Irmgard von Meibom Geboren am in Mülheim an der Ruhr Gestorben am in Bonn

Über Irmgard von Meibom

Sie managte als Autodidaktin zeitweise mehrere Frauenorganisationen gleichzeitig: den Deutschen Frauenrat und den Deutschen Evangelischen Frauenbund, daneben kirchliche Gremien und den Verbraucherschutz. Mit der autonomen Frauenbewegung setzte sie sich engagiert zusammen – doch auch kritisch auseinander.

„Eine ehrenamtliche Top-Managerin als Sprachrohr für Frauen, Familie, Verbraucher und die Kirche und später immer mehr ‚als Frau für die Frauen‘. Christlich-konservative Grundhaltung, Pragmatismus, preußisches Pflichtbewußtsein – das ist die eine Seite der Irmgard von Meibom. Wenn sie sich warmgeredet hat, blitzt die zweite Seite durch – eine Frau mit viel Witz, die keine Berührungsängste hat und Experimente nicht scheut. Nicht umsonst hat die Feministin Alice Schwarzer, mit der sie sich gut versteht, auf ihrem 70. Geburtstag die Laudatio gehalten“1  – so wurde Irmgard von Meibom 1997 in einem Porträt charakterisiert.

Sie war von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre auf mehreren miteinander verzahnten Feldern in einer Vielzahl verantwortlicher Positionen aktiv. Ein Piktogramm aus dem Jahr 1978 zeigt eine Momentaufnahme ihrer Ämter, es ist keineswegs vollständig.

Der Schwerpunkt dieses Essays liegt auf der Darstellung ihrer im engeren Sinne frauenpolitischen Tätigkeiten, also ihrem Engagement und ihrem Einfluss im Deutschen Evangelischen Frauenbund und im Deutschen Frauenrat, ihre Mitarbeit in kirchlichen Gremien oder in der UNESCO muss hier vernachlässigt werden.

Irmgard von Meibom, Piktogramm ihrer Ehrenämter, 1978
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/3

Familienleben

Irmgard von Meibom wurde am 21. August 1916 als viertes Kind des Pfarrers und späteren Generalsuperintendenten der Rheinprovinz Ernst Stoltenhoff und seiner Frau Gertrud, geb. Funcke, geboren. Sie erhielt eine höhere Schulbildung, absolvierte nach dem Abitur 1935 ein Jahr den obligatorischen Arbeitsdienst und machte im Anschluss daran eine Ausbildung als Krankengymnastin. Ihr gesellschaftlich sehr aktives Elternhaus – ihre Mutter war die erste weibliche Vorsitzende der gesamtdeutschen Frauenhilfe – hat sie geprägt. Als sie 1940 den Juristen Hanspeter von Meibom heiratete, fand sie auch in ihm einen Unterstützer ihres gesellschaftspolitischen Engagements. 1941, 1944 und 1947 wurden die Kinder Hans-Dieter, Wolfgang-Christian und Barbara geboren. Irmgard von Meibom hat die Zeit nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus als erschreckende Erkenntnis von Schuld und dem Bedürfnis nach Wiedergutmachung erlebt. Es war daher selbstverständlich für sie, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren . 

Irmgard von Meibom: Ich über mich - Erfahrungen und Erlebnisse protestantischer Persönlichkeiten aus Beruf und Alltag, Bonn, 24. Juli 1984
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/2

Deutscher Evangelischer Frauenbund

Der Deutsche Evangelische Frauenbund (DEF) gehört zu den ältesten konfessionellen Frauenorganisationen in Deutschland. Er wurde, wie auch die Evangelische Frauenhilfe, 1899 gegründet, verstand sich aber im Gegensatz zu dieser von Beginn an als Bindeglied zwischen protestantischer Kirche und christlichem Engagement einerseits und den frauenpolitischen Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegung andererseits. 

Irmgard von Meibom: Der kritische Verbraucher - seine Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft, 10. März 1983
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/1

Im DEF hatte Irmgard von Meibom seit 1946 mitgearbeitet, 1953 ergab sich dann ein Arbeitsfeld, in das sie intensiver einstieg: Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Hausfrauen (AEH) wurde gegründet; sie übernahm den Vorsitz und behielt ihn 37 Jahre lang. Die AEH war eine Organisation mehrerer evangelischer Frauenverbände unter der Geschäftsführung der DEF. Der Schwerpunkt lag auf der gesellschaftlichen Bedeutung von Hausarbeit in allen Facetten, das zentrale Thema war Verbraucherschutz: Denn im Haushalt treffen Frauen vielfach wirtschaftliche Entscheidungen. Die AEH wurde Mitglied der überkonfessionellen Arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft (AgH), 1964 wurde Irmgard von Meibom auch hier Vorsitzende und blieb es bis 1988. Sie hielt Verbraucherschutz und Verbraucherberatung für unerlässlich, um Verbraucherinnen zur selbstbewussten Übernahme ihrer Rolle in der sozialen Marktwirtschaft zu befähigen. Überzeugt von der Bedeutung dieses Themas übernahm sie zusätzlich von 1976 bis 1981 den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und von 1972 bis 1988 den des Kuratoriums der Stiftung Warentest.

Ende der 1950er-Jahre war ihr ein Parteimandat angetragen worden. Die CDU, der sie 1952 beigetreten war, hätte sie gerne als Parteifunktionärin gehabt. Sie lehnte ab, unter anderem. weil sie sich nicht dem beugen wollte, was sie als „Meinungsbevormundung“2  befürchtete. Stattdessen intensivierte sie ihre frauenpolitische Arbeit und übernahm parallel zu ihrem Engagement für die AEH und für den Verbraucherschutz von 1966 bis 1981 den Bundesvorsitz des DEF. „Ich habe in keinem Verband nur einen Pro-forma-Vorsitz wahrgenommen“3 , sagte sie später, und ihre Biografin Barbara Böttger bestätigt diese Selbsteinschätzung: „Sie veränderte den Verband mit neuen Schwerpunkten und einem anderen Stil.“4  Unter ihrer Leitung wurden unter anderem die Angebote zur staatsbürgerlichen Bildung und die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt: „Wir dürfen die Dinge nicht im Stillen tun, sondern müssen darüber reden.“5  Die Schriftenreihe Verantwortung und die Zeitschrift anhaltspunkte wurden ins Leben gerufen und Meibom entfaltete eine intensive Vortragstätigkeit. In ihren Reden thematisierte sie auch die Stellung der Frauen und die der Frauenverbände innerhalb der Kirche, deren Beteiligung in kirchlichen Gremien und ihre dort allgemein unterschätzte Bedeutung. 

„Für mich“, sagte Irmgard von Meibom im Alter von 80 Jahren, „ist der DEF ‚Kernzelle‘ und ‚Heimat‘ geblieben.“6  Aber er war auch Ausgangspunkt für weiteres Engagement.

Deutscher Frauenrat

In den 1970er-Jahren übernahm Irmgard von Meibom für zwei Wahlperioden (1974–1976 und 1978–1980) den Vorsitz des Deutschen Frauenrates (DF). Der DF ist die Dachorganisation der Frauenverbände in Deutschland, hervorgegangen aus dem 1950 gegründeten Informationsdienst für Frauenfragen; 2016 vereinte er etwa 50 Organisationen. Irmgard von Meibom trat die Leitung in der Vorphase des UNO-Jahres der Frau 1975 an und sie nutzte diese Funktion, um die Entwicklung des DF von einer nur in Fachkreisen beachteten Institution zu einem offensiv sich positionierenden und eingreifenden frauenpolitischen Dachverband voranzutreiben. Neben ihrer auch hier energisch betriebenen Öffentlichkeitsarbeit war dabei sicherlich hilfreich, dass sie keine Konflikte scheute – weder mit den noch nicht so kampfbereiten und öffentlichkeitserprobten Mitgliedern des DF noch mit der zu dieser Zeit sehr lauten autonomen Frauenbewegung. „Den einen bin ich zu progressiv gewesen mit meinen Ideen, den anderen viel zu wenig aktiv“7 , resümierte sie später. Es war nicht immer einfach, wenn die gutbürgerliche Dame auf die Feministinnen traf, aber sie scheute diese Begegnungen nicht, suchte sie sogar. Sie hatte ihre klaren Überzeugungen, wandte sich zum Beispiel gegen den Begriff der Selbstverwirklichung, sondern propagierte, dass Frauen sich mit ihrem jeweiligen Status in Familie und Gesellschaft arrangieren sollten. Dieses Sich-Fügen widersprach natürlich den Vorstellungen und Zielen der autonomen Frauenbewegung, die ganz konkrete Forderungen stellte und sich mitnichten arrangieren wollte. Im Juni 1974 und im April 1975 trafen auf Tagungen in der Evangelischen Akademie Loccum Vertreterinnen der Frauenverbände und der autonomen Frauenbewegung aufeinander, zu den exponierten Vertreterinnen gehörten Irmgard von Meibom und Alice Schwarzer, die sich trotz unterschiedlicher Überzeugungen gut verstanden.

1978 unterstützte der Deutsche Frauenrat die als ‚Stern-Klage‘ in die Geschichte eingegangene, von der Zeitschrift Emma initiierte Beschwerde beim Presserat wegen sexistischer Titelblätter des Stern. Nie zuvor hatte sich der DF so öffentlich geäußert. In der Emma vom August 1978 wurde daraufhin die Hoffnung geäußert: „Vielleicht gibt es in Zukunft öfter Gelegenheiten für Frauen aus verschiedenen Lagern, dennoch gemeinsam für die Sache der Frauen einzutreten?“8

Barbara Böttger bescheinigt Irmgard von Meibom, dass sie „ihre erste Amtsperiode als Vorsitzende des Deutschen Frauenrates von 1974 bis 1976 überaus erfolgreich bewältigt hat. Sowohl die Integrationsarbeit nach innen […] als auch die Repräsentation nach außen waren vorzüglich: Erst unter ihrer Leitung ist der Deutsche Frauenrat zu einem ernst zu nehmenden politischen Faktor geworden.“9

Lebensbilanz

Irmgard von Meibom hat ihre letzten Ämter aufgegeben, als sie selbst Mitte 70 war und einige schwere Krankheiten hatte bewältigen müssen. Aber sie blieb allen ihr wichtigen Zusammenhängen sehr verbunden und war durch ihre konstruktive und wertschätzende Art immer noch und immer wieder willkommen.

Zum 80. Geburtstag wurde sie vom DEF mit einem Schwerpunkt in den anhaltspunkten gewürdigt. 1997 erhielt sie das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Am 25. April 2001 starb Irmgard von Meibom in Bonn im Alter von 84 Jahren.

Irmgard von Meibom war eine Verbandsfunktionärin ‚der alten Schule‘, hat aber Entscheidendes dazu beigetragen, Frauenverbände wie den Deutschen Evangelischen Frauenbund und vor allem den Deutschen Frauenrat aus der eher sozialen Orientierung in direkte politische Auseinandersetzungen zu führen. Sie und ihr Wirken haben in der Forschung noch keine Beachtung gefunden. Neben wenigen Artikeln ist die umfassendste Publikation die von Barbara Böttger erstellte Biografie Mut zur Öffentlichkeit10 . Darin spricht Barbara Böttger von „Berge[n] gesammelter Akten“, zwischen denen sie Irmgard von Meibom interviewte. Doch der Nachlass, der dem AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung 2012 von Meiboms Tochter, Prof. Dr. Barbara Mettler-von Meibom, übergeben wurde, beinhaltet lediglich einige Manuskripte und Fotoalben, 15 Audio-Kassetten mit Interview-Mitschnitten und eine detaillierte Liste ihrer Vorträge und Publikationen.

Stand: 16. März 2021
Verfasst von
Cornelia Wenzel

Wissenschaftliche Dokumentarin, Freie Mitarbeiterin des Archivs der deutschen Frauenbewegung in Kassel; Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Frauenbewegung, Überlieferung sozialer und politischer Bewegungen in Freien Archiven.

Empfohlene Zitierweise
Cornelia Wenzel (2021): Irmgard von Meibom, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/irmgard-von-meibom
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Zitate von Irmgard von Meibom

Biografie von Irmgard von Meibom

Geburt in Mülheim an der Ruhr

Geburt als Irmgard Stoltenhoff, viertes Kind des Pfarrers und späteren Generalsuperintendenten der Rheinprovinz Ernst Stoltenhoff und seiner Frau Gertrud, geb. Funcke

1935

Abitur
Arbeitsdienstjahr

1936

Ausbildung zur Krankengymnastin

1940

Heirat mit dem Juristen Hans Peter Meibom

1941

Geburt des Sohnes Hans-Dieter

1944

Geburt des Sohnes Wolfgang-Christian

1947

Geburt der Tochter Barbara

1952

Eintritt in die CDU

1953 - 1990

Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Haushaltsführungskräfte (AEH)

1964 - 1988

Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft (AgH)

1966 - 1981

Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Frauenbundes (DEF)

1972 - 1988

Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Warentest

1974

Berufung in die Deutsche UNESCO-Kommission

1974 - 1976

Vorsitzende des Deutschen Frauenrates (DF)

Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum: Emanzipation der Frau

Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum: Emanzipation der Frau

1976 - 1981

Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände

1978 - 1980

Vorsitzende des Deutschen Frauenrates (DF)

1983

Als erste Frau zur Vorsitzenden der Konferenz Kirchlicher Werke und Verbände (KKWV) gewählt

1997

Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern

Tod in Bonn

Fußnoten

  • 1Färber-Lamm, Cornelia, in: Zeitzeuginnen. Frauengeschichte(n) aus Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1997, S. 78 f.
  • 2Meibom, Irmgard von: Ich über mich, Manuskript im AddF, NL-K-16; A-34, S. 4.
  • 3Zitiert nach: Böttger, Barbara: Mut zur Öffentlichkeit. Irmgard von Meibom – 50 Jahre im Ehrenamt, Göttingen 2001, S. 75.
  • 4Ebenda, S. 73.
  • 5Irmgard von Meibom im Podiumsgespräch Seniorinnen erinnern sich zur 75-Jahrfeier der EFD, zitiert nach: Böttger: Mut, S. 82.
  • 6Interview mit Irmgard von Meibom, in: Anhaltspunkte, Juli/August 1996, H. 4, S. 118.
  • 7Zitiert nach: Böttger: Mut, S. 119.
  • 8o. A.: Sternklage, in: Emma, 1978, H. 8, S.6‒17, hier S. 15.
  • 9Böttger: Mut, S. 136.
  • 10Diese Biografie ist neben dem Nachlass von Irmgard von Meibom Grundlage dieses Dossiers. Es findet sich in ausführlicherer Form auch auf den Seiten des AddF, Zugriff am 15.2.2021 unter https://www.addf-kassel.de/index.php?id=201&no_cache=1.

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