
Über Margarete Berent
Herkunft, Schulbildung und Studium
Margarete Berent wurde am 9. Juli 1887 in Berlin geboren. Sie wuchs in einer jüdischen Kaufmannsfamilie mit bildungsbürgerlichem Hintergrund auf, ihre Eltern waren Natalie (geb. Gabriel) und Max Berent. Ihr Bruder Hans und seine Familie wurden im KZ Auschwitz ermordet.
Von Margarete Berent ist wenig Biografisches zu ihrem Lebenslauf bekannt, in ihrem Nachlass im Leo Baeck Institut in New York finden sich keine privaten Briefe, keine persönlichen Dokumente, nur ausbildungsbezogene Unterlagen, Zeugnisse, Gutachten, Urkunden, engagierte Aussagen von Weggefährtinnen und Zeitgenossen.1 Sie ging zunächst einen der wenigen für bürgerliche Mädchen Anfang des 20. Jahrhunderts möglichen Wege, um eine Berufsqualifikation zu erreichen: Sie legte das Examen für Lehrerinnen an mittleren und höheren Mädchenschulen ab. Anschließend arbeitete sie an der Kollmorgen’schen höheren Mädchenschule als Lehrerin und bereitete sich parallel in Gymnasialkursen für Frauen auf das Abitur vor, das sie 1910 am Königstädtischen Realgymnasium ablegte. Zwei Jahre nach der Öffnung der preußischen Universitäten für Frauen studierte sie fünf Semester Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin, wo im März 1912 ihr Gesuch um Zulassung zum Ersten Juristischen Staatsexamen abgelehnt wurde, da zu dieser Zeit Frauen in Preußen zu juristischen Staatsprüfungen und zum juristischen Vorbereitungsdienst nicht zugelassen waren. Sie ging nach Bayern an die Universität in Erlangen und schloss hier ihr Studium 1913 mit einer Promotion zum Dr. jur. und einer Dissertation (Prädikat magna cum laude) über Die Zugewinngemeinschaft der Ehegatten ab. Das Werk hat 1958 in der Bundesrepublik Deutschland den Grundstein für die Neuordnung des ehelichen Güterrechts, auf der Grundlage strikter Gleichberechtigung, gelegt.2 „In der Zugewinn- oder – wie der damals übliche Terminus lautete – Zugewinnstgemeinschaft sieht Margarete Berent das einzige praktikable demokratische Modell eines ehelichen Güterrechts, das der Gleichheit der Ehegatten gerecht wird.“3
Die weiteren regulären Ausbildungsetappen zur Volljuristin waren Margarete Berent zunächst verschlossen, im Deutschen Kaiserreich erhielten Frauen keinen Zugang zu juristischen Berufen wie Richterin oder Anwältin. Sie arbeitete ab 1914 als juristische Hilfskraft in verschiedenen Anwaltsbüros, als Leiterin der Charlottenburger Rechtsschutzstelle für Frauen, vertrat Anwälte während Krankheitsphasen oder Kriegsdienstzeiten, war Dezernentin der Adoptionsstelle der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge und aktiv in der Freiwilligen Kriegsfürsorge, arbeitete im Juristischen Büro der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG) in Berlin und schrieb juristische Fachbeiträge.
Im Dezember 1919 legte Margarete Berent, nachdem Preußen Frauen zur Ersten Juristischen Staatsprüfung zuließ, das Referendarexamen mit der Note ‚gut‘ ab, Anfang 1925 folgte, nach weiterer langer Wartezeit, die Große Staatsprüfung. Sie wurde Assessorin und erhielt am 7. März 1925 – inzwischen 38 Jahre alt – die Zulassung als Rechtsanwältin beim Amtsgericht Berlin Mitte und beim Landgericht Berlin. Margarete Berent ließ sich als eine der ersten Anwältinnen Preußens nieder und machte sich einen Namen als Spezialistin für Familien- und Handelsrecht. 4 Gemeinsam mit Marie Munk, die als Richterin arbeitete, zählt sie zu den Pionierinnen im Bereich der Rechtswissenschaften.
Engagement für die Rechte von Frauen und in der Frauenbewegung
Nach ihrem Studium begann Margarete Berent, sich aktiv in der Frauenbewegung zu engagieren und fiel hier durch ihren „starken Feminismus und Aktionismus“5 auf. Dazu schrieb ihre Freundin, die Journalistin Hildegard Walter: „Margarete Berent galt in den weiten Kreisen der Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung der Frau als ein leuchtendes Beispiel, einmal, weil ihre fachlichen Leistungen auch von überzeugten männlichen Gegnern des Prinzips mit besonderem Nachdruck anerkannt und gerühmt wurden, und zweitens, weil sie den Frauenorganisationen, die auf diesem Gebiet tätig waren, die wertvollsten ehrenamtlichen Dienste leistete.“6
Margarete Berent sah für Anwältinnen zwei zentrale Aufgaben: Frauen zu beraten und den Bedürfnissen von Frauen in der Gestaltung des Rechts Ausdruck zu geben. Für eine weitergehende Umsetzung war sie in zahlreichen Organisationen vertreten. So gründete sie 1914 nach ihrer Promotion in Berlin mit Margarete Meseritz, Marie Munk und Marie Raschke den Deutschen Juristinnenverein, der 1919 die Zulassung für Frauen zu juristischen Examina bewirkte und Vorläufer des Deutschen Juristinnenbundes (DJB) ist. Margarete Berent war von 1917 bis 1919 Schatzmeisterin und von 1921 bis 1933 Vorsitzende des Vereins. Sie spezialisierte sich beruflich auf das Ehegüterrecht, gemeinsam mit Marie Munk erarbeitete sie Reformforderungen zum Ehe-, Ehegüter-, Familien- und Nichtehelichen-Recht in der Weimarer Republik. Und sie engagierte sich in der Jüdischen Gemeinde Berlins und im Landesverband Preußischer Synagogengemeinden.
Von 1919 bis 1929 unterrichte Margarete Berent Familienrecht und Jugendfürsorge an der von Alice Salomon gegründeten Sozialen Frauenschule in Berlin-Schöneberg. 1920 leitete sie hier einen Sonderlehrgang für Arbeiterinnen zur Ausbildung in der Wohlfahrtspflege im Auftrag des Ministeriums für Volkswohlfahrt. Von 1926 bis 1933 war sie Dozentin an der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit für den Bereich Allgemeine Rechtsfragen, insbesondere für die Themen Familienrecht, Mutter- und Kinderschutz. Mit Frieda Wunderlich und Siddy Wronsky gestaltete sie das Gebiet ‚rechtlicher und sozialpolitischer Schutz‘. Zwischen 1921 und 1927 war Margarete Berent Mitglied im Gesamtvorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF), und 1926 gründete sie unter anderem mit Agnes von Zahn-Harnack und Marie Elisabeth Lüders den Deutschen Akademikerinnenbund. 1928 wurde sie Mitgründerin der International Federation of Female Lawyers and Judges.
Von 1928 bis 1933 war sie im Vorstand des von Anna Pappritz geleiteten Bundes für Frauen- und Jugendschutz und im Vorstand des Jüdischen Frauenbundes, den sie im Bund Deutscher Frauenvereine vertrat. Im Mai 1933 gehörte sie zu den Unterzeichnerinnen der Austrittserklärung des Jüdischen Frauenbundes aus dem BDF. Zu ihrer Vielzahl an Aktivitäten gesellte sich von 1928 bis 1933 die Mitgliedschaft im ‚Ausschuß für Eheberatung und -güterrecht des Frauenberufsamtes‘ im BDF, und 1929 wurde sie Mitglied im Ehrenbeirat des XI. Kongresses des Weltbundes für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Frauenarbeit in Berlin. 1931 wurde sie Mitglied im Beirat und engeren Vorstand des BDF.
Verfolgung, Vertreibung und das Exil in New York
Am 23. Juni 1933 wurde Margarete Berent wegen ‚nicht arischer Abstammung‘ aus der Anwaltskammer Berlin ausgeschlossen und als jüdischer Anwältin wurde ihr die Zulassung entzogen. Sie verlor ihre Funktion als Vorsitzende im Deutschen Juristinnenverein und ihre Lehrtätigkeiten und verstärkte ihr Engagement im Jüdischen Frauenbund.7 Nach dem Verbot ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin arbeitete sie ab Sommer 1933 in der Zentralstelle für jüdische Wirtschaftshilfe, sie führte hier Rechtsberatungen durch und leitete das Ressort Frauenfragen und Frauenberufe. Von Oktober 1933 bis 1939 war sie für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland tätig, die sie seit ihrer Niederlassung als Anwältin beratend begleitet hatte. Sie ging als Provinzialfürsorgerin für die Rheinprovinz in der Zentralwohlfahrtsstelle der Reichsvertretung der Juden nach Köln und betreute hier Auswanderungswillige, Jugendliche in Konfliktsituationen, kranke und alte Menschen, organisierte für berufstätige Frauen Abendkurse und Weiterbildungsangebote. „In dieser Berufsarbeit hatte sie Gelegenheit, nicht nur in rechtlichen Fragen, sondern oft auch in fürsorgerischer Hinsicht einen großen Menschenkreis zu beraten.“8 Ab Ende 1933 war sie neben dem Gesamtvorstand im Jüdischen Frauenbund auch im Vorstand der Kölner Ortgruppe aktiv.
Seit August 1938 bemühte sich Margarete Berent angesichts der zunehmenden Bedrohungen um die Emigration in die USA. „Die Verfolgungsmaßnahmen verstärken sich […] Die Kombination der verschiedenen Maßnahmen, der ständige Druck und die Furcht, daß weitere und immer schlimmere Maßnahmen folgen würden, machten das Leben unerträglich.“9 Erst im November 1939, nach Kriegsbeginn, gelang es ihr, Deutschland zu verlassen. Sie reiste zunächst nach Chile, bevor sie im Sommer 1940 ein Visum für die USA erhielt. Da ihr Studium nicht in den USA anerkannt wurde, absolvierte sie ab 1942 an der New York University ein Abendstudium und finanzierte ihren Lebensunterhalt als Büro- und Rechtsanwaltsgehilfin, Stubenmädchen und Haushälterin. 1949 erhielt sie ihre Zulassung zur Anwaltskammer und wurde, bereits 62 Jahre alt, wieder als Rechtsanwältin tätig. In den Jahren 1956 bis 1965 arbeitete sie in der Rechtsabteilung der Stadtverwaltung von New York.
Margarete Berent kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück. Sie starb am 23. Juni 1965 in New York.
Zur Bedeutung Margarete Berents
Margarete Berent war „Rechtsspezialistin der Frauenbewegung“10, Kämpferin für die Rechte und Interessen von Frauen und setzte diese als Rechtsanwältin, Dozentin und Publizistin in ihrem Engagement in Verbänden und Institutionen propagiert und um. Sie wollte die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft, in Ehe und Familie, engagierte sich für Emanzipation und Partizipation von Frauen, auch mit einem Fokus auf die jüdische Gemeinschaft. Ihrem „rigorosen Gerechtigkeitsempfinden und dem Abscheu vor jeglicher Ausgrenzung, dem Bemühen um Integration der Unterschiedlichen“11 folgte sie auch im New Yorker Exil.
Netzwerk von Margarete Berent
Zitate von Margarete Berent
Biografie von Margarete Berent
Fußnoten
- 1 Häntzschel, Hiltrud: Der „Aufbau eines neuen Rechts“ im Geist von Egalität, Gerechtigkeit und Freiheit, seine Vertreibung und späte Heimkehr – Dr. jur. Margarete Berent, in: Feustel, Adriane et al. (Hg.): Die Vertreibung des Sozialen, München 2009, S. 164‒177, hier S. 165.
- 2 Ebenda, S. 164.
- 3 Ebenda, S. 167.
- 4 Ebenda, S. 168.
- 5 Kaplan, Marion: Frau, Familie und Identität im Kaiserreich, Hamburg 1997, S. 239.
- 6 Landesentschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte Margarete Berent, Erklärung von Hildegard Walter, 09.07.1959.
- 7 Maierhof, Gudrun: Selbstbehauptung im Chaos. Frauen in der Jüdischen Selbsthilfe 1933-1943, Frankfurt/New York 2002, S. 94 f.
- 8 Leo Baeck Institut New York/ Sammlung Margarete Berent, AR 2861, Zeugnis der Reichsvereinigung vom November 1939.
- 9 Landesentschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte Margarete Berent.
- 10 Röwekamp, Marion: Margarete Berent (1887-1965) und Marie Munk (1885-1978). Pionierinnen im Kampf um gleiche Rechte für Frauen, in: Kritische Justiz (Hg.): STREITBARE JURISTiNNEN. Eine andere Tradition. Band 2, Baden-Baden 2016, S.73‒107, hier S. 98.
- 11 Häntzschel, Aufbau eines neuen Rechts, S. 172.
Ausgewählte Publikationen
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Berent, Margarete: Das Jugendrecht im Entwurf des Einführungsgesetzes zum Straf- und Strafvollzugsgesetz, in: Zentralblatt für Jugendrecht, 1926, H. 10, S. 261‒266.
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Berent, Margarete: Die Frau als Richter, in: Juristische Wochenschrift, 1920, Nr. 15, S. 1012.
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Berent, Margarete: Die Frau in juristischen berufen, in: Die Frau in der Gegenwart. Deutsche Zeitschrift für moderne Frauenbestrebungen, 1917, H. 11, S. 153‒157.
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Berent, Margarete: Die gesetzliche Lage des Kindes, in: Schreiber, Adele (Hg.): Das Reich des Kindes, Berlin 1930, S. 337‒355.
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Berent, Margarete: Die Neugestaltung des Familienrechts, in: Die Frau, 38 Jg. , 1930/31, S. 725‒730.
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Berent, Margarete: Die Zugewinnstgemeinschaft der Ehegatten. Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, H. 123, Breslau 1915.
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Berent, Margarete: Die Zulassung der Frau zu den juristischen berufen, in: Die Frau, 1919/20, H. 26, S. 332‒334.
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Berent, Margarete: Jugendschutz im Strafgesetzbuch, in: Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt, 1930, H. 12, S. 429‒437.
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Berent, Margarete: Zur Abtreibungsfrage, in: Ärztliches Vereinsblatt für Deutschland, 1930, S. 140‒143.
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Cordes, Oda: Frauen als Wegbereiter des Rechts: Die ersten deutschen Juristinnen und ihre Reformforderungen in der Weimarer Republik, Hamburg 2012.
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Cordes, Oda: Geschichte und Forderungen des Deutschen Juristinnenvereins von seiner Gründung bis zu seiner Auflösung in den 1930er Jahren, Hamburg 2000.
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Cordes, Oda: Marie Munk (1885–1978). Leben und Werk. Köln u. a. 2015.
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Dick, Jutta / Sassenberg, Marina: Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk, Reinbek 1993.
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Häntschel, Hiltrud: „Eine neue Form der Bindung und der Freiheit.“ Die Juristin Margate Berent, in: Häntschel, Hiltrud / Hadumod Bußmann (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997, S. 231–236.
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Häntschel, Hiltrud: Margarete Berent, in: Erler, Hans et al. (Hg.): „Meinetwegen ist die Welt erschaffen.“ Das intellektuelle Vermächtnis des deutschsprachigen Judentums. 58 Portraits, Frankfurt a.M. 1997, S. 191–197.
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Häntzschel, Hiltrud: „Der Aufbau eines neuen Rechts im Geist von Egalität, Gerechtigkeit und Freiheit, seine Vertreibung und späte Heimkehr – Dr. jur. Margarete Berent“, in: Adriane Feustel / Inge Hansen-Schaberg / Gabriele Knapp (Hg.): Die Vertreibung des Sozialen, München 2009, S. 164‒177.
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Maierhof, Gudrun: Selbstbehauptung im Chaos. Frauen in der Jüdischen Selbsthilfe 1933-1943, Frankfurt/New York 2002.
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Quack, Sibylle: Margarete Berent, in: Dick, Julia / Sassenberg, Marina (Hg.): Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk, Reinbek 1993, S. 53‒55.
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Reinicke, Peter: Die Deutsche Akademie für pädagogische und soziale Frauenarbeit und ihre Jahreskurse, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, 1987, H. 3, S. 210‒222.
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Reinicke, Peter: Eine frühe Rechtsanwältin in Deutschland: Margarete Berent 1887–1965, in: Hering, Sabine (Hg.): Jüdische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien, Frankfurt a.M. 2006, S. 74–83.
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Röwekamp, Marion: Margarete Berent (1887-1965) und Marie Munk (1885-1978). Pionierinnen im Kampf um gleiche Rechte für Frauen, in: Kritische Justiz (Hg.): STREITBARE JURISTiNNEN. Eine andere Tradition. Bd. 2, Baden-Baden 2016, S.73‒107.
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Salomon, Alice unter Mitwirkung u.a. von Berent, Margarete: Leitfaden der Wohlfahrtspflege, Berlin 1928.