Ohne ökonomische Macht keine Emanzipation: die Berliner Frauenbank (1910–1916)
Vordringen in eine Männerdomäne
Frauenkapital – eine werdende Macht: Unter diesem programmatischen Titel kam in Berlin im Jahr 1914 eine neue Zeitschrift auf den Markt. Die Herausgeberinnen hatten einige Jahre zuvor ein eigenes Kreditinstitut in der Stadt eröffnet und wollten nun mit der Zeitschrift ihre frauenpolitischen Vorstellungen in der Öffentlichkeit diskutieren. Sie waren davon überzeugt, dass der Kampf um Gleichberechtigung nur zu gewinnen sei, wenn Frauen in die Machtzentren – auch die der Finanzwelt – vordrängen. „Wie von unseren Großbanken das Wohl und Wehe nicht nur der kleinen und großen Geschäftsbetriebe, sondern auch des Staates […] abhängt, […] so soll und [so] wird die Frauenbank sich als Grundpfeiler des gesamten Frauenwirtschaftslebens für die Zukunft erweisen und dann eine Macht entfalten, mit der Staat und Volkswirtschaft zu rechnen haben werden.“1
Der Gedanke, ein Kreditinstitut zu betreiben, das von Frauen geleitet wird und ausschließlich Frauen seine Dienste anbietet, war damals spektakulär.2 Mut und Selbstvertrauen gehörten dazu, denn vor gut einhundert Jahren waren Frauen in der Finanz- und Bankenwelt faktisch nicht existent. Allerdings herrschte damals eine gewisse Aufbruchsstimmung unter Deutschlands Frauen. Jahrzehntelang hatten sie um gesellschaftliche, politische und rechtliche Gleichberechtigung gekämpft. Anfang des 20. Jahrhunderts konnten wichtige Erfolge verzeichnet werden: Ab 1908 erhielten Frauen Zugang zu allen Bildungseinrichtungen, wodurch ihnen bisher verschlossene Berufsfelder offenstanden. Im gleichen Jahr entfielen die rechtlichen Beschränkungen, die ihnen jegliche politische Betätigung untersagt hatten, und zehn Jahre später erlangten Frauen das aktive und passive Wahlrecht.3
Es war sicherlich kein Zufall, dass die Gründungsidee für eine Frauenbank in diese Zeit fiel. Trotzdem war der Plan recht kühn, denn die Gleichstellung in Vermögensfragen stand noch kaum auf der frauenpolitischen Agenda. Die Vorrangstellung des Mannes in finanziellen Dingen war im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 festgeschrieben und auch bei der Neuformulierung des Bürgerlichen Gesetzbuches 1900 änderte sich daran nichts: Das Vermögen der Frau ging bei Heirat in die Verwaltung des Ehemannes über, das heißt er durfte über das von ihr eingebrachte und von ihr verdiente Geld bestimmen. Erst 1958 erhielten Frauen durch das Gleichberechtigungsgesetz die Verfügungsgewalt über ihr eigenes Vermögen, ein eigenes Konto konnten sie ohne Zustimmung des Ehemannes aber erst 1962 eröffnen.4
Die Bankfrauen wollten ganz bewusst in die Männerdomäne der Finanzwelt eindringen, Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe auch in diesem Bereich ermöglichen. Leiterinnen waren Anna Hoffmann und Frau von Wunsch, geb. von Fleming, die erste Aufsichtsratsvorsitzende Lili von Basewitz. Heute noch bekannt ist einzig ihre Nachfolgerin im Amt, Marie Raschke. Die Lehrerin und spätere Juristin engagierte sich in verschiedenen Frauenvereinen und hat dort vor allem ihre rechtliche Expertise eingebracht, so unter anderem eine Stellungnahme zur Revision des Bürgerlichen Gesetzbuches verfasst.5
Im Bankgewerbe war ein solches Unternehmen ein absolutes Novum und den Bankerinnen blies ein scharfer Wind entgegen. So lehnte zum Beispiel der Deutsche Bankbeamten-Verein die Beschäftigung von Frauen kategorisch ab. „Die Weiberwirtschaft einiger hiesiger Großbanken ist sehr zu verwerfen. [...] Damen passen überhaupt nicht in den Bankbetrieb oder sollten wenigstens nur in besonderen Räumen beschäftigt werden. [...] Das weibliche Geschlecht untergräbt unseren Ruf vollständig.“6
Trotzdem wagten sich die Berlinerinnen ab 1908 an das Unternehmen. Mit Veranstaltungen, Konzerten und Festessen wurde für das Vorhaben geworben und nach zweijähriger Vorbereitungszeit konnte das außergewöhnliche Bankhaus seine Pforten öffnen.
Die Frauenbank, „eine soziale Notwendigkeit“
Anspruch der Bankfrauen war es, ein Institut zu errichten, „welche[s] die Frauen wirtschaftlich zusammenfaßt, […] sie veranlaßt, ihr Geld durch ihr eigenes Institut zu verwalten und sie lehrt, selbständig zu disponieren und ihre Geld- und Vermögensgeschäfte nicht lediglich durch die Hände der Männer gehen zu lassen.“7 Die Frauenbank nahm deshalb zum Beispiel Sparguthaben ihrer Kundinnen zur Verzinsung entgegen, ohne die damals notwendige Genehmigung des Ehemannes, der Eltern oder des Vormundes einzuholen.
Leider sind die Geschäftsakten der Bank nicht mehr vorhanden, so dass es heute schwierig ist, sich ein umfassendes Bild zu machen. Das Kreditinstitut hatte seinen Sitz zunächst in Wilmersdorf (damals noch bei Berlin). Nach mehrfachen Umzügen war das Bankhaus in der Motzstraße anzutreffen. Für die Betreuung der Kundinnen gab es die klassischen Bereiche Hypotheken, Kredit, Effekten, Treuhand sowie Haus- und Vermögensverwaltungen. Hinzu kamen eine juristische und eine Auskunftsabteilung, die die Kundinnen kostenlos in Anspruch nehmen konnten. „Die Bank der Frauen“, so die Initiatorinnen, „ist eine soziale Notwendigkeit“8 geworden. Auch in Bankkreisen fand sie vermehrt Zustimmung. Nach Einschätzung einer Fachzeitschrift war das Institut „die Frucht des modernen Emanzipations-Gedankens; die Selbständigmachung der Frau sollte […] hier einmal mehr unter rein finanziellen Gesichtspunkten versucht werden. Das ist ein Ziel, das sich bisher […] noch keine Bank gesetzt hat, und deshalb erscheint die Frauenbank, […] wie eine ganz originale Schöpfung und gewissermaßen wie eine Klasse für sich.“9
Die Bank wurde aus weiten Frauenkreisen unterstützt. Viele Frauenrechtlerinnen insbesondere des radikalen Flügels bekundeten ganz prominent auf der Titelseite der Zeitschrift Frauenkapital ihre Solidarität, so u. a. die Pazifistinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann, die Abolitionistin Anna Pappritz sowie Käthe Schirmacher und Anna von Gierke, die beide später als Abgeordnete für die DNVP arbeiteten. Die Schriftstellerin Hedwig Dohm stellte darüber hinaus Essays zum Abdruck in der Publikation zur Verfügung.10
Das Kreditinstitut verstand sich als Teil der Frauenbewegung und betonte, dass sich Frauen nicht nur ihrer politischen, sondern auch ihrer ökonomischen Macht bewusst werden müssten: „Auf dem Fundamente der vereinigten Millionen oder gar Milliarden fußend, würden sie [die Frauen] durch ihre Bank die Großmacht sein, die ihren Bestrebungen Nachdruck verleiht.“11
Ernüchterung im Bankalltag
Doch die erhofften „Millionen oder gar Milliarden“ blieben aus. Das Jahr 1915 stellte die Frauenbank auf eine harte Bewährungsprobe, die sie – letztendlich – nicht bestand. Zu den negativen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Bankgeschäfte kamen interne Schwierigkeiten hinzu. Bereits seit einiger Zeit waren Stimmen laut geworden, die die Geschäftsmethoden und „fehlende Geschäftsgewandheit und Geschäftskenntnis“ der Bankerinnen kritisierten.12
Vor allem aber in der antifeministischen Presse, insbesondere im Monatsblatt des Deutschen Bundes gegen die Frauenemanzipation, wurde vor diesem „Bau der Weiberwirtschaft“13 gewarnt. Ein solches Unternehmen verschaffe Frauen und Kindern eine wirtschaftliche Autonomie, die letztendlich zur Auflösung der deutschen Familie führen würde. Und sollten Frauen im Bankwesen Fuß fassen, so würden sie die Herrschaft über das Kapital anstreben und die Weltherrschaft an sich reißen wollen.14 Doch selbst in Bankkreisen wurde eingestanden, dass man „nicht berechtigt (ist), den Fall Frauenbank als Kronzeugen für die Unfähigkeit der Frau zur Vermögensverwaltung heranzuziehen, oder gar den Bankerott der ganzen Frauenbewegung daraus abzuleiten.“15
Über die Gründe für das Scheitern können wir heute nur Vermutungen anstellen. Die geringe Finanzkraft von Frauen und mangelnde Erfahrung der Bankfrauen dürften die gewichtigsten gewesen sein. Frauenfeindliche Angriffe und fehlende Unterstützung belasteten zudem den Arbeitsalltag. Die damals noch sehr unzureichende Bankenaufsicht stellte nicht nur die Frauenbank vor erhebliche Probleme und der Zeitpunkt kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges dürfte nicht förderlich gewesen sein.
Ob es gerechtfertigt ist, den Bankfrauen aktive Mitwirkung am Scheitern vorzuwerfen, bleibt unklar.16 Belegt ist, dass die Frauenbank bereits kurz nach ihrer Gründung in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, nach zwei Jahren ihre Zahlungsunfähigkeit erklären musste, eine Geschäftsaufsicht über sie verhängt und 1915 das Konkursverfahren eingeleitet wurde. Da nicht genügend Mittel von den Genossenschaftsmitgliedern aufgebracht werden konnten, musste der Geschäftsbetrieb 1916 eingestellt werden. Damit war das hoffnungsvoll begonnene und sehr ambitionierte Projekt nach nur sechs Jahren gescheitert.
„Im Lichte ihrer Macht“, so hatten die Pionierinnen ihre Utopie formuliert, „werden die Frauen dann ihren wirtschaftlichen Kampf führen und schneller den notwendigen Einfluß auf Kultur und Geschick ihres Vaterlandes erhalten. Hier nützen nicht anerkannte Tugenden! Die unumstößliche Tatsache bleibt: Die Göttin der Freiheit und Macht fußt auf einer goldenen Kugel!“17 Diese „goldene Kugel“ hatten die Berlinerinnen ins Rollen gebracht. Doch in der Bahn halten konnten sie sie nicht. Der Glanz des Goldes war schnell verblasst, die Kugel kam ins Schlingern und flog letztendlich ganz aus der Bahn.
- Dölle, Gilla
- Digitales Deutsches Frauenarchiv
- CC BY-SA 4.0
Ausgewählte Akteurinnen
Fußnoten
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1
Frauenkapital – eine werdende Macht, Jg. 1914, Nr. 2, S. 7.
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2
Ausführlicher: Dölle, Gilla: Die (un)heimliche Macht des Geldes. Finanzierungsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland zwischen 1865 und 1933, Frankfurt/M. 1997, S. 193–220.
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3
Vgl. u. v. a. Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Juni 2008, H. 53/54: Mädchenschulgeschichte(n). Die preußische Mädchenschulreform und ihre Folgen. Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Juni 2018, H. 73/74: Die weibliche/n Geschichte/n der Weimarer Republik.
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4
Vgl. u. v. a. Gerhard, Ute: Gleichheit ohne Angleichung. Frauen im Recht, München 1990, insbes. S. 142‒167; dies. (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts, München 1997, S. 633 ff.
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5
Vgl. Raschke, Marie / Proelß, Sera: Die Frau im neuen bürgerlichen Gesetzbuch. Eine Beleuchtung und Ge-genüberstellung der Paragraphen des Entwurfs […] nebst Vorschlägen zur Änderung derselben im Interes-se der Frauen, Berlin 1895.
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6
Janberg, Hans: Die Bankangestellten. Eine soziologische Studie, Wiesbaden 1958, S. 46–47.
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7
Frauenkapital – eine werdende Macht, Jg. 1914, Nr. 2, S. 6.
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8
Frauenkapital – eine werdende Macht, Jg. 1914, Nr. 2, S. 7.
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9
Die Bank – Monatsheft für Finanz- und Bankwesen, Jg. 1915, II, S. 486.
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10
Vgl. die Titelblätter der Zeitschrift Frauenkapital – eine werdende Macht bis Heft 29 vom 2. August 1914. Da-nach ist auf den Titelblättern ein Aufruf zur Kriegsunterstützung abgedruckt.
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11
Die Besichtigung der Frauenbank am 17. Januar 1914, in: Frauenkapital – eine werdende Macht, Jg. 1914, Nr. 2, S. 7.
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12
Frauenbank, in: Handels-Zeitung des Berliner Tageblatts, Nr. 93 vom 20. Februar 1914 (Abend), 2. Beiblatt.
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13
Monatsblatt des Bundes gegen die Frauenemanzipation, Jg. 1913, Nr. 11, S. 101.
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14
Vgl. Oberfohren: Die Frauenbank, in: Monatsblatt des Deutschen Bundes gegen die Frauenemanzipation, Nr. 4 vom 15. April 1914, S. 39.
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15
Die Bank – Monatsheft für Finanz- und Bankwesen, Jg. 1915, I, S. 487.
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16
Vgl. u. a. Die Bank – Monatsheft für Finanz- und Bankwesen, Jg. 1915, I, S. 486.
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17
Die Besichtigung der Frauenbank am 17. Januar 1914, in: Frauenkapital – eine werdende Macht, Jg. 1914, Nr. 2, S. 8.
Ausgewählte Publikationen
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Dölle, Gilla: Die (un)heimliche Macht des Geldes. Finanzierungsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland zwischen 1865 und 1933, Frankfurt a. M. 1997.
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Gerhard, Ute: Gleichheit ohne Angleichung. Frauen im Recht, München 1990.
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Janberg, Hans: Die Bankangestellten. Eine soziologische Studie, Wiesbaden 1958.