Der Weltgebetstag der Frauen
„Weltgebetstag der Frauen – das heißt: gemeinsames Gebet und gemeinsames Opfer, Sorge um die Nöte und Aufgaben der anderen in der Nähe und in der Ferne“1, so beschrieb die Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD) das Ereignis 1965.
Die Ursprünge
Der Weltgebetstag der Frauen entstand im 19. Jahrhundert in den USA aus der sogenannten Frauenmissionsbewegung. Fernab konfessioneller Unterschiede und patriarchaler Strukturen fanden sich christliche Frauen zusammen, um speziell auf die Bedürfnisse und Anforderungen von Frauen und Kindern innerhalb der Missionsarbeit einzugehen. Die Idee, an einem Tag gemeinsam zu beten, zu feiern und Spenden für gemeinnützige Zwecke zu sammeln, unabhängig von der männlich dominierten Geistlichkeit, verbreitete sich rasch auf allen Kontinenten.
Seit 1927 trägt dieser Tag den Namen: Weltgebetstag der Frauen. Im Jahr 1968 entstand ein Internationales Komitee, das die Feierlichkeiten weltweit organisiert und aus Vertreterinnen der teilnehmenden Regionen der Welt zusammengesetzt ist. Frauen eines ausgewählten Landes bereiten eine Gebetstagsordnung vor, die nicht nur religiöse Lieder und Texte beinhaltet, sondern auch auf gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen des jeweiligen Landes hinweist. Diese Ordnung übergeben sie an das Internationale Komitee, das sie wiederum an alle Länderkomitees weitergibt. Seit 1969 ist der erste Freitag im März als Datum der Feierlichkeit festgelegt. Inzwischen sind mehr als 150 Länder am Weltgebetstag (WGT) beteiligt.2
Der WGT in Deutschland
1927 feierten Methodistinnen, die einen engen Kontakt zu den USA pflegten, zum ersten Mal in Deutschland den Weltgebetstag. Sie hielten an dieser Feierlichkeit selbst unter dem Nationalsozialismus fest. Zwar mussten Gebetsordnungen, die aus dem Ausland kamen und Gewaltfreiheit, Menschenrechte und Antirassismus forderten, teilweise stark umgearbeitet und Textstellen gestrichen werden, doch lässt sich die Durchführung des Weltgebetstags auch als Widerstand gegen das Regime deuten.3 Der erste WGT der Nachkriegszeit fand 1947 in Berlin statt und verband nicht nur deutsche Frauen zum ersten Mal mit Frauen der alliierten Kräfte in einem gemeinsamen, deutsch-englischen Gottesdienst, sondern auch unterschiedliche Konfessionen. Diese und die künftigen Begegnungen, so wurde in der Nachkriegszeit gehofft, sollten ein „echter Beitrag zum Frieden“4 werden.
Die Bewegung wächst
Dass der WGT in Deutschland nach 1949 zu einer festen Größe wurde, ist Antonie Nopitsch (1901–1975) zu verdanken, der Gründerin und Vorsitzenden des Bayerischen Mütterdienstes (BMD) sowie des Deutschen Müttergenesungswerks, das sie gemeinsam mit Elly Heuss-Knapp (1881–1952) aus der Taufe hob. Während einer USA-Reise hatte Nopitsch die Feierlichkeiten zum WGT 1948 kennengelernt. Bereits im folgenden Jahr verbreitete sie über die Publikation des Mütterdienstes eine Beilage mit Informationen zum Ablauf des WGT. Da der Mütterdienst der EFD angehörte, zu deren Leitung Nopitsch enge Kontakte pflegte, wurde dieser Verband ebenfalls in die Organisation des WGT eingebunden. Diese Verbindung zwischen BMD, EFD und dem deutschen Weltgebetstag bestand mehrere Jahrzehnte lang. Während der Mütterdienst für die Herausgabe der Arbeitsmaterialien und Gebetsordnungen verantwortlich war, übernahm der EFD die treuhändische Verwaltung der Kollekten.5 Die erste, deutschlandweit einheitliche Gebetstagsordnung erschien 1953, die deutschen Frauen beteten von nun an alle in gleicher Form, doch die Organisationsstruktur des WGT war nach wie vor sehr locker.
Seit Ende der 1960er-Jahre wurde immer deutlicher, dass das stets wachsende Interesse am WGT zu höherem Verwaltungsaufwand führte und daher eine festere Organisationsstruktur nötig wurde. So wurde 1971 das Westdeutsche WGT-Komitee gegründet, dessen Vertreterinnen vom Bayerischen Mütterdienst und der EFD sowie von Methodistinnen, Baptistinnen, Alt-Katholikinnen und Angehörigen weiterer Freikirchen gestellt wurden. Sie erarbeiteten im selben Jahr eine Geschäftsordnung, nach deren Regeln die Organisation in den folgenden Jahrzehnten erfolgte. Zu dieser Zeit engagierten sich zunehmend auch Katholikinnen und Griechisch-Orthodoxe, was zur Aufnahme ihrer Vertreterinnen ins Komitee führte. Die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Komitees sollten sowohl eine professionelle Verwaltung der Spendengelder und Organisation der Projekte als auch eine theologisch und interkulturell sachkundige Erarbeitung der länderspezifischen Gebetsordnungen, Übersetzungen und Materialien gewährleisten.
Abgesehen von dieser verwaltungstechnischen Notwendigkeit wurde jedoch Wert darauf gelegt, dass es sich bei den Organisatorinnen vor Ort nach wie vor um Laiinnen handelte und eine zu starre Institutionalisierung des WGT vermieden werden sollte.6 Das Nationale Komitee stand und steht in Kontakt mit dem Internationalen Komitee und den regionalen Teilnehmerinnen und bildet demnach einen wichtigen Schnittpunkt. Zudem vertritt es den WGT in der deutschen Öffentlichkeit.
2003 wurde das Deutsche Komitee in einen selbstständigen, gemeinnützigen Verein umgewandelt, wodurch die unmittelbaren personellen Beziehungen von EFD und BMD aufgehoben wurden. Die evangelischen Delegierten stammen nun aus der Nachfolgeorganisation der EFD, dem Verein Evangelische Frauen in Deutschland.
Der Weltgebetstag in der DDR
Auch nach Gründung der DDR 1949 wurden der WGT und seine Gebetsordnung bis zum Bau der Mauer 1961 gemeinsam mit den westdeutschen Frauen erarbeitet. Auch danach feierten ostdeutsche Frauen den WGT weiter, sie verfügten über ein eigenes Landeskomitee, jedoch musste die Liturgie nun mehr an die Anforderungen des politischen Regimes angepasst werden.7 Die Kontakte nach Westdeutschland brachen trotz dieser Erschwernisse nicht ab. Nach der Wiedervereinigung schlossen sich 1994 die beiden Deutschen Komitees zu einem gemeinsamen zusammen.8
Kollektenverwaltung und Projektförderungen
Wofür wurden die vom WGT eingeworbenen Spenden verwendet? Bis in die 1960er-Jahre wurde die gesammelte westdeutsche Kollekte ausschließlich zu innerdeutschen Zwecken genutzt. Ein Teil des Geldes ging an bedürftige Frauen in der DDR und der BRD, ein anderer an sogenannte ‚Ostzonenflüchtlinge‘ in der BRD. In besonderen, seit 1955 als ‚Aufbauwochen‘ bezeichneten, Kursen sollten in erster Linie Frauen aus der DDR und deutschstämmige Aussiedler:innen aus den Sowjetgebieten auf ihr neues Leben in der Bundesrepublik vorbereitet werden. Die Teilnehmer:innen sollten in diesen Wochen Orientierung etwa über Bildungsmöglichkeiten und Gesetze erhalten – immer in Kombination mit Erholung und Geselligkeit.
Diese bundesweit angebotenen Kurse sollten Spätaussiedler:innen dabei helfen, sich in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden.9 Diese Art der Integrationsmaßnahmen war bis in die frühen 2010er-Jahre ein wichtiges soziales Arbeitsfeld der Frauenhilfen.
Obwohl zunächst die innerdeutsche Hilfe im Vordergrund stand, kam bei Teilnehmerinnen des WGT in den 1960er-Jahren das Bedürfnis auf, weltweit Frauen zu unterstützen. Durch die Kollekte werden unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ daher auch ökumenische, entwicklungspolitische, internationale Projekte gefördert. Diese Projekte sind in der Regel auf einen kurzen Zeitraum von maximal drei Jahren ausgelegt und sollen Frauen auf der ganzen Welt zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. Die Förderkriterien zielen darauf ab, dass die Eigenverantwortung der beteiligten Frauengruppen im Vordergrund steht und das Projekt ökumenisch ist.10 Geförderte Projekt der letzten Jahre entstammen den Themen- und Tätigkeitsfeldern gesellschaftliche und politische Teilhabe, (Aus-) Bildung, finanzielle Selbstständigkeit, psychische und körperliche Gesundheit, Beendigung der Gewalt gegen Frauen, Umweltschutz, Unterstützung von Minderheiten und Stärkung von Minderheitenrechten. Zu diesen Zwecken werden unter anderem Brunnen, Kochstellen oder auch Transportmittel finanziert, Aufklärungs- und Alphabetisierungskurse sowie Ausbildungsprogramme eingerichtet, Kleinkredite vergeben oder auch konkrete Bauprojekte wie Bäckereien oder Bibliotheken ausgeführt, um nur wenige Beispiele zu nennen. Diese Projekte werden weltweit umgesetzt, wobei das Aktionsland, aus dem die Gebetsordnung stammt, jeweils im Vordergrund steht.
Forschungsdesiderat Weltgebetstag
Der Weltgebetstag vernetzt Frauen auf der ganzen Welt. Er bedeutet religiöse, aber auch soziale und interkulturelle Beschäftigung mit Frauen in unterschiedlichsten Lebenssituationen. Obwohl er in Deutschland bereits seit mehreren Jahrzehnten gefeiert wird und sein soziales Engagement im In- und Ausland bedeutsam ist, wurde er – abgesehen von internen Darstellungen – bisher kaum erforscht. Welche Rolle zum Beispiel Diversität, Kolonialismus, Missionsarbeit oder feministische Theologie spielen, sind Forschungsfragen, die einer Bearbeitung harren. Die Bestände des AddF bieten zu diesen Fragestellungen Archivalien aus mehreren beteiligten Organisationen von den späten 1940er- bis in die 2000er-Jahre hinein.
Im AddF können sich Nutzer:innen in den Beständen der drei großen evangelischen Frauenverbände – der EFHiD, dem DEF sowie der EFD – über die Arbeit des Weltgebetstags und dessen Komitees informieren.
- Dr. Barbara Krautwald
- Michaela Wilhelm
- Digitales Deutsches Frauenarchiv
- CC BY-SA 4.0
Ausgewählte Akteurinnen
Fußnoten
- 1 Informationsblatt im Auftrag der EFD, Januar 1965, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-16; G-59.
- 2 Informationsblatt des Internationalen Weltgebetstags-Komitees 1978, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 312-1.
- 3 Vgl. Hiller, Helga: Ökumene der Frauen. Anfänge und frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung in den USA, weltweit und in Deutschland, Düsseldorf 1999, S. 118 f.
- 4 Schreiben des DEF an die Ortsverbände, 10.01.1952, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-16; G-59.
- 5 Kooperationsvertrag zwischen dem BMD und der EFD 1986, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 329-1.
- 6 Neubesetzung der Stelle der ökumenischen Referentin für das WGT-Komitee und BMD, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 318-1.
- 7 Vgl. Hiller, Helga: Ökumene der Frauen. Anfänge und frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung in den USA, weltweit und in Deutschland, Düsseldorf 1999, S. 181 f.
- 8 Fusionsvertrag der beiden Weltgebetstagskomitees, 1994, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 323-2.
- 9 Vgl. Mitteilungen der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland, März/April 1977, Nr. 317, S. 5‒10.
- 10 Förderkriterien des Deutschen Weltgebetstags-Komitees, 1991, in: AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 317-1.
Ausgewählte Publikationen
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Schmidt-Biesalski, Angelika: Ein Freitag im März. Weltgebetstags-Taschenbuch, 2., erw. Aufl., Offenbach/M. 1986.
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Hiller, Helga: Ökumene der Frauen. Anfänge und frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung in den USA, weltweit und in Deutschland, Düsseldorf 1999.
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Bechmann, Ulrike: Weltgebetstag der Frauen, in: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche: 10. Band, Thomaschristen bis Žytomyr, Freiburg 2001, S. 1076.