„Ich verstehe unsere Arbeit auch als Zurückgeben“

veröffentlicht 19. Juli 2022
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Woher kennst du das DDF?

Zum ersten Mal begegnet ist mir das DDF mit der Sommeruni 2019 in Leipzig. Da habe ich mitbekommen, dass es das DDF gibt und auch recherchiert, was das DDF eigentlich ist und macht. Ich fand das sofort sehr spannend. Leider konnte ich aufgrund von Arbeit und anderen Verpflichtungen nicht zur Sommeruni gehen, sondern nur verfolgen, was passiert. Das finde ich bis heute schade, aber das DDF habe ich seither im Blick.

Du hast im Juni hier angefangen. Wie war deine erste Zeit?

Fordernd und voller positiver Überraschungen, würde ich sagen. Ich empfinde das DDF als ein ganz offenes, freundliches und sehr kollegiales Umfeld. Die Zusammenarbeit klappt hier wirklich gut und das gute Klima stimmt mich positiv. Das Thema Arbeit wird hier auch sehr politisch angegangen, es wird ausgehandelt, wie wir zusammenarbeiten wollen und wie mit Hierarchien umgegangen wird. Fordernd ist meine Zeit bisher gewesen, da ich den Bereich der Rechteklärung übernommen habe und diese in Bezug auf Digitalisierung ein schwieriges Feld ist. Digitalisierung und Internet decken sich nicht mit den Ursprüngen des Urheber*innenrechts und beide Felder sind immer in Bewegung. Da muss man viele Dinge bedenken und mitbekommen und tief eintauchen, um es gut zu machen.

Laura Salewski steht vor einer bunten Hauswand und lächelt in die Kamera.

Du hast Kunstgeschichte und Philosophie studiert und schließt aktuell dein Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft ab. Wie kommst du zu dieser Kombination und was sind deine bisherigen beruflichen Stationen?

Die Philosophie ist meine Herzensangelegenheit und auch wenn ich das jederzeit wieder studieren würde, habe ich nach meinem Abschluss gemerkt, dass es keine institutionalisierte Philosophie gibt. Da musste ich gucken, wie ich mich beruflich orientieren möchte. Nach dem Studium bin ich im Archiv- und Bibliothekskontext gelandet. Ich habe schnell gemerkt, dass ich gerne in diesen Zusammenhängen arbeiten möchte und dass dafür aber eine Spezialausbildung nötig ist, die ich jetzt seit 2020 studiere.

Mein erstes Projekt an der Universitätsbibliothek Leipzig war ein Ausstellungsprojekt zu frühen Drucken, das in Kooperation mit der Stadtbibliothek in Lyon umgesetzt wurde. Dies war auch eine Arbeit am Material und beinhaltete zum Beispiel die Gutenbergbibel im Original – solche Drucke haben mich für Objekte begeistert. Da ich mich in meinem Studium viel mit Fotografie beschäftigt habe, konnte ich daran ein wissenschaftliches Volontariat im Stadtarchiv Leipzig anschließen, in dem es um die Erschließung eines Fotobestandes ging. Das war auch eine tolle Erfahrung, da ich in verschiedene Bereiche der Archivarbeit, das heißt Erschließung, Bestandserhaltung und auch Rechteklärung, reindenken konnte. Danach habe ich wieder an der Universitätsbibliothek Leipzig gearbeitet. Diesmal in einem Forschungsprojekt zu Bibliotheksgeschichte beim Direktor der Bibliothek. Ich kann mich sehr für Archiv- und Bibliotheksarbeit begeistern.

Was verbindet dich mit der Frauenbewegung und deren Geschichte?

Ich würde sagen, ich bin schon immer persönlich feministisch bewegt gewesen. Leipzig, mein Studienort ist dafür eine tolle Stadt, weil es hier sowohl eine feministische Bibliothek als auch viele tolle Initiativen und Projekte gibt. In meinem Philosophiestudium habe ich mich auch theoretisch mit Feminismus auseinandergesetzt. Feministische Positionen einzunehmen, hat für mich etwas mit Selbstverständnis und Selbstaufklärung zu tun. Speziell das Nachdenken über Frauen*bewegungsgeschichte und Bibliotheken oder Archive ist auch Trauerarbeit –, ich denke zum Beispiel an die potenzielle geniale Schwester von Shakespeare, über die Virginia Woolf schreibt. So viele Personen tauchen in den Materialen und der Geschichte überhaupt nicht auf! Und das ist vielleicht auch der Grund, weshalb es Frauen*initiativen, -bibliotheken, -archive und das DDF gibt und ihre Arbeit auch heute so wichtig ist: Hierauf muss erst einmal der Blick gerichtet werden, Dinge ausgebuddelt und andere Perspektiven freigelegt werden. Ich denke, diese Lücke prägt unser Denken, Fühlen und Handeln bis heute.

Du arbeitest aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Rechteklärung. Worin besteht deine konkrete Aufgabe?

Die Rechteklärung ist eine Beratungsstelle für die vom DDF geförderten Projekte und auch alle anderen Einrichtungen des i.d.a.-Dachverbands. Wenn die Archive zum Beispiel ihre Bestände bzw. Teile davon im DDF online digital zugänglich machen wollen, wie im Rahmen der Projekte, müssen sie eine Rechteklärung durchführen. Dies betrifft die Frage, wie diese Materialien genutzt werden können und tangiert unterschiedliche Gesetze wie das Urheber*innengesetz oder das Kunsturheber*innengesetz, aber auch Persönlichkeitsrechte oder die Datenschutz-Grundverordnung. Dabei unterstütze ich sie. Im Moment versuche ich noch, meine Workflows zusammenzubauen und Kontakte herzustellen.

Worauf freust du dich in der nächsten Zeit?

Dass man feministische Arbeit in etwas umsetzen kann, das im Außen wirksam ist, finde ich ganz toll. Das Recht ist insofern eine dankbare Sache, als dass man sich mit analytischem Verständnis in diesem recht logischen System gut orientieren kann. Die Detektivarbeit der Rechteklärung macht mir außerdem Spaß. Dabei freue ich mich auf die Zusammenarbeit im DDF und die spannenden Projekte, sowohl die laufenden als auch jene, die gerade in der Antragsphase sind und nächstes Jahr durchgeführt werden. In besonderer Weise interessant sind für mich dabei auch die Materialien: Es gibt in den Institutionen des i.d.a.-Dachverbandes so viele Flyer und Graue Literatur, die ganz unbekannt sind. Das berührt mich, weil es Engagement und Energie von Frauen* vor uns sind, die in die Bewegung geflossen sind, die uns an den Punkt gebracht haben, an dem wir heute stehen. Insofern verstehe ich unsere Arbeit auch ein stückweit als ein Zurückgeben und ich hoffe, dass wir damit viele erreichen können. Ehrlich gesagt macht es mich auch froh, wieder Berlin-assoziiert zu sein. Ich komme aus Berlin und es macht mich glücklich, dass ich ab und zu wieder hinfahren darf.

 

Stand: 19. Juli 2022

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