Hamburger FrauenZeitung

verfasst von
  • Inga Müller
veröffentlicht 13. September 2018
An die Tradition der Hamburger Frauen-Zeitung, die erstmals 1909 als Vereinsorgan des Hamburger Hausfrauenvereins herauskam, wollten die Macherinnen der Hamburger FrauenZeitung nicht anknüpfen, als sie 1976 das erste Exemplar aus der autonomen Frauenbewegung, das bis 1999 in wechselnder Besetzung erschien, herausgaben. Inhaltlich war die Zeitung sehr vielfältig aufgestellt: feministische Theorien, politische Diskussionen, Konzertkritiken, Kleinanzeigen und vieles mehr.

Publikationsverlauf

Die 23-jährige Geschichte der Hamburger FrauenZeitung ist geprägt von Neuanfängen und Veränderungen. Unterschiedliche Zusammensetzungen der Zeitungsgruppe nutzten die Zeitung als Plattform und gestalteten sich hier ihre Denkräume.

Der Publikationsverlauf der Zeitung kann in drei Phasen eingeteilt werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Hefte der Jahre 1978 bis 1980 nur teilweise und nur an wenigen Stellen archiviert wurden.

In der ersten Phase 1976 bis ca. 1978 erschienen mindestens 24 Hefte – teilweise gebündelt – unter dem Namen Frauenzeitung Frauenzentrum Hamburg. Das Projekt war eng an das damalige Frauenzentrum in der Langenfelder Straße gebunden, wo auch die öffentlichen Redaktionssitzungen abgehalten wurden. Die monatlich erscheinenden Hefte hatten einen Umfang von 44, später von 60 Seiten. Das selbstgestaltete Layout war noch weit davon entfernt, mit professionellen Zeitschriften mithalten zu können: teils mit der Schreibmaschine getippt, teils handschriftlich ergänzt und immer mit kleinen Zeichnungen am Rand. Die einzelnen Seiten wurden kopiert und zusammengeheftet.

Titelblatt der Frauenzeitung Frauenzentrum Hamburg 1976, Nr. 1

Die Hefte der zweiten Phase – von circa 1979 bis 1980 – sind kaum erhalten. Die Mitarbeiter*innen der Hamburger FrauenZeitung versuchten selbst mehrfach, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten. Die vollständige Geschichte der Zeitung nachzuvollziehen war jedoch kaum möglich, da frühere Ausgaben nur lückenhaft überliefert waren. Dennoch wurde im Jahr 1989 – zum 13-jährigen Jubiläum – in mehreren Artikeln die ersten Jahre des Zeitungsprojekts, die lückenhafte Geschichte sowie die Motivation hinter der Arbeit ergründet. Hier heißt es: „Einen Fleck, den es allerdings noch auszuleuchten gilt, stellen die Jahre 1977–1980 dar, über die bis jetzt nur weniges herauszubringen war. In zum Teil unregelmäßigen Abständen, aber mit ungebrochener Lebenskraft soll die Hamburger FrauenZeitung auch damals erschienen sein, eine Zeitlang umgetitelt in ‚Lila Steine‘. Wir harren der Dinge, die da noch zu entdecken sind – meldet Euch, Redakteurinnen jener Jahre!“1 In einer letzten Sonderausgabe von 19992 wird rückblickend ähnliches berichtet. Im März 1979 hatte sich die Zeitungsgruppe in einer neuen Konstellation zusammengefunden und die zweite Phase mit der Herausgabe einer Nr. 1 gestartet. Die Hefte dieser Phase zeigen einen Willen zum Ausprobieren und können gestalterisch und organisatorisch als Übergang betrachtet werden. Der Name änderte sich beispielsweise in dieser Zeit zweimal: von Frauenzeitung zu Hamburger Frauenzeitung zum zusätzlichen Namen Lila Steine. Im Layout erinnern die Hefte mit handschriftlichen Notizen zum Teil noch stark an die früheren Ausgaben, doch mit der Einführung gedruckter Bilder näherten sie sich bereits den späteren Heften der 1980er- und 1990er- an. Das fünfte Heft mit dem Zusatz ‚Lila Steine‘ scheint das letzte zu sein, das diese Redaktionskonstellation herausgab.

Titelblatt der Frauenzeitung Hamburg 1979, Nr. 1
Einleitung der Frauenzeitung Hamburg 1979, Nr. 1

Die dritte und längste Phase des Erscheinens begann 1981. Auf der ersten Hamburger Frauenwoche hatten sich Frauen zusammengetan, die dem Projekt wieder Leben einflößen wollten und die im Anschluss an die Woche das Heft Nr. 0 herausbrachten.3 Von Zuspruch motiviert erschien die Hamburger FrauenZeitung ab 1982 bis zur Auflösung 1999 viermal jährlich.

„Eine Zeitschrift von uns – für uns“4

Das Editorial des ersten Heftes von 1976 listet folgende Ziele auf: Der Informationsaustausch zwischen den Frauen und den verschiedenen Gruppen der Hamburger Frauenbewegung sollte verbessert, Organisationsfragen des Frauenzentrums in der Langenfelder Straße sollten geklärt, Diskussionen in Gang gebracht, persönliche Kleinanzeigen gesammelt, Kurznachrichten über Ereignisse und Hausdurchsuchungen öffentlich gemacht werden und vieles mehr.5 Das Motto ‚Eine Zeitung von uns – für uns‘ sollte Realität werden. Zudem wurden alle schreibfreudigen Frauen aufgefordert, Texte einzureichen, was den Kollektivcharakter weiter verstärkte.

Herausgeberin der Zeitung war die Kulturgruppe des Frauenzentrums, in dem auch die öffentlichen Redaktionstermine stattfanden. Die vorherrschenden Themen der Zeitung waren in den ersten Jahren denn auch Angelegenheiten des Zentrums, wie etwa organisatorische Fragen zur Miete und zum Posteingang im Frauenzentrum – aber auch Diskussionen zum Selbstverständnis der Frauenzeitung. Über Zentrumsangelegenheiten hinaus fanden sich aber auch andere Themen, die die Frauenbewegung beschäftigten: die Beerdigung von Ulrike Meinhof6 , Kinderkriegen und Frauenemanzipation7 und ein Für und Wider zum Wahlboykott.8 Einen breiten Raum nahmen allerdings immer wieder Berichte über Hamburger Frauenprojekte ein, wie etwa die Frauenkneipe, denn etliche Mitarbeiterinnen der Frauenzeitung waren auch in anderen Projekten engagiert, was den Informationsfluss zu anderen Frauenaktivitäten durch persönliche Kontakte stark vereinfachte.9

Die Hefte in den 1980er-Jahren widmeten sich vermehrt Themen aus Kultur, Literatur und Geschichte – so gab es 1985 ein Schwerpunktheft zur Ausstellung ‚Hammonias Töchter‘ im Museum für Hamburgische Geschichte, die sich neuesten Forschungen zu Frauen in Hamburg widmete. Weiterhin gab es Debatten über Prostitution und Kritik an der Leitstelle zur Gleichstellung der Frau. Eine weitere Form, die Frauenbewegung zu kommentieren, war die Comicform, von der immer wieder Gebrauch gemacht wurde.

Comic „Frauen, Macht, Tango!“ in der Hamburger Frauenzeitung 1984, Nr. 6
Comic „Neues aus dem Zentralinstitut für Institutionalisierungsforschung“ in der Hamburger Frauenzeitung 1989, Nr. 22

In den späten 1980er- und 1990er- Jahren erfand die Redaktion eine stereotype Figur, an der man die Allgemeinverständlichkeit der Zeitung festmachen wollte: Auch die ‚einfache Hausfrau aus Pinneberg‘ sollte die Inhalte verstehen können. Dennoch fühlten sich von der zunehmend theoretischen Ausrichtung stärker Akademikerinnen angesprochen.10

Die Ausgaben beschäftigten sich in theoretischen Auseinandersetzungen mit einer Vielzahl von Themen. So gab es Schwerpunkthefte zu Rassismus (1990, H. 23), Frauenhandel (1996, H. 46), Antisemitismus (1989, H. 22), Transsexualität (1991, H. 30), Filmtheorie (1997, Nr. 51), Körper (1998, H. 55). Diese Themen wurden teilweise fachjournalistisch, teilweise poetisch/visuell aufgearbeitet.

Der lokale Bezug fand sich zwar noch im Terminkalender wieder, die Berichte und Aufsätze waren jedoch eher überregional, teilweise international, ausgerichtet. 1989 wurde dies von den Mitarbeiterinnen selbst reflektiert:

„Die relative Termindürre in dieser Ausgabe spiegelt zweierlei: Das Medium Frauenzeitung scheint in Hamburg noch nicht als Kommunikationsmittel im Bewußtsein der Frauen Fuß gefaßt zu haben; und dokumentiert die […] Veränderung innerhalb der Frauenszene: Der Weg verläuft von der Aktivität einzelner Frauen an vielen Orten zur Etablierung vieler Frauenprojekte, deren Kommunikation nicht mehr vom persönlichen Kennen der Frauen untereinander abhängt.“11

Einblicke in die Redaktion

Die Organisationsform der Zeitungsgruppe veränderte sich in der 23-jährigen Geschichte vom ‚anonymen Kollektiv‘ zum eingetragenen Verein. In den ersten Heften wurden kaum Namen und wenn überhaupt, dann lediglich Vornamen genannt, was den Kollektivcharakter der Zeitung verstärkte. Erst in den 1980er- Jahren setzte sich die namentliche Nennung der Mitarbeiter*innen durch.

Die Redaktion legte immer Wert auf Transparenz der Prozesse und Entscheidungen. Doch die Form der Transparenz veränderte sich. Während zu Beginn noch öffentliche Redaktionssitzungen stattfanden, fand später verstärkt ein Austausch mit Leser*innen über teilweise kontroverse Leser*innenbriefe statt.

In der Anfangszeit wurden eingereichte Artikel in der Regel unbearbeitet abgedruckt. Abgelehnte Artikel wurden aufgelistet und waren im Frauenzentrum einsehbar.12

Auf die Frage „Wer oder was ist das – die Redaktion?“13 lautete 1989 die Antwort:

„Zunächst mal ist das ein 9m2 Raum, der drei Lichttische, einen Schreibtisch, mehrere Regale, Lampen, ein Telefon und 2m2 freien Platz enthält. Glücklicherweise im Frauenbuchladen und Café, so daß wir wenigstens unsere Redaktionssitzungen nicht in dieser Enge abhalten müssen. Beim Lay-Out allerdings… Unser Archiv befindet sich im Keller. Da stapeln sich die Zeitungen auf einem Wandregal, dort steht unser Bierkasten, dort ist immer mal wieder eine große schwarze Spinne anzutreffen. Die Compute ist seit langem innigster Wunsch (der vielleicht demnächst in Erfüllung geht), eine Schreibmaschine wurde uns neulich gespendet (heißen Dank), und ansonsten besitzen wir noch Letra-Set, Briefumschläge und einige Papiermesser.14

analoge Layoutarbeit 1989
Privatsammlung Birgit Kiupel
Lizenz
Rechteangabe
Analoges Layout um 1989 - mit Montagekleber und Grafik-Cutter.

Hamburger FrauenZeitung sagt tschüss

Nach 23 Jahren wurde die Hamburger FrauenZeitung im Jahr 1999 eingestellt – nicht jedoch ohne den Versuch einer Verjüngungskur unternommen zu haben: Mit neuem Layout, neuem Konzept und bedeutend größerem Umfang wurde mit einem Heft zum Schwerpunktthema „Mädchen“15 ein vermeintlicher Neuanfang gemacht. Das Heft – erstmals am Computer erstellt – und die sichtbaren Bemühungen zu Veränderungen hatten anscheinend großen Zuspruch gefunden. Dennoch musste sich das Zeitungsprojekt in das Projektesterben rund um die Jahrtausendwende einreihen. Im September 1999 erschien eine letzte Broschüre, in der die diversen Gründe für die Einstellung der Zeitung reflektiert wurden. Als Gründe wurden fehlende Ressourcen genannt, aber auch Veränderungen in Arbeitsprozessen, wie die stetige Professionalisierung im Layout und in der Produktion, mit der die Zeitung nicht Schritt halten konnte. Auch die Zusammenarbeit und Vernetzung in der ‚Frauenszene‘ hatte sich stark verändert, was den nötigen Informationsfluss für die Erstellung der Zeitung erschwerte.16

Die letzte Ausgabe der Hamburger FrauenZeitung
Stand: 13. September 2018
Verfasst von
Inga Müller

geb. 1986, Studium der Geschichte, Literaturwissenschaft, Bibliotheks- und Informationswissenschaften

Empfohlene Zitierweise
Inga Müller (2018): Hamburger FrauenZeitung, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/hamburger-frauenzeitung
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Fußnoten

  • 1Hamburger FrauenZeitung (HFZ), 1990, H. 24, S. 7.
  • 2Hamburger FrauenZeitung sagt Tschüss 1999, H. 57, S. 3.
  • 3HFZ, 1981, H. 0, S. 4.
  • 4Ebenda, S. 2.
  • 5HFZ, 1976, H. 1, S. 2.
  • 6HFZ, 1976, H. 1, S. 4.
  • 7HFZ, 1976, H. 6, S. 11–20.
  • 8HFZ, 1978, H. 20–24, hier S. 22.
  • 9Bergermann, Ulrike: Frauenzeitung, in: HFZ, 1989, H. 23, S. 37.
  • 10Röttger, Ulrike / Werner, Petra: Anspruch prallt auf Wirklichkeit. Regionale Frauenzeitungen auf der Suche nach Redaktions-Konzepten, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 14. Jg., 1991, H. 30/31, S. 60.
  • 11Siewert, Claudia: Hamburger Frauenzeitung. Von 1981 bis 1989, in: HFZ, 1990, H. 24, S. 9.
  • 12Bergermann, Ulrike: Frauenzeitung, in: HFZ, 1989, H. 23, S. 39.
  • 13Kossak, Anja: Wir über Uns an Euch, in: HFZ, 1989, H. 22, S. 26
  • 14Ebenda, S. 26.
  • 15HFZ, 1999, S. 56.
  • 16HFZ, 1999, H. 57, S. 2.