Die Lesbenpresse

verfasst von
  • Lara Ledwa
veröffentlicht
Die Lesbenpresse war eine der ersten Lesbenzeitschriften der neuen Frauenbewegung. Als Kommunikationsorgan des Lesbischen Aktionszentrums (Westberlin), und der lesbisch-feministischen Bewegung gilt sie als Wegbereiterin für heutige lesbische, feministische und queere Zeitschriftenformate.

Der Beginn: Falsche/Keine Medien über Lesben

Die Lesbenpresse (LP) war die Zeitschrift der Westberliner Gruppe Lesbisches Aktionszentrum (kurz: LAZ). Sie wurde von Februar 1975 bis Oktober 1982 in unregelmäßigen Abständen – meist ein- bis zweimal jährlich – von einem wechselnden Redaktionskollektiv erstellt und veröffentlicht. Insgesamt erschienen elf Ausgaben. Die Hefte bildeten ab, welche Themen in der lesbisch-feministischen Bewegung und im LAZ im Zeitraum ihres Erscheinens diskutiert wurden.

Lesbenpresse, Heft 4, 1976
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Vierte Ausgabe der Lesbenpresse, 1976

Der Zeitschrift kam eine besondere Bedeutung zu, da es Mitte der 1970er-Jahre noch kaum Kommunikationsorgane zwischen Lesben(gruppen) gab. Die etablierte Presse berichtete, wenn lesbische Themen überhaupt Erwähnung fanden, zumeist diffamierend über Lesben. Im Vorwort der ersten Ausgabe der LP hieß es dazu: „wir fanden, daß eine verniedlichung, moralische diskriminierung und permanente falsche aussagen über lesben sich weit über jedes medium verbreitet. […] das wissen, welches wir brauchen, um unsere situation zu verbessern, müssen wir selbst verbreiten.“1 Feministische Magazine, die bereits existierten, wie efa, Frauenzeitung, Nebenwiderspruch oder Frauen und Film hatten zudem kaum lesbische Themen im Programm.2  

Viele bekannte Publikationsorgane der (Westberliner) Frauenbewegung wie CLIO, Courage, EMMA und Die Schwarze Botin gründeten sich erst 1976 beziehungsweise 1977. Die LP nahm damit, wie die Lesbenbewegung und viele von ihr initiierte Projekte generell,3 eine Vorreiterinnenrolle in der bundesdeutschen Frauenbewegung der 1970er-Jahre ein.

UkZ und Lesbenpresse: Die ersten Lesbenzeitschriften seit 1933

Im Februar 1975 entstand – nur einen Moment vor der LP4 – die Zeitschrift Unsere kleine Zeitung (UkZ) der Gruppe Lesbos 74 (L74), welche Kitty Kuse mit Unterstützung des LAZ und des Allgemeinen Homosexuellen Arbeitskreises (AHA) für ältere und berufstätige Lesben gegründet hatte.5 Die UkZ schrieb in der zweiten Ausgabe, dass sie seit der Lesbenzeitschrift Die Freundin, die von 1924 bis 1933 erschien, die erste Lesbenzeitschrift in (West-)Deutschland sei.6 Neu war sowohl bei der UkZ als auch bei der LP, dass sie vollständig von Lesben für Lesben produziert wurden und dass die Redaktionen bewusst unabhängig von männlichen (und heteronormativen) Infrastrukturen zu arbeiten versuchten.7 Eine Politik, die viele zeitgenössische autonome Frauenprojekte verfolgten, um alternative, antikapitalistische und frauenbezogene Infrastrukturen aufzubauen.8  

Stärker als die UkZ beanspruchte die LP als Magazin einen Platz innerhalb der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung und verstand sich als Organ frauenbewegter Lesben beziehungsweise der autonomen lesbisch-feministischen ,Szeneʻ. Die UkZ dagegen bemühte sich aktiv auch darum, Lesben außerhalb der ,Szeneʻ zu erreichen.9  

Die Struktur – Redaktionskollektiv

Die Redaktion der LP war die längste Zeit in einem Kollektiv organisiert, namentlich dem „Lesbenpressenkollektiv im LAZ“10. Ab der zehnten Ausgabe wurde die Redaktion nicht mehr als Kollektiv benannt, stattdessen wurden die fünf Redaktionsmitgliederinnen mit Vor- und Nachnamen geführt.11 Für die ersten drei Ausgaben bestand das Kollektiv aus acht Lesben, mit der vierten Ausgabe wechselten nach einer Auseinandersetzung die Macherinnen. In der Darstellung des Konflikts durch das neue Kollektiv hieß es: „Ziemlich einhellig war die Meinung darüber, daß der Bezug zur LP als unserer Zeitung sehr schlecht sei, und dies von Anfang an. […] Besonders problematisch erschien uns, daß die Konflikte im LAZ, die sich in harten Auseinandersetzungen niedergeschlagen hatten und nicht nur in unserer sondern auch in anderen organisierten Lesbengruppen aufgetreten sind, in der LP nicht zum Ausdruck gebracht worden waren.“12  

Dies macht deutlich, dass die Adressatinnen der Zeitschrift innerhalb der autonomen Lesbenbewegung, vornehmlich im LAZ, verortet wurden. Die Beiträge sollten von Anfang an hauptsächlich von den Leserinnen kommen. Das neue Kollektiv, das ab Ausgabe vier verantwortlich war, schlug eine rotierende Produktion vor. Das hieß, an der inhaltlichen und technischen Herstellung sollten im Laufe der Zeit möglichst viele unterschiedliche LAZ-Frauen und/oder Lesbengruppen der BRD beteiligt sein (ein System, welches die Frauenzeitung, bei der jede Ausgabe durch eine andere Frauengruppe übernommen wurde, bereits praktizierte13).14  So waren bei der sechsten Ausgabe der LP beispielsweise keine Frauen mehr bei der Herstellung involviert, die in einer der beiden vorhergehenden Ausgaben mitgewirkt hatten.15 Das unregelmäßige Erscheinen lässt sich auch mit dieser rotierenden Struktur erklären. Ein weiteres neues Merkmal des Lesbenpressenkollektivs war die Durchführung einer öffentlichen Diskussion über die jeweils neu erschienene Ausgabe der LP mit interessierten Frauen.16 Immer wieder versuchte die Redaktion also zu wechseln, möglichst viele Lesben der Bewegung einzubeziehen, keine Machtpositionen aufzubauen und etwaige Entscheidungen oder Kriterien für die Veröffentlichung von Texten transparent zu halten.

Gemäß einem linken Anspruch ging es auch darum, keinen Profit mit der Zeitung zu machen, sondern lediglich die Herstellungskosten, die in einigen Ausgaben detailliert aufgelistet wurden,17 zu decken. Deshalb gab es  einen großen Eklat in der autonomen Frauenbewegung, als die Zeitschrift EMMA von Alice Schwarzer gegründet wurde: Einige Frauenprojekte und das LAZ riefen alle Frauenzentren und Frauengruppen dazu auf, Emma keine Materialien, Adressen, Aktivitäten und Gelder zur Verfügung zu stellen, da diese ein kommerzielles Unternehmen sei und ein „Marktmonopol“18 der Frauenbewegung aufbaue.

Die Form – ,Do it yourselfʻ

Ab der ersten Ausgabe probierte sich die LP mit verschiedenen Formen der medialen Aufbereitung aus. So standen neben herkömmlich mit Schreibmaschine getippten Artikeln auch Gedichte, Zeichnungen, Fotografien, Comics und handschriftliche Notizen. In den ersten drei Ausgaben der LP gab es sogar in der Mitte des Heftes Fotoposter von Lesben, welche wie die lesbische Unterwanderung der Fan-Poster in Jugendzeitschriften anmuteten.  Zudem fanden sich in den einzelnen Ausgaben an vielen Stellen kleine Werbeanzeigen von Frauenprojekten (Verlage, Bars, Zeitschriften, Bücher, Veranstaltungen).

Lesbenpresse, Heft 4
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Die Redaktion gibt Einblicke in die Heftproduktion

Das Design der ersten drei Ausgaben folgte einem einheitlichen Stil: Die Hefte waren fast in A3-Größe und das Cover zierte das Lesbenzeichen der zu einem Dreieck aneinandergelegten Daumen und Zeigefinger. Die folgenden  Ausgaben erschienen in einem neuen Layout, wohl auch, da das alte Redaktionskollektiv ein Copyright für sein Cover beanspruchte.19 Das neue Format war kleiner, das Papier fester und das Cover zierten wechselnde Fotografien auf Kraftkarton. Es lässt sich bis zur letzten Ausgabe eine fortschreitende Professionalisierung in der Heftherstellung beobachten. Die letzte Ausgabe der LP zeugt von in der Zeitschriftenherstellung erfahrenen Frauen – der anfängliche Preis von 2 DM war mittlerweile auf 4 DM angestiegen.

Ende durch Inhalte?

Von Beginn an war die LP mit ihren Inhalten ein Organ der autonomen lesbisch-feministischen Bewegung. Auch wenn der Anspruch der LP war, diverse Positionen innerhalb der Bewegung abzubilden, bewertet beispielsweise Franka Fieseler die LP als Organ eines radikalen lesbisch-separatistischen Feminismus.20 Auseinandersetzungen über diese Form der Identitätspolitik sollen zu verhärteten Fronten im LAZ und dessen letztendlicher Auflösung im März 1982 geführt haben.21 Die Einstellung der LP war eng mit der Auflösung des LAZ verbunden: Trotz der Ankündigung, dass die Zeitschrift – genau wie der Vertrieb und das Archiv (heute Spinnboden Archiv & Bibliothek) – über die Auflösung hinweg fortbestehen sollte,22 gab es nur noch eine weitere Ausgabe vor der „sang- und klanglos[en]“23 Einstellung der Zeitschrift.

Die LP ist als eine Wegbereiterin für heutige lesbische, feministische und queere Zeitschriftenformate und Gegenöffentlichkeiten zu würdigen.
 

Veröffentlicht: 13. Dezember 2018
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Verfasst von
Lara Ledwa

hat ihren M.A.-Abschluss in den Gender Studies mit einer Arbeit zu der HAW-Frauengruppe beziehungsweise dem Lesbischen Aktionszentrum (Westberlin), kurz: LAZ, gemacht. Dafür verbrachte sie viele Stunden im Spinnboden Archiv mit einem Ordnerregal. Sie lebt in Berlin und beschäftigt sich (wenn sie Glück hat immer wieder auch in der Lohnarbeit) mit feministischen, queeren und lesbischen Politiken.

 

Empfohlene Zitierweise
Ledwa, Lara (2025): Die Lesbenpresse, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/die-lesbenpresse
Zuletzt besucht am: 11.07.2025
Lizenz: CC BY-SA 4.0
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Fußnoten

  1. 1

    Lesbenpresse, Februar 1975, Nr. 1, S. 2.

  2. 2

    Nienhaus, Ursula: Wie die Frauenbewegung zu Courage kam. Eine Chronologie, in: Notz, Gisela (Hg.): Als die Frauenbewegung noch Courage hatte. Die „Berliner Frauenzeitung Courage“ und die autonomen Frauenbewegungen der 1970er und 1980er Jahre, Bonn 2007, S. 14 ff.

  3. 3

    Vgl. Perincioli, Cristina: Berlin wird feministisch. Was von der 68er Bewegung blieb, Berlin 2015, S. 10.

  4. 4

    Vgl. UkZ, März 1975, Ausgabe 2, S. 2 f.; Nienhaus: Wie die Frauenbewegung zu Courage kam, S. 19.

  5. 5

    Bornemann, Eva / Trachsel, Helga: Gruppe L74 und die Zeitschrift UkZ (Unsere kleine Zeitung), in: Dennert, Gabriele et al. (Hg.): In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben, Berlin 2007, S. 77 ff.

  6. 6

    UkZ, März 1975, Ausgabe 2, S. 2. Die Lesbenpresse reklamierte für sich das Gleiche, vgl. den Flyer bei Dennert, Gabriele et al.: Lesben in Wut. Lesbenbewegung in der BRD der 70er Jahre, in: dies. (Hg.): In Bewegung bleiben, S. 47.

  7. 7

    Vgl. UkZ, Oktober/November 1975, Ausgabe 9, S. 1.

  8. 8

    Vgl. Plogstedt, Sibylle: Frauenbetriebe. Vom Kollektiv zur Einzelunternehmerin, Königstein/Taunus 2006.

  9. 9

    Bornemann / Trachsel: Gruppe L74 und die Zeitschrift UkZ (Unsere kleine Zeitung), S. 78.

  10. 10

    Lesbenpresse, Februar 1975, Nr. 1, S. 2.

  11. 11

    Lesbenpresse, Mai 1982, Nr. 10 sowie Nr. 11, Oktober 1982, S. 2.

  12. 12

    Lesbenpresse, November 1976, Nr. 4, S. 3.

  13. 13

    Vgl. Frauenzeitung, Oktober 1973, Nr. 1, S. 2.

  14. 14

    Lesbenpresse, November 1976, Nr. 4, S. 3.

  15. 15

    Lesbenpresse, Mai 1978, Nr. 6, S. 3.

  16. 16

    Lesbenpresse, Mai 1977, Nr. 5, S. 3; Oktober 1980, Nr. 8, S. 3.

  17. 17

    Vgl. ebenda, S. 3; Mai 1978, Nr. 6, S. 3.

  18. 18

    Vgl. Spinnboden Archiv, LAZ-Archiv 11, „Aufruf zum Emma-Boykott“.

  19. 19

    Vgl. Lesbenpresse, November 1976, Nr. 4, S. 3.

  20. 20

     Vgl. Fieseler, Franka: Vernetzte Netze – vielfältige Foren. Zur Geschichte lesbisch-feministischer Zeitschriften in Deutschland, in: Susemichel, Lea et al. (Hg.): Feministische Medien. Öffentlichkeiten jenseits des Malestream, Königstein/Taunus 2008, S. 135 und 147.

  21. 21

    Ebenda, S. 137.

  22. 22

    Vgl. Lesbenpresse, Mai 1982, Nr. 11, S. 30.

  23. 23

    Fieseler: Vernetzte Netze, S. 137.

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