Spotlight auf die Mütterzentrumsbewegung – der Nachlass von Monika Jaeckel
Im Januar 2020 findet der Nachlass von Monika Jaeckel (1949–2009) über ihre Witwe Marieke van Geldermalsen Eingang in zwei feministische Erinnerungseinrichtungen in Berlin. Bereits 2009 ist Jaeckel an einer Krebserkrankung verstorben. In einer gemeinsamen Aktion überführen das feministische Archiv FFBIZ und der Spinnboden, Lesbenarchiv und -bibliothek, den Nachlass aus den Niederlanden nach Deutschland. Dabei übernimmt der Spinnboden einen Teil des Nachlasses mit Materialien insbesondere zur Hochzeit und zum Privatleben von Jaeckel. Ein weiterer Teil mit einem Schwerpunkt auf ihre berufliche Laufbahn geht an das FFBIZ über, welches diesen nun im Rahmen eines vom DDF geförderten Digitalisierungsprojekts bearbeitet.
Vielfältiger Aktivismus: Rockmusik und Mütterzentrumsbewegung
Monika Jaeckel studiert zunächst in Tübingen, dann in Frankfurt am Main, wo sie in den 1970er-Jahren Teil der Studierendenbewegung und des Häuserkampfes wird. Sie engagiert sich antikapitalistisch und arbeitet und agitiert in diesem Rahmen ein Jahr bei Opel in der Produktion. Nach eigenen Erfahrungen mit sexistischen Strukturen in der Studierendenbewegung schließt sie sich der autonomen Lesben- und Frauenbewegung an. Aus dieser Zeit sind leider nur vereinzelte Materialien wie Flugblätter und Zeitschriften im Nachlass enthalten. Bekannt wird Jaeckel unter anderem als Sängerin der Flying Lesbians, einer der ersten Frauenrockbands in Europa und lesbisch-feministische Kultband. Auch hierzu sind nur vereinzelt Materialien überliefert.
Darüber hinaus kommt ihrem Nachlass besondere Bedeutung zu, da er einen bisher wenig beachteten Teil feministischer Bewegungen dokumentiert: die Mütterzentrumsbewegung. Inhaltlich verbunden mit der ebenfalls noch recht wenig untersuchten Mütterbewegung der 1980er-Jahre will die Mütterzentrumsbewegung mit dem bundesweiten Aufbau von Mütterzentren ganz praktisch gegen die Isolation von Müttern in der Gesellschaft vorgehen. Mutterschaft und das damit verbundene Wissen sollen aufgewertet werden. Weil Monika Jaeckel selbst als Forscherin an der Entwicklung des Konzepts der Mütterzentren beteiligt ist, dokumentiert ihr Nachlass sowohl den Beginn der Bewegung als auch eine spätere internationale Vernetzung von Mütterzentren untereinander und mit anderen frauenbewegten ‚Grassroots‘-Organisationen.
Herausforderung der Strukturfindung im Nachlass
Eine besondere Herausforderung in der Bearbeitung des Nachlasses ist dessen Strukturierung. Zwar ist das Material überwiegend in beschrifteten Aktenordnern übernommen worden. Bei der Erschließung stellt sich allerdings schnell heraus, dass die Beschriftung in vielen Fällen nicht dem konkreten Inhalt entspricht. Teilweise bündeln die Ordner lose, inhaltlich nicht miteinander verbundene Materialien. Es muss daher nachträglich eine behutsame Strukturierung geleistet werden. Die lose Fotosammlung wird durch zeitintensive, mühevolle Recherchen thematisch sortiert. Eine weitere Herausforderung bildet die Sammlung digitaler Daten(träger), welche in Langzeitspeicherformaten gesichert und erschlossen werden müssen.
Das FFBIZ wird 1978 in Berlin gegründet und gehört zu den größten Archiven seiner Art im deutschsprachigen Raum mit den Sammlungsschwerpunkten Feminismus, internationale Frauenbewegung und Geschlechtergeschichte.
Das DDF-Projekt vom FFBIZ ist am 1. Januar 2023 gestartet und hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Es umschließt die Erfassung des im FFBIZ vorliegenden Nachlassanteil von Monika Jaeckel sowie eine Digitalisierung der enthaltenen Audios und Videos. Als Zeugnis der autonomen Lesben- und Frauenbewegungen entsteht neben einem Essay zum Nachlass eine Folge für den FFBIZ-Podcast „Feministories“ mit dem Fokus auf die Mütter(zentrums)bewegung.
Ausgewählte Beiträge vom FFBIZ im DDF: