Damen im Beet. Die Etablierung des Gärtnerinnenberufs um 1900

verfasst von
  • Dr. Mette Bartels
veröffentlicht
Im Kampf der bürgerlichen Frauenbewegung um die Schaffung von Berufsfeldern für Frauen rückte der Gartenbau in den Fokus frauenbewegter Aufmerksamkeit. Bürgerliche Frauen hatten nunmehr die Möglichkeit, als Gärtnerinnen eine persönliche und ökonomische Selbstständigkeit zu erhalten.

Frauenbewegung und weibliche Berufstätigkeit um 1900

Die Schaffung und Professionalisierung von Berufen für Frauen waren zentrale Punkte auf der Agenda der bürgerlichen Frauenbewegung. Neben den klassischen Frauenberufen wie Lehrerin, Erzieherin oder Gouvernante wollten die Frauenrechtlerinnen neue Erwerbsfelder für Frauen zugänglich machen. Reichsweit kam es zu Gründungen von berufsspezifischen Ausbildungsstätten und Berufsorganisationen. Rege Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bewarb die neuen Berufe – mit geschlechtsspezifischen Argumenten. Frauen schienen qua Geschlecht besonders geeignet für bestimmte Berufe. Ebenso spielte die Klassenzugehörigkeit eine wichtige Rolle.1

Der Gärtnerinnenberuf

Frauen aller Gesellschaftsschichten waren von jeher in gärtnerischen Bereichen tätig – sei es die (klein-)bürgerliche Hausfrau, die sich unentgeltlich zu selbstversorgerischen Zwecken im Hausgarten betätigte,2 oder die Proletarierin, die sich gegen für geringe Löhne als Hilfsgärtnerin, Blumenverkäuferin und Blumenbinderin häufig nur saisonbedingt verdingte,3 sei es die Frau aus Adel und Großbürgertum, die ihre Freizeit mit Botanisieren und Blumensammeln verbrachte,4 oder Frauen, die das seltene Privileg besaßen, in dem gärtnerischen Familienbetrieb des Ehemanns oder Vaters mitarbeiten zu können.5 Ihnen allen war jedoch eine spezifische Ausbildung, eine berufliche Profession, verwehrt. Erst mit dem Erstarken der bürgerlichen Frauenbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert rückte der Gartenbau in das Spektrum frauenbewegter Berufskämpfe.

Porträt von Elvira Kastner, ca. 1914

Mit der Gründung der ersten Gartenbauschule 1889 durch Hedwig Heyl in Berlin-Charlottenburg nahm das Vorhaben einer Berufsetablierung Gestalt an. Einen institutionellen Rahmen gewann der Gärtnerinnenberuf indes 1894, als Elvira Castner  (1844–1923) ebenfalls in Berlin eine Gartenbauschule gründete, die auf einem vollumfänglichen praktischen wie theoretischen Lehrkonzept fußte. Die zweijährige Ausbildung umfasste nicht nur gärtnerische Lehrinhalte, sondern war mit Chemie, Geometrie und Gesetzeskunde interdisziplinär ausgerichtet. Die Ausbildung, die mit einem Examen als Berufsgärtnerin abschloss, erfolgte unter Aufsicht einer staatlichen Prüfungskommission. Der erworbene Abschluss sollte den Schülerinnen ein recht breites Spektrum an Berufsoptionen bieten und Frauen dazu qualifizieren, sich mit einer eigenen Gärtnerei selbstständig zu machen, als Gärtnerinnen bei Privatleuten, in staatlichen Parkanlagen, in Sanatorien und Erziehungsheimen angestellt zu werden oder als Lehrerinnen an Gartenbau- oder Haushaltungsschulen zu arbeiten.  

Schülerinnen einer Mädchen-Gartenbauschule beim Umgraben, ca. um 1900

Als Akteurin der bürgerlichen Frauenbewegung konnte Elvira Castner auf ein reges Kontaktnetz zurückgreifen, welches sich als äußerst effektiv erwies: Finanzielle Unterstützung, Vereins- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Werbemaßnahmen in frauenbewegten Zeitschriften und Berufsratgebern trugen erheblich zu einer steigenden Schülerinnenzahl sowie zu weiteren Schulgründungen und Fortbildungsstätten  – häufig durch ehemalige Schülerinnen – bei. 

Jahrbuch des Bundes Deutscher Frauenvereine für 1916, hrsg. von Elisabeth Altmann-Gottheiner, Leipzig/Berlin 1916, S. 16

Mit dem Erfolg des Berufskonzepts Gärtnerin intensivierte sich die Diskussion über die sogenannte „Gärtnerinnenfrage“6. Waren Frauen überhaupt für die berufliche Tätigkeit im Garten geeignet?  

Gärtnerinnen zwischen Geschlechter- und Klassenfragen 

Um eine besondere Eignung von Frauen für den Gartenbau zu beweisen, berief sich die Frauenbewegung auf die Vorstellungen des patriarchalen Geschlechterkonzepts, gemäß dem Männern und Frauen spezifische Charaktereigenschaften zugewiesen wurden. Demnach galten Frauen als passiv, emotional, treusorgend und hatten einen Blick für alles Dekorative, für Schönheit und Ästhetik. 

Zudem wurde das Argument der „Geistigen Mütterlichkeit“ bemüht, welches besagte, dass alle Frauen, ob tatsächlich Mutter oder nicht, aufgrund ihres weiblichen Geschlechts mütterliche Eigenschaften besäßen.7 Gemäß diesen Vorstellungen seien Frauen wegen ihres „mütterlich sorgende Sinn, der jedem echte Weibe innewohnt“ für den Gärtnerinnenberuf besonders geeignet, da „die Heranzucht der Pflanzen ein hohes Maß von zarter Behutsamkeit, liebevoller Sorgfalt und duldsamer Pflege erfordert“8. Sodann „kommen in dem Beruf der Gärtnerin alle dem weiblichen Geschlecht als Vorzüge angerechneten Eigenschaften zur Geltung: Das Achten auf das Kleine, das liebevolle Vertiefen in die Bedürfnisse anderer […] und nicht zum mindestens der Sinn für Ordnung, Sauberkeit und Akkuratesse“, wie Anna Blum (1843–1917), Schriftführerin des badischen Frauenbildungsvereins, konstatierte.9

Die Auflistung dieser Eigenschaften zeigt deutlich die Orientierung an dem traditionellen Geschlechterbild der bürgerlichen Frau. Da der Gärtnerinnenberuf scheinbar genau diese Eigenschaften voraussetze, nämlich eine Fülle von „behutsamer Sorgfalt […], liebevollster Pflege“ und „manueller Geschicklichkeit“, stimme der Gärtnerinnenberuf mit der „weiblichen Anlage in glücklichster Weise“ überein.10  Viele Zweige der Gärtnerei verlangten gar „die Hand der Frauen, da diese […] einen feinen Schönheitssinn […] besitzen“11

Schülerinnen der Obst- und Gartenbauschule für Frauen gebildeter Stände in Marienfelde beim Jäten der Erdbeerbeete, ca. 1913

Bei allem Engagement der bürgerlichen Frauenbewegung richtete sich dieses Engagement ausschließlich an Frauen der eigenen Gesellschaftsschicht – an das Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum. Frauen der Arbeiterklasse sollten hingegen gezielt vom Gärtnerinnenberuf ausgeschlossen bleiben, um die Klassengrenzen zu wahren. Dies erfolgte durch gezielte Maßnahmen. So galt der Abschluss einer Höheren Töchterschule als Aufnahmebedingung für eine Gärtnerinnenausbildung in den reichsweit sich formierenden Gartenbauschulen. Zudem mussten die Schülerinnen respektive deren Familien über einen gewissen finanziellen Status verfügen, da die gesamte Ausbildung ca. 3.000 Mark kostete.12 Der Frage, ob die Tätigkeiten einer Gärtnerin für eine bürgerliche Frau zu schwer seien, entgegnete Elvira Castner im Rahmen eines Vortrags bewusst klassenselektierend: „Die so denken, denken dabei an Gartenarbeiterinnen, denen es obliegt, alle groben Handarbeiten im Garten zu verrichten. Das soll die Gärtnerin freilich nicht, […] sie soll aber die Arbeiterinnen anweisen können, wie eine Arbeit ausgeführt werden muß.“13  

Nicht nur zwischen der bürgerlichen Gärtnerin und der proletarischen Gartenarbeiterin taten sich Klassengräben auf. Gärtner, die zumeist ebenfalls der Arbeiterklasse und dem unteren Bürgertum entstammten, schalteten sich in die Debatte um den Gärtnerinnenberuf ein. In der bürgerlichen Gärtnerin eine Gefahr für ihre eigene berufliche Stellung sehend, bedienten sie sich ebenfalls einer geschlechterspezifischen Argumentationsweise. Diese Definition von Weiblichkeit schloss Frauen allerdings vom Beruf der Gärtnerin aus. Angeblich seien sie zu „schwach“. So sei „die weibliche Arbeitskraft wenig geschätzt, weil sie die körperlichen Anforderungen unseres Berufes nicht erfüllen kann“, wie Arthur Janson (1875–1937), langjähriger Gartendirektor und Gartenbaulehrer, behauptete.14 Zudem stelle der Gartenbau „ganz erhebliche Ansprüche an die Leistungen und die Widerstandskraft des Körpers“, welche Frauen nicht erfüllen könnten.15

Antifeminismus im Garten 

In der Diskussion über die Gärtnerinnenfrage stach das gärtnerische Fachjournal Möllers deutsche Gärtner-Zeitung ganz besonders hervor, das Karikaturen publizierte, die Gärtnerinnen verunglimpften. 

Beispielsweise wurde eine Frauengruppe gezeichnet, die gerade ihr Examen als Gärtnerinnen abgelegt hat. Gekleidet in unvorteilhafter, nicht zueinander passender Garderobe, vereinzelt in Männerkleidung, rauchend, trotzig dreinblickend, scheint die Botschaft hinter der Karikatur eindeutig: Weibliche Berufstätigkeit und noch dazu in Männerdomänen bedeute den Verlust von Schönheit, Eleganz, gar jeglicher Weiblichkeit. Auch Berufskollegen, die dem Gärtnerinnenberuf wohlwollend gegenüberstanden und als Prüfer die Gärtnerinnenexamen abnahmen, wurden in den Karikaturen verunglimpft.

Garten, Geschlecht und Klasse

Die „Gärtnerinnenfrage“ entpuppte sich, trotz aller besorgter oder spottender Kommentare als eine Mischung aus Konkurrenzangst, Klassenabgrenzung und Geschlechterkampf: Gärtner der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums fürchteten die Konkurrenz der dem gebildeten Bürgertum entstammenden Gärtnerin; die bürgerlichen Gärtnerinnen waren wiederum stets darauf bedacht, sich von der einfachen Gartenarbeiterin abzugrenzen.
Mit der Gärtnerinnenfrage wurden durch die frauenbewegten Akteurinnen nicht nur Möglichkeiten neuer Erwerbsfelder für bürgerliche Frauen geschaffen, sondern gleichsam Vorstellungen über die physische und psychische Konstitution von Weiblichkeit und Männlichkeit um 1900 sowie ebenso virulent Fragen von Klassenzugehörigkeiten ausgehandelt.
 

Veröffentlicht: 10. Februar 2025
Lizenz (Text)
Verfasst von
Dr. Mette Bartels

studierte Geschichte und Religionswissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen und promovierte am Lehrstuhl von Prof. Rebekka Habermas. Seit 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF). Forschungsschwerpunkte: Frauen- und Geschlechtergeschichte, Biografieforschung, Kolonialgeschichte, Historische Anthropologie.

Empfohlene Zitierweise
Bartels, Mette (2025): Damen im Beet. Die Etablierung des Gärtnerinnenberufs um 1900, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/damen-im-beet-die-etablierung-des-gaertnerinnenberufs-um-1900
Zuletzt besucht am: 18.03.2025
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Rechteangabe

Fußnoten

  1. 1

    Bartels, Mette: Garten, Gefängnis, Fotoatelier. Emanzipationsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich, Frankfurt a.M. 2024.

  2. 2

    Vgl. Habermas, Rebekka: Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750–1850), Göttingen 2000, S. 39–52. 

  3. 3

    Vgl. Donzel, Catherine: Geliebte Blumen. Eine Kulturgeschichte, Hildesheim 1998, S. 89 und S. 112–113.

  4. 4

    Vgl. Lanfranconi, Claudia: Gärtnern lassen! Die arkadischen Träume der Regentinnen, in: dies. / Frank, Sabine (Hg.): Die Damen mit dem grünen Daumen. Berühmte Gärtnerinnen, Berlin 2013, S. 19–45. 

  5. 5

    Vgl. Schekhahn, Anke: Spurensuche. Frauen in der Disziplingeschichte der Freiraum- und Landschaftsplanung 1700–1933, Kassel 2000, S. 25–26.

  6. 6

    Siehe zum Beispiel Janson, [Arthur]: Zur Gärtnerinnenfrage, in: Die Gartenwelt, 19. Jg., 1915, S. 350–351. Die Betitelung von gesellschaftlichen Debatten als „Frage“ war von den Zeitgenossen und Zeitgenossinnen eine gängige Praxis: Es gab beispielsweise die „Dienstbotenfrage“, die „Soziale Frage“, die „Frauenfrage“ etc.

  7. 7

    Zum Konzept der „Geistigen Mütterlichkeit“ siehe Sachße, Christoph: Mütterlichkeit als Beruf. Sozialarbeit, Sozialreform und Frauenbewegung 1871–1929, 2. Aufl., Opladen 1994; Stoehr, Irene: „Organisierte Mütterlichkeit“. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Hausen, Karin (Hg.): Frauen suchen ihre Geschichte, München 1983, S. 221–249.

  8. 8

    Niemer, Luise: Die Gärtnerin, Berlin 1921, S. 14.

  9. 9

    Blum, Anna: Der Obst- und Gartenbau als Frauenerwerb, in: Die Frau, 4. Jg., 1896, S. 119–122, hier S. 119.

  10. 10

    Wächtler, Anna Luise: Der Gärtnerinnenberuf, Leipzig 1913, S. 9.

  11. 11

    Cauer, Minna: Gartenschule für Frauen, in: Neue Bahnen, 24. Jg., 1889, S. 90–91, hier S. 91.

  12. 12

    Zum Vergleich verdienten beispielsweise Berliner Dienstmädchen – dort waren die Lohnsätze am höchsten – um 1900 bei freier Kost und Logis zwischen 150 und 200 Mark jährlich. Die Löhne von Fabrikarbeiterinnen lagen mit durchschnittlich 500 Mark zwar höher, allerdings mussten von diesem Verdienst die gesamten Lebenshaltungskosten bestritten werden; vgl. Frevert, Ute: Frauen-Geschichte. Zwischen bürgerlicher Verbesserung und neuer Weiblichkeit, Frankfurt a. M. 1986, S. 84–85.

  13. 13

    Castner, Elvira: Vortrag gehalten im Frauenverein in Stettin am 21. September 1894, in: Dies.: Zwei Vorträge über Obst- und Gartenbau. Ein Erwerbszweig für gebildete Frauen, Berlin 1895, S. 15–22, hier S. 17.

  14. 14

    Janson, [Arthur]: Die Frau im Gartenbau, in: Die Gartenwelt, 15. Jg., 1911, S. 238–239, hier S. 239.

  15. 15

    Jung, H.[ermann] R.[obert]: Die Betätigung der Frau als Gärtnerin, in: Die Gartenflora, 65. Jg., 1916, S. 174–178, hier S. 176. 

Ausgewählte Publikationen