Frauen in die Parlamente!

veröffentlicht 26. Oktober 2021

Dass mit der heutigen konstituierenden Sitzung zum 20. deutschen Bundestag von 736 Abgeordneten 256 Frauen im Parlament vertreten sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Bis zum Erhalt des Wahlrechts 1918 konnten sich Frauen nur eingeschränkt politisch betätigen, von den ‚hohen‘ politischen Ämtern in Parlamenten und Regierungen waren sie bis dahin ausgeschlossen. Es ist auch den Akteur*innen der bürgerlichen wie sozialistischen Frauenbewegungen und ihrer Fürsprecher*innen zu verdanken, dass starre Geschlechterordnungen Anfang des 20. Jahrhunderts aufgebrochen wurden und sich Frauen auch heute politisch artikulieren und betätigen können.

Von Einzelkämpferinnen zur Bewegung

Bis heute wird eine kritische gesamtgesellschaftliche Veränderung stets von marginalisierten Gruppen angestoßen. Die vielen und wichtigen Protagonist*innen der Frauen- und Lesbenbewegungsgeschichte werden im stetig wachsenden Akteur*innen-Netzwerk des DDF vorgestellt. Darunter finden sich zahlreiche Pionier*innen, die als jeweils erste Frau in ihrem Bereich aktiv wurden – und damit auch grundsätzlich für Demokratie, Teilhabe und Gleichberechtigung eintraten.

Helene Lange kämpfte für das Frauenstimmrecht und eröffnete 1919 als erste Alterspräsidentin eines deutschen Parlamentes in Hamburg die Bürgerschaftssitzung. Auch Marie Juchacz schrieb Geschichte, als sie 1919 als erste Frau im Reichstag eine Rede hielt – sie kämpfte für die Gleichberechtigung der Frauen und später die Reform des § 218. „Aus der vereinzelten Kritik an der Situation von Frauen wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Frauenbewegung“, schreibt Prof. Dr. Angelika Schaser im DDF. Und die vielen ersten Male und Ämter, errungen von den frauen*politischen Vorkämpferinnen, ebneten den Weg für nachfolgende Generationen.

Weibliche Reichstagsabgeordnete der 3. Wahlperiode (1924 bis 1928), u. a. Gertrud Bäumer, Marie Juchacz, ca. 1924.
John Graudenz / AddF
Quelle
Quelle: Sellheim, Hugo: Hygiene und Diätetik der Frau, München 1926, S. 326
Lizenz
Rechteangabe
  • John Graudenz / AddF
  • Quelle: Sellheim, Hugo: Hygiene und Diätetik der Frau, München 1926, S. 326
  • Gemeinfrei
Weibliche Reichstagsabgeordnete der 3. Wahlperiode (1924 bis 1928), u. a. Gertrud Bäumer, Marie Juchacz, ca. 1924.
 

Ämter, Gesetze und immer Bewegung

Dieser sollte jedoch noch lange steinig bleiben. Nach dem verheerenden antidemokratischen Kahlschlag der NS-Zeit waren auch die junge BRD und DDR von patriarchaler, teils antifeministischer Politik geprägt. Vor diesem Hintergrund sind die Erfolge von einzelnen Akteur*innen, entstandenen Vereinen, Initiativen und Medien sowie nicht zuletzt der sich stets wandelnden Frauen- und Lesbenbewegungen nicht hoch genug zu schätzen. Es ist das Engagement dieser vielen Frauen* das die heutige Demokratie maßgeblich mitgestaltet hat. In den Parlamenten, Strukturen und Institutionen, durch entsprechende Gesetzgebung und außerparlamentarische Bewegung.

Plakat FRAUEN konsequent ins Parlament, Kiel 1987.
Quelle
FFBIZ
Lizenz
Plakat FRAUEN konsequent ins Parlament, Kiel 1987.

Auch 1989/90 hegten viele Frauen* die Hoffnung auf eine neue Verfassung, die Frauen* in ihren Rechten stärken sollte und setzten sich – in Ost und West – für einen demokratischen Neubeginn und Aufbruch ein. „Möglicherweise hat auch die Erfahrung, dass ihnen eine geschlechtergerechte Verfassung auf Länder- und Bundesebene verwehrt wurde, viele Frauen* von der politischen Arbeit abgeschreckt“, heißt es noch 2020 in einem DDF-Essay von Sarah Thomas. „In keinem deutschen Parlament ist eine 50-prozentige Teilhabe von Frauen* festzustellen. Während im Bundestag der Frauenanteil 2016 immerhin noch bei 36,6 Prozent lag, ist ein Absinken der Zahlen zu beobachten, je regionaler die Ebene wird“, heißt es weiter.  

Parität bleibt Forderung

Hochaktuell ist die öffentliche Debatte um die Besetzung des zweithöchsten Staatsamtes. In über 70 Jahren der Geschichte des Bundestages wurde dieser lediglich von zwei Frauen geleitet: Dr. Annemarie Renger und Prof. Dr. Rita Süssmuth. Erst auf Druck feministischer, frauen- und gleichstellungspolitischer Organisationen innerhalb und außerhalb des parlamentarischen Raums konnte die SPD-Politiker Bärbel Bas für das Amt vorgeschlagen werden. Mit 576 von 724 abgegebenen Stimmen wurde sie heute nun als dritte Frau in der Geschichte ins Amt gewählt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth auf dem Podium der Feministischen Sommeruni 2018 in Berlin, organisiert vom DDF.
Tanja Schnitzler / Digitales Deutsches Frauenarchiv
Lizenz
Prof. Dr. Rita Süssmuth auf dem Podium der Feministischen Sommeruni 2018 in Berlin, organisiert vom DDF.
Bärbel Bas (SPD) spricht nach ihrer Wahl zur Bundestagspräsidentin bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags, 26.10.2021.
picture alliance/dpa | Britta Pedersen
Lizenz
Bärbel Bas (SPD) spricht nach ihrer Wahl zur Bundestagspräsidentin bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags, 26.10.2021.

Dass mit der heutigen konstituierenden Sitzung zum 20. Deutschen Bundestag von 736 Abgeordneten 256 Frauen* im Parlament vertreten sind und dieses nun von einer Frau geleitet wird, ist also weder selbstverständlich noch genug. Dementsprechend forderte der Deutsche Frauenrat nicht nur die Besetzung für eines der wichtigsten politischen Ämter eine Frau, sondern auch die Einführung eines Paritätsgesetzes auf Bundesebene. „Ohne Parität bleibt die Demokratie unvollendet“, konstatiert dieser. Das DDF unterstützt diese Forderung vollumfänglich.

Auswahl weiterführender Texte im DDF:

Stand: 26. Oktober 2021

Verwandte Themen