
- Quelle: Archiv der deutschen Frauenbewegung (Nachlass Irmgard von Meibom, Foto: Barbara von Meibom, 1998)
- CC BY-SA 3.0
Über Irmgard von Meibom
„Eine ehrenamtliche Top-Managerin als Sprachrohr für Frauen, Familie, Verbraucher und die Kirche und später immer mehr ‚als Frau für die Frauen‘. Christlich-konservative Grundhaltung, Pragmatismus, preußisches Pflichtbewußtsein – das ist die eine Seite der Irmgard von Meibom. Wenn sie sich warmgeredet hat, blitzt die zweite Seite durch – eine Frau mit viel Witz, die keine Berührungsängste hat und Experimente nicht scheut. Nicht umsonst hat die Feministin Alice Schwarzer, mit der sie sich gut versteht, auf ihrem 70. Geburtstag die Laudatio gehalten“1 – so wurde Irmgard von Meibom 1997 in einem Porträt charakterisiert.
Sie war von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre auf mehreren miteinander verzahnten Feldern in einer Vielzahl verantwortlicher Positionen aktiv. Ein Piktogramm aus dem Jahr 1978 zeigt eine Momentaufnahme ihrer Ämter, es ist keineswegs vollständig.
Der Schwerpunkt dieses Essays liegt auf der Darstellung ihrer im engeren Sinne frauenpolitischen Tätigkeiten, also ihrem Engagement und ihrem Einfluss im Deutschen Evangelischen Frauenbund und im Deutschen Frauenrat, ihre Mitarbeit in kirchlichen Gremien oder in der UNESCO muss hier vernachlässigt werden.
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/3
Familienleben
Irmgard von Meibom wurde am 21. August 1916 als viertes Kind des Pfarrers und späteren Generalsuperintendenten der Rheinprovinz Ernst Stoltenhoff und seiner Frau Gertrud, geb. Funcke, geboren. Sie erhielt eine höhere Schulbildung, absolvierte nach dem Abitur 1935 ein Jahr den obligatorischen Arbeitsdienst und machte im Anschluss daran eine Ausbildung als Krankengymnastin. Ihr gesellschaftlich sehr aktives Elternhaus – ihre Mutter war die erste weibliche Vorsitzende der gesamtdeutschen Frauenhilfe – hat sie geprägt. Als sie 1940 den Juristen Hanspeter von Meibom heiratete, fand sie auch in ihm einen Unterstützer ihres gesellschaftspolitischen Engagements. 1941, 1944 und 1947 wurden die Kinder Hans-Dieter, Wolfgang-Christian und Barbara geboren. Irmgard von Meibom hat die Zeit nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus als erschreckende Erkenntnis von Schuld und dem Bedürfnis nach Wiedergutmachung erlebt. Es war daher selbstverständlich für sie, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren .
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/2
Deutscher Evangelischer Frauenbund
Der Deutsche Evangelische Frauenbund (DEF) gehört zu den ältesten konfessionellen Frauenorganisationen in Deutschland. Er wurde, wie auch die Evangelische Frauenhilfe, 1899 gegründet, verstand sich aber im Gegensatz zu dieser von Beginn an als Bindeglied zwischen protestantischer Kirche und christlichem Engagement einerseits und den frauenpolitischen Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegung andererseits.
AddF, Kassel, NL-K-16 ; A-34/1
Im DEF hatte Irmgard von Meibom seit 1946 mitgearbeitet, 1953 ergab sich dann ein Arbeitsfeld, in das sie intensiver einstieg: Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Hausfrauen (AEH) wurde gegründet; sie übernahm den Vorsitz und behielt ihn 37 Jahre lang. Die AEH war eine Organisation mehrerer evangelischer Frauenverbände unter der Geschäftsführung der DEF. Der Schwerpunkt lag auf der gesellschaftlichen Bedeutung von Hausarbeit in allen Facetten, das zentrale Thema war Verbraucherschutz: Denn im Haushalt treffen Frauen vielfach wirtschaftliche Entscheidungen. Die AEH wurde Mitglied der überkonfessionellen Arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft (AgH), 1964 wurde Irmgard von Meibom auch hier Vorsitzende und blieb es bis 1988. Sie hielt Verbraucherschutz und Verbraucherberatung für unerlässlich, um Verbraucherinnen zur selbstbewussten Übernahme ihrer Rolle in der sozialen Marktwirtschaft zu befähigen. Überzeugt von der Bedeutung dieses Themas übernahm sie zusätzlich von 1976 bis 1981 den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und von 1972 bis 1988 den des Kuratoriums der Stiftung Warentest.
Ende der 1950er-Jahre war ihr ein Parteimandat angetragen worden. Die CDU, der sie 1952 beigetreten war, hätte sie gerne als Parteifunktionärin gehabt. Sie lehnte ab, unter anderem. weil sie sich nicht dem beugen wollte, was sie als „Meinungsbevormundung“2 befürchtete. Stattdessen intensivierte sie ihre frauenpolitische Arbeit und übernahm parallel zu ihrem Engagement für die AEH und für den Verbraucherschutz von 1966 bis 1981 den Bundesvorsitz des DEF. „Ich habe in keinem Verband nur einen Pro-forma-Vorsitz wahrgenommen“3, sagte sie später, und ihre Biografin Barbara Böttger bestätigt diese Selbsteinschätzung: „Sie veränderte den Verband mit neuen Schwerpunkten und einem anderen Stil.“4 Unter ihrer Leitung wurden unter anderem die Angebote zur staatsbürgerlichen Bildung und die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt: „Wir dürfen die Dinge nicht im Stillen tun, sondern müssen darüber reden.“5 Die Schriftenreihe Verantwortung und die Zeitschrift anhaltspunkte wurden ins Leben gerufen und Meibom entfaltete eine intensive Vortragstätigkeit. In ihren Reden thematisierte sie auch die Stellung der Frauen und die der Frauenverbände innerhalb der Kirche, deren Beteiligung in kirchlichen Gremien und ihre dort allgemein unterschätzte Bedeutung.
„Für mich“, sagte Irmgard von Meibom im Alter von 80 Jahren, „ist der DEF ‚Kernzelle‘ und ‚Heimat‘ geblieben.“6 Aber er war auch Ausgangspunkt für weiteres Engagement.
Deutscher Frauenrat
In den 1970er-Jahren übernahm Irmgard von Meibom für zwei Wahlperioden (1974–1976 und 1978–1980) den Vorsitz des Deutschen Frauenrates (DF). Der DF ist die Dachorganisation der Frauenverbände in Deutschland, hervorgegangen aus dem 1950 gegründeten Informationsdienst für Frauenfragen; 2016 vereinte er etwa 50 Organisationen. Irmgard von Meibom trat die Leitung in der Vorphase des UNO-Jahres der Frau 1975 an und sie nutzte diese Funktion, um die Entwicklung des DF von einer nur in Fachkreisen beachteten Institution zu einem offensiv sich positionierenden und eingreifenden frauenpolitischen Dachverband voranzutreiben. Neben ihrer auch hier energisch betriebenen Öffentlichkeitsarbeit war dabei sicherlich hilfreich, dass sie keine Konflikte scheute – weder mit den noch nicht so kampfbereiten und öffentlichkeitserprobten Mitgliedern des DF noch mit der zu dieser Zeit sehr lauten autonomen Frauenbewegung. „Den einen bin ich zu progressiv gewesen mit meinen Ideen, den anderen viel zu wenig aktiv“7, resümierte sie später. Es war nicht immer einfach, wenn die gutbürgerliche Dame auf die Feministinnen traf, aber sie scheute diese Begegnungen nicht, suchte sie sogar. Sie hatte ihre klaren Überzeugungen, wandte sich zum Beispiel gegen den Begriff der Selbstverwirklichung, sondern propagierte, dass Frauen sich mit ihrem jeweiligen Status in Familie und Gesellschaft arrangieren sollten. Dieses Sich-Fügen widersprach natürlich den Vorstellungen und Zielen der autonomen Frauenbewegung, die ganz konkrete Forderungen stellte und sich mitnichten arrangieren wollte. Im Juni 1974 und im April 1975 trafen auf Tagungen in der Evangelischen Akademie Loccum Vertreterinnen der Frauenverbände und der autonomen Frauenbewegung aufeinander, zu den exponierten Vertreterinnen gehörten Irmgard von Meibom und Alice Schwarzer, die sich trotz unterschiedlicher Überzeugungen gut verstanden.
1978 unterstützte der Deutsche Frauenrat die als ‚Stern-Klage‘ in die Geschichte eingegangene, von der Zeitschrift Emma initiierte Beschwerde beim Presserat wegen sexistischer Titelblätter des Stern. Nie zuvor hatte sich der DF so öffentlich geäußert. In der Emma vom August 1978 wurde daraufhin die Hoffnung geäußert: „Vielleicht gibt es in Zukunft öfter Gelegenheiten für Frauen aus verschiedenen Lagern, dennoch gemeinsam für die Sache der Frauen einzutreten?“8
Barbara Böttger bescheinigt Irmgard von Meibom, dass sie „ihre erste Amtsperiode als Vorsitzende des Deutschen Frauenrates von 1974 bis 1976 überaus erfolgreich bewältigt hat. Sowohl die Integrationsarbeit nach innen […] als auch die Repräsentation nach außen waren vorzüglich: Erst unter ihrer Leitung ist der Deutsche Frauenrat zu einem ernst zu nehmenden politischen Faktor geworden.“9
Lebensbilanz
Irmgard von Meibom hat ihre letzten Ämter aufgegeben, als sie selbst Mitte 70 war und einige schwere Krankheiten hatte bewältigen müssen. Aber sie blieb allen ihr wichtigen Zusammenhängen sehr verbunden und war durch ihre konstruktive und wertschätzende Art immer noch und immer wieder willkommen.
Zum 80. Geburtstag wurde sie vom DEF mit einem Schwerpunkt in den anhaltspunkten gewürdigt. 1997 erhielt sie das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Am 25. April 2001 starb Irmgard von Meibom in Bonn im Alter von 84 Jahren.
Irmgard von Meibom war eine Verbandsfunktionärin ‚der alten Schule‘, hat aber Entscheidendes dazu beigetragen, Frauenverbände wie den Deutschen Evangelischen Frauenbund und vor allem den Deutschen Frauenrat aus der eher sozialen Orientierung in direkte politische Auseinandersetzungen zu führen. Sie und ihr Wirken haben in der Forschung noch keine Beachtung gefunden. Neben wenigen Artikeln ist die umfassendste Publikation die von Barbara Böttger erstellte Biografie Mut zur Öffentlichkeit10. Darin spricht Barbara Böttger von „Berge[n] gesammelter Akten“, zwischen denen sie Irmgard von Meibom interviewte. Doch der Nachlass, der dem AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung 2012 von Meiboms Tochter, Prof. Dr. Barbara Mettler-von Meibom, übergeben wurde, beinhaltet lediglich einige Manuskripte und Fotoalben, 15 Audio-Kassetten mit Interview-Mitschnitten und eine detaillierte Liste ihrer Vorträge und Publikationen.
Netzwerk von Irmgard von Meibom
Zitate von Irmgard von Meibom
Biografie von Irmgard von Meibom
Fußnoten
- 1 Färber-Lamm, Cornelia, in: Zeitzeuginnen. Frauengeschichte(n) aus Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1997, S. 78 f.
- 2 Meibom, Irmgard von: Ich über mich, Manuskript im AddF, NL-K-16; A-34, S. 4.
- 3 Zitiert nach: Böttger, Barbara: Mut zur Öffentlichkeit. Irmgard von Meibom – 50 Jahre im Ehrenamt, Göttingen 2001, S. 75.
- 4 Ebenda, S. 73.
- 5 Irmgard von Meibom im Podiumsgespräch Seniorinnen erinnern sich zur 75-Jahrfeier der EFD, zitiert nach: Böttger: Mut, S. 82.
- 6 Interview mit Irmgard von Meibom, in: Anhaltspunkte, Juli/August 1996, H. 4, S. 118.
- 7 Zitiert nach: Böttger: Mut, S. 119.
- 8 o. A.: Sternklage, in: Emma, 1978, H. 8, S.6‒17, hier S. 15.
- 9 Böttger: Mut, S. 136.
- 10 Diese Biografie ist neben dem Nachlass von Irmgard von Meibom Grundlage dieses Dossiers. Es findet sich in ausführlicherer Form auch auf den Seiten des AddF, Zugriff am 15.2.2021 unter https://www.addf-kassel.de/index.php?id=201&no_cache=1.
Ausgewählte Publikationen
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Meibom, Irmgard von: Boykott südafrikanischer Lebensmittel, in: anhaltspunkte, 23. Jg., 1979, H. 1, S. 18-20
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Meibom, Irmgard von: Emanzipation zwischen den Fronten - ein Jahr danach, in: Emanzipation der Frau, Loccumer Protokolle 10/1975 zur Tagung vom 11-13.4.1975, o.O., 1975, S. 130-131.
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Meibom, Irmgard von: Frauen für Südafrika, in: anhaltspunkte, 1985, H. 3, 84-86.
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Meibom, Irmgard von: Generationenproblem als Herausforderung an das Selbstverständnis der Frau, in: Generationen - unbequeme Partner in einer bedrohten Welt, Deutscher Evangelischer Frauenbund e.V. ; Bundestagung in Tübingen 1982, S. 14-26
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Meibom, Irmgard von: Organisierung der Frauen, in: Emanzipation der Frau, Loccumer Protokolle 10/1975 zur Tagung vom 11-13.4.1975, o.O., 1975, S. 106-117.
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Meibom, Irmgard von: Politisches Handeln in der Praxis, in: anhaltspunkte, 1977, H. 2, S. 44-47 und 50-51.
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Böttger, Barbara: Mut zur Öffentlichkeit. Irmgard von Meibom – fünfzig Jahre im Ehrenamt, Göttingen, 2001
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Bundesverdienstkreuz für Irmgard von Meibom, in: Informationen für die Frau, 1997, Heft 9, S. 20.
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Emanzipation der Frau, Loccumer Protokolle 10/1975 zur Tagung vom 11-13.4.1975, o.O., 1975
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Irmgard von Meibom - Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, zum sechzigsten Geburtstag am 21. August 1976, in: Aus der Arbeit des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, Hannover, Nr. 5, 1976, 5
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Ministerium für die Gleichstellung von Mann und Frau des Landes Nordhein-Westfalen <Düsseldorf> (Hrsg.): Zeitgenossinnen. Frauengeschichte(n) aus Nordrhein-Westfalen von 1946 bis 1996, Düsseldorf, 1997.