Verschwiegene Gewalt – der Kampf für Betroffenenschutz
In den 1960er-Jahren kommen in der BRD im Zuge der Strafrechtsreform zahlreiche sexualstrafrechtliche Regelungen auf den Prüfstand. Zeitweise steht dabei auch die Abschaffung des Inzest-Paragrafen im Raum. Auch über die Möglichkeit der Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern wird damals bis in zahlreiche progressive Verbände und Parteien hinein ernsthaft diskutiert. Erst die Frauenbewegung schafft ein starkes Korrektiv, verschafft vor allem den Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Kindheit eine Stimme, schafft wichtige Anlaufstellen zur Selbsthilfe und neue Therapiemöglichkeiten. Außerdem ist sie entscheidend an der Entwicklung präventiver Maßnahmen beteiligt.
Dazu hat der FrauenMediaTurm – Feministisches Archiv und Bibliothek (FMT) 2023 für das Digitale Deutsche Frauenarchiv Materialien gesichert und digitalisiert sowie Interviews geführt. Unter dem Titel „Verschwiegene Gewalt: Der Kampf gegen sexualisierten Kindesmissbrauch als Aktionsfeld der Neuen Frauenbewegungen“ stand dabei vor allem die Auseinandersetzung mit den wichtigen Initiativen wie Zartbitter und Impulsen der autonomen Frauenbewegung in diesem Kampf im Zentrum.
Besonders Berücksichtigung kam im Projekt auch dem Kontext dieser Dokumente zu. So wurden Interviews zu den sensiblen Debatten um Sexualität, Pädophilie und Missbrauch in den 1960er- bis 1980er-Jahren geführt und zentrale Texte und Forschungsbeiträge erschlossen. Neben AkteurInnen aus der Sexualforschung stellt der FMT mit dem Projekt Pionierinnen vor, die sich um Aufklärung von und Hilfe bei sexualisierter Gewalt in der Kindheit verdient gemacht haben, wie zum Beispiel Elisabeth Trube-Becker, studierte Medizinerin und erste weibliche Inhaberin einer Professur für Rechtsmedizin in Deutschland, Christina Gelbhardt von der Initiative Zartbitter in Münster und Alice Schwarzer, Journalistin und Herausgeberin der EMMA. Dieses nach wie vor wenig thematisierte und archivarisch nur lückenhaft dokumentierte Kernthema der Neuen wie Historischen Frauenbewegung ist aber noch lange nicht ausreichend erarbeitet – es bleibt viel zu tun.
Der FMT besteht seit 1984, damals noch in Frankfurt unter dem Namen „Das feministische Archiv und Dokumentationszentrum“, ab 1988 in Köln. Die Einrichtung sammelt und forscht zum radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung, zur autonomen Frauenbewegung und zu Pionierinnen verschiedener Epochen. Neben den archivarischen Sammlungen unterhält der FMT eine umfangreiche Spezialbibliothek.
Das DDF-Projekt ist am 1. Januar 2023 gestartet und hatte eine Laufzeit von 12 Monaten. Der FMT erschloss im Rahmen des Projekts Unterlagen feministischer Initiativen und Beratungsstellen, Dokumente aus der Sexualforschung und führte Interviews mit ZeitzeugInnen aus Beratungsstellen, der feministischen Publizistik und der Sexualforschung durch.
Ausgewählte Beiträge vom FMT im DDF: