Format, schwarz-weiß, in die Schreibmaschine getippt, illustriert, geklebt und kopiert, circa acht Seiten. 

Berichtet wurde über Musikerinnen, Frauenbands, Konzert- und Workshop-Termine, die Entstehung neuer Frauen Musik Initiativen und Diskussionen über Ziele und Selbstverständnisse: Gibt es weibliche Musik, männliche Musik? Wie können sich Frauen den patriarchalen Strukturen in der Musik widersetzen und eigene, neue Ausdrucksweisen finden? Vor diesen Fragestellungen begann die Recherche nach vergessenen Musikerinnen, um den Anteil der Frauen im Jazz, Blues und Rock herauszustellen.

Titelseite Rundbrief Nr. 1, Juni 1985

Doch nach sechs Jahren waren die acht Vereinsfrauen, die neben dem Rundbrief auch sechs Frauen Musik Wochen organisiert hatten, ausgepowert. Eine Auszeit für die Frauen Musik Woche wurde beschlossen und der Rundbrief sollte rotieren und ein Netz von Kontaktfrauen aufgebaut werden. „Ja, uns war die Power ausgegangen und zu wenig Unterstützung in Form von Berichten, Terminen war von außen, das heißt, von Euch, gekommen. Aber wir geben nicht auf [...]“1  

Die nächste Ausgabe erschien im neuen Format: A4 gedruckt, mit farbiger Umschlagseite, 24 Seiten, und soll weiterhin dreimal pro Jahr erscheinen.2 „Wir machen weiter!“3  
  
Mithilfe der Kontaktfrauen wurde das reduzierte Redaktionsteam entlastet, und in der nächsten Ausgabe wurde wieder über Frauen Kultur Treffen und Symposien, Kleinanzeigen, Konzertberichte, neue Frauenbands und die Gründung von neuen Frauen Musik Initiativen in Deutschland berichtet (auf einer Übersicht sind 19
Adressen gelistet)4

Frauenmusikbewegung in der Provinz, Rundbrief 12, Juni 1989, S. 7

Im Sommer 1990 erklärten sich Anne Breick und Cristina Färber aus Frankfurt bereit, die nächste Ausgabe von Rundbrief 16, Nov 1990, zu übernehmen. Danach dauerte es ein Jahr, bis eine weitere Ausgabe erschien, denn die Gründerfrauen hatten den Verein an ein neues Team abgegeben: Cristina Färber, Anne Breick und Angela Frost wurden neu in den Vorstand gewählt, weshalb der Sitz des Vereins im Juni 1991 zu ihnen nach Frankfurt verlegt wurde. Damit waren der Verein und der Rundbrief gerettet. 

Ein neues Team in Frankfurt – 1990 bis 1995

Das neue Redaktionsteam Anne Breick, Christina Fuchs und Martina Schöne produzierte gemeinsam mit den Kontaktfrauen die nächsten Ausgaben und sie berichteten über viele Veranstaltungen der Bewegung: 

Im Juni 1992 fand das 3. Frauen Musik Symposium auf dem Kunsthof Lietzen statt5  / im Oktober 1992 die 7. Frauen Musik Woche im Val Sinestra in der Schweiz6 / das 2. Wie es Ihr gefällt-Festival im SO 36 Berlin7 / Internationales Frauenmusik Festival in Wien im November 19938 / Canaille-Festival in Frankfurt im Dezember 19939 / die Hamburger Frauenband Trude träumt von Afrika gewann den Hamburger Rockförderpreis.10  

Die Rundbriefe veränderten sich allmählich hin zu einer professionellen Zeitschrift: Der farbige Umschlag und der Text gingen nun als Textfahnen auf Repropapier an die Druckerei, Fotos gelangten ins Heft, es entstand ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis mit festen Rubriken und Heftteilen, erweitert um Buchbesprechungen, Neue CD’s und einen neu layouteten Bandindex.11  

Die goldene Ausgabe, Rundbrief 20, Dezember 1992
Neu gestalteter Bandindex, Rundbrief 20, Dezember 1992, S. 20

    

Im Juli 1994 erschien die 25. Ausgabe des Rundbriefs, eine Jubiläumsausgabe zum zehnjährigen Bestehen des Vereins mit Titelfoto der Gründerinnen. Sie gibt eine Übersicht über die Entwicklung und Aktivitäten der letzten zehn Jahre.12

Gleichzeitig war wieder ein Zeitpunkt gekommen, an dem den Macherinnen, allen voran Anne Breick, die ehrenamtliche ‚Luft‘ ausging13 . Der Rundbrief war wieder in Gefahr. 

Im Herbst 1994 wurden zwei ABM-Stellen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Arbeitsamtes) für den Verein bewilligt und damit konnten erstmals zwei bezahlte Mitarbeiterinnen für den Verein arbeiten. Die Adresse des Vereins in Frankfurt wurde in ‚Frauen Musik Büro‘ umbenannt, ein erstes regionales Treffen von Musikerinnen im Rhein-Main-Gebiet organisiert. Daraus entstanden Arbeitsgruppen zur Organisation von Hessischen Frauen Musik Workshops, den ‚female music points‘, die Vorläufer der Hessischen Frauen Musik Woche, monatliche Sessions und female concerts.

10 Jahre Vereinsjubiläum, Rundbrief 25, Juli 1994
Neue Projekte in Frankfurt, Melodiva 01, März 1996, S. 24
Neue Projekte in Frankfurt, Melodiva 01, März 1996, S. 25

News aus der Szene

5. Frauen Musik Symposium ‚East meets West‘ 199414 / erster Auftritt des United Women’s Orchestra mit den Leiterinnen Christina Fuchs aus Köln und Hazel Leach (Arnhem, NL) beim Wie es ihr gefällt-Festival im SO 36 Berlin 199415 / Frauenmusikmobil der Landesarbeitsgemeinschaft Rock in Hannover kommt in Fahrt 1995!16 / 1. Women on stage festival in Hamburg im April 1995 vom Frauenmusikzentrum (FMZ) Hamburg17 / 5. Festival Canaille in Frankfurt18  / die 10. Frauen Musik Woche im Val Sinestra in der Schweiz 199519 / 2. Frauen-Musikfestival August 1995 in Sohrschied im Hunsrück20 / 5 Jahre rocksie! Dortmund.21

United Women’s Orchestra, Foto Bärbel Högner, Rundbrief 26, Oktober 1994, S. 14

Mit den neuen Mitarbeiterinnen ging es weiter voran. Inzwischen war der Rundbrief als Postvertriebsstück anerkannt und konnte kostengünstiger an die Abonnentinnen und an die Kontaktfrauen, Frauenbuchläden und -projekte zum Weiterverkauf in größerer Stückzahl geliefert werden. Das Büro wurde mit CD’s von Plattenfirmen und Agenturen bemustert. Und es wurde ein neuer Mac mit Layout- und Fotoprogramm angeschafft. Eine Grafikstudentin entwickelte ein Layout, und ein neuer Name wurde gesucht – und gefunden. 

Nun heißt der Rundbrief Melodiva! – 1996 bis 2000

Die erste Ausgabe erschien im März 1996 mit neuem Layout und neuem inhaltlichen Konzept. Die Auswahl der portraitierten Musikerinnen wurde internationaler, über die deutschsprachige Szene hinaus. Außerdem wurden mehr ‚arrivierte‘ Musikerinnen portraitiert, die im Musikbusiness schon anerkannt waren, wie zum Beispiel Anke Helfrich22 und Carola Grey23 . Neue informative Serien kamen ins Heft: POP-Musik-Lexikon, Muse & Moneten, Recht, Musikerinnen go Internet. 

Die Ausgabe 13 vom März 1999 titelte mit der Story „Sex sells? - die ‚nackte‘ Werbung diverser Cover“24 mit verschiedenen Diskussionsbeiträgen. Und die neue Serie ‚Female Iabels‘ über Plattenfirmen in Frauenhand begann.25 Auch mit dem Thema ‚Marke: Frauenband‘ mit konträren Beiträgen wurde versucht, eine Diskussion in die Szene hineinzutragen über die Frage: Sind Frauenbands out oder in?26  
  
Auf dem Weg zur professionellen Zeitschrift gab es weniger Austausch mit den Initiativen, die sich zum Teil auch wieder aufgelöst hatten, und es gab weniger überregionale Treffen und Diskussionen als in den Anfangszeiten. 

Mit der letzten, der 15., Ausgabe vom Oktober 1999 feierte der Verein auch sein 15-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsfest in Frankfurt.27  

Die letzte gedruckte Ausgabe, Melodiva Sonderheft 2000

News aus der Szene: 

In Frankfurt startete 1998 die 1. Hessische Frauen Musik Woche28 / FraMaMu in Zürich löste sich auf29 / das fmz in Hamburg etablierte eine neue Veranstaltungsreihe ‚espressiva‘ mit Festivals, Symposium, Workshops30  / 9. Frauen Musik Woche ‚Rock Pop Jazz‘ in Stuttgart31 / 10 Jahre Lassie Singers – Band löste sich auf32 .

In der Redaktion und im Verein herrschte 1999 erneut Krisenstimmung, die beiden ABM-Stellen liefen aus. In der Folge wurde mobilisiert, Unterschriften wurden gesammelt, um eine solide Finanzierung des Frauen Musik Büros zu erreichen. Die letzte regelmäßige Melodiva-Ausgabe Nr. 15 erschien im Oktober 1999, danach gab es im März 2000 noch ein Sonderheft Frauen im Musikbusiness. Die Ladies schaffen es wieder! Ab dem Jahr 2000 erhielt das Frauen Musik Büro eine Förderung durch das Frauenreferat der Stadt Frankfurt. Damit konnten einige freie Mitarbeiterinnen und die Bürokosten finanziert werden.

Melodiva goes Internet – 2000 bis heute

Die Entscheidung, die Zeitschrift Melodiva nicht mehr drucken zu lassen, war trotzdem gefallen. Die Druck- und Vertriebskosten waren im Verhältnis zu den Einnahmen über Abos und Verkäufe viel zu hoch und führten zu einer ständigen Ausbeutung aller daran Beteiligten – Autorinnen, Layouterinnen, Druckerinnen und Drucker. Außerdem bot das Internet neue Möglichkeiten! Also gehen wir online, hieß die Entscheidung. Im September 2001 wurde die neue Website www.melodiva.de gefeiert!

Die inhaltliche Ausrichtung und die gewachsene Heftstruktur blieben auf der Website erhalten. Berichtet wurde über Musikerinnen, Frauenbands, Konzert- und Workshop-Termine, aber auch über die Entstehung neuer Frauen Musik Initiativen und Diskussionen über Ziele und Selbstverständnisse – alles in den Rubriken Reports, News, CD-Reviews, Konzert- und Workshop-Termine, Bandindex – bis heute. 

Die Ziele sind die gleichen geblieben, die auch die Gründerinnen des Vereins angetrieben hatten: Unterstützung der Musikerinnen im Musikbusiness, Abbau von Nachteilen und Vorurteilen, den Anteil der Frauen in der Musik sichtbar machen. Wie sagten die Frauen 1989 in der ersten Krise: „Wir machen weiter! Solange es keine 50 % ige Quotierung in der Musikszene gibt, haben wir noch genug zu tun!“33 Der Satz gilt bis heute!

Stand: 04. Juni 2020
Verfasst von
Hildegard Bernasconi

Die gelernte Reisebürokauffrau und Diplompädagogin arbeitet seit 1994 im Frauen Musik Büro Frankfurt. Sie organisierte von Beginn an die Hessische Frauen Musik Woche sowie weitere Projekte wie das bundesweite Mädchenbandcoaching sistars, die Konzertreihe Melodiva Club Concerts und arbeitet in der Melodiva-Redaktion. Ein weiteres Standbein ist ihre Tätigkeit als freie Grafikerin.

Empfohlene Zitierweise
Hildegard Bernasconi (2020): Zeitschrift – Vom Rundbrief Frauen machen Musik zu MELODIVA, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/zeitschrift-vom-rundbrief-frauen-machen-musik-zu-melodiva
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Fußnoten

  • 1Rundbrief 10, November 1988, S. 1.
  • 2Rundbrief 11, März 1989, S. 2.
  • 3Rundbrief 11, März 1989, S. 3.
  • 4Rundbrief 12, Juni 1989, S. 23.
  • 5Rundbrief 19, August 1992, S. 12–15.
  • 6Ebenda, S. 16.
  • 7Ebenda, S. 17.
  • 8Rundbrief 22, September 1993, S. 29.
  • 9Ebenda.
  • 10Rundbrief 23, Dezember 1993, S. 19 f.
  • 11Vgl. die 20. „goldene“ Ausgabe Rundbrief 20, Dezember 1992, S. 20–23.
  • 12Rundbrief 25, Juli 1994, S. 18 f.
  • 13Rundbrief 25, Juli 1994, S. 22 f.
  • 14Rundbrief 26, Oktober 1994, S. 18–21.
  • 15Ebenda, S. 14.
  • 16Rundbrief 28, April 1995, S. 14.
  • 17Ebenda, S. 38 f.
  • 18Rundbrief 29, Juli 1995, S. 2–5.
  • 19Ebenda, S. 10 f.
  • 20Ebenda, S. 12 f.
  • 21Ebenda, S. 14 f.
  • 22Melodiva 05, April 1997, S. 20 f.
  • 23Melodiva 05, April 1997, S. 4 f.
  • 24Melodiva 13, März 1999, S. 4–9.
  • 25Ebenda, S. 19 ff.
  • 26Melodiva 15, Oktober 1999, S. 10–15.
  • 27Melodiva 15, Oktober 1999, S. 25.
  • 28Melodiva 08, Januar 1998, S. 25.
  • 29Ebenda, S. 30.
  • 30Melodiva 10, Juli 1998, S. 23.
  • 31Ebenda, S. 31.
  • 32Melodiva 12, Dezember 1998, S. 10.
  • 33Rundbrief 11, März 1989, S. 3.