Gewaltvolles Erbe? Zur Entstehung der ostdeutschen Frauenhausbewegung
Die MONAliesA in Leipzig bearbeitet in ihrem aktuellen DDF-Projekt Materialien zu partnerschaftlicher Gewalt an Frauen in der DDR und der daraus entstandenen Frauenhausbewegung in Ostdeutschland nach 1989/90. In ihren Beständen befinden sich zu diesem auch aktuell besonders relevanten Thema noch unerschlossene Materialien. Zusätzlich konnten durch gezielte Aufrufe über die Sozialen Medien weitere Materialien akquiriert werden.
Auch in der DDR erfuhren Frauen häusliche Gewalt. Gesellschaftlich und von staatlicher Seite aus stark tabuisiert gibt es bis heute keine konkreten Zahlen zum Thema. Diese schwierige Datenlage und fehlende Analyse und Anerkennung irritieren, stehen sie doch der in der DDR verfassungsrechtlich verankerten Gleichberechtigung der Geschlechter grundlegend entgegen.
Zwar können sich von Gewalt betroffene Frauen in der DDR schneller scheiden lassen als in der BRD, die auch nötige räumliche Trennung wird jedoch durch den bestehenden Wohnungsmangel nicht selten verwehrt. Vereinzelt existieren in der DDR auch inoffizielle Hilfsangebote, das Tabu der „häuslichen Gewalt in der sozialistischen Kleinfamilie“ führte jedoch dazu, dass es keine Einrichtungen des Gewaltschutzes gibt.
Der Umbruch 1989/90 bietet die Chance für Aktivistinnen, Einrichtungen zu gründen. Erste Frauenhäuser entstehen schnell, auch in der Provinz. Bestehende Kontakte zur Frauenhausbewegung in der BRD werden intensiviert, man trifft sich regelmäßig. Die Landschaft der Frauenhäuser bleibt überschaubar: Gerade in kleineren Städten müssen viele Einrichtungen aufgrund von Sparmaßnahmen schnell wieder schließen. Auch ihrer Geschichte widmet sich das aktuelle DDF-Projekt von MONAliesA und ermöglicht darüber eine weiterführende Auseinandersetzung mit dieser noch jungen feministischen Geschichte. Um mehr über die Situation und das Erleben von Gewalt betroffenen Frauen und auch ihren Kindern in der DDR zu erfahren, führt die MONAliesA Audio-Interviews mit Zeitzeuginnen. Zu Wort kommen Frauen aus Sachsen sowie Mecklenburg-Vorpommern. Dabei wird auch die Perspektive von Kindern in von Gewalt betroffenen Familien abgebildet. Auch feministische Aktivistinnen und Frauenhausgründerinnen wie Vera Fünfstück und Gabi Eßbach werden zu ihrer Perspektive interviewt.
Die MONAliesA wurde 1990 als erste Frauenbibliothek in den neuen Bundesländern gegründet. In der Bibliothek, im eigenen Archiv und in ihren Veranstaltungen widmet sie sich der Vielfalt feministischer Ideen und Konzepte sowie dem reichhaltigen Erbe von Frauen, Lesben, queeren, trans und inter Personen in Politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. Dieser Dreiklang ist ein historisches Spezifikum der (deutschsprachigen) Frauen- und Lesbenbibliotheken und -archive: Bewusst wurden diese Bereiche in ein und derselben Einrichtung zusammengeführt, um das Erinnern und Erforschen von Frauen*bewegungsgeschichte(n), politische Bildung und feministische Mobilisierung umfassend zu ermöglichen. Der Buch- und Archivbestand ist historisch gewachsen und spiegelt alte und neue Themen der verschiedenen feministischen Strömungen wider. Das Archiv widmet sich der wichtigen Aufgabe der Bewahrung von Geschichte derer, die in der Geschichtsschreibung marginalisiert oder ausgeschlossen wurden und werden.
Die DDF-Projektförderung 2024 von MONAliesA ist am 1. Januar gestartet und hat eine Laufzeit von zwölf Monaten. Es werden Bestände gesichtet, katalogisiert, in Teilen digitalisiert und Rechte geklärt. Außerdem werden Interviews mit Zeitzeuginnen geführt sowie Essays zu dem Thema Gewalt gegen Frauen in der DDR verfasst. Zudem entsteht unter anderem eine digitale Broschüre über die Projektergebnisse und es fand eine Veranstaltung statt zum Thema „Häusliche Gewalt bekämpfen“.
Ausgewählte Inhalte von MONAliesA im DDF: