- Deutscher Frauenring e.V., Landesverband Hamburger Frauenring e.V.
- FrauenStadtArchiv Hamburg ein Projekt des Landesfrauenrat Hamburg; Signatur: HFR002; 5-7
- Gemeinfrei
Über Hamburger Frauenring e.V.
Die Hamburger Frauen wollten nach dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt mitreden. Im April 1946, nur ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, gründeten Olga Essig1, Emmy Beckmann2 (DDP und FDP), Dora Hansen-Blancke3, Paula Karpinski (SPD) und Elsbeth Weichmann (SPD und SPÖ) den Hamburger Frauenring (HFR)4, der von der britischen Besatzungsmacht zugelassen wurde.5 Die Frauen hatten sich bereits vor dem Krieg in der Frauenbewegung eingesetzt und wollten nach dem Krieg eine umfassende Teilhabe für Frauen in der Stadt sicherstellen. Dafür nutzten sie ihre Anbindung an den Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine, in dem sie bereits Mitglieder gewesen waren und der in Hamburg von 1915 bis zu seiner Auflösung 1934 eine zentrale Organisation der Frauenbewegung darstellte.
Die Satzung proklamiert für den Verein:
„Der Hamburger Frauenring ist eine überparteiliche und überkonfessionelle Organisation, […] will Einfluß und gleichberechtigte Stellung der Frau in Staat, Familie und Wirtschaft fördern, […] erstrebt die Förderung aller sozialen Maßnahmen, die zum Schutze der Familie, der berufstätigen Frau und der heranwachsenden weiblichen Jugend erforderlich erscheinen, […] und macht sich zur Aufgabe, verantwortlich an der Überwindung von Notständen durch ideelle und materielle Hilfe mitzuwirken.“6
Der HFR nutzte von Beginn an sowohl bereits existierende als auch neue Netzwerke und versuchte, alle Frauen in der Stadt einzubinden. Er vernetzte sich in Hamburg erst in der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen und anschließend im Landesfrauenrat Hamburg e.V. mit anderen Vereinen und Initiativen. Innerhalb des HFR gründeten sich verschiedene Arbeitskreise, so zum Beispiel „Europa [, …] Frau und Arbeit [, …] Gesamtdeutsche Fragen [, …] Internationale Frauenarbeit“7 aber auch „Rhetorik / Kommunikation“8. Über die Jahrzehnte blieb der HFR immer am Puls der Zeit und entwickelte Programme, Projekte und Lösungen, die die Frauen akut unterstützten. Durch die Vernetzung und den Austausch identifizierte der HFR aktuelle Problematiken schnell. Der Verein wurde vor allem von Frauen geprägt, die die Hamburger Politik und die Strukturen der Stadt durch ihre eigene Arbeit oder über ihre Ehepartner kannten. Ihre gesellschaftliche Stellung ermöglichte es ihnen, zeitliche und finanzielle Ressourcen aufzubringen oder einzuwerben, um Projekte zum Beispiel zur Selbstbestimmung der Frau zu verwirklichen.
Im Verein war vor allem die bürgerliche Schicht der Hamburgerinnen vertreten, viele der Frauen waren verheiratet, nicht oder nur beschränkt berufstätig und kümmerten sich um Haushalt und Kinder. Durch voll berufstätige Männer konnten sich die Frauen das ehrenamtliche Engagement leisten und legten daran angelehnt den Fokus auf Familien und die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Frau von ihrem Ehemann, sowohl persönlich als auch politisch. Zum feministischen Verständnis des HFR zählt bis heute die politische Auseinandersetzung zu Themen rund um die Familie, wie zum Beispiel das Ehegattensplitting. Die Vorsitzende des Hamburger Frauenrings, Carmen Zakrzewski, betont die Bedeutung von Bildung und Aufklärung über Strukturen für ein erfolgreiches politisches und kommunales Engagement.9
Gleichstellung – auch beruflich
Im Verein Hamburger Frauenring organisieren und engagieren sich Frauen ehrenamtlich, doch sie setzen sich auch kritisch damit auseinander, welchen Frauen es möglich ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. In der Arbeit des Vereins wurden die verschiedenen Lebenssituationen der Frauen in der Stadt immer berücksichtigt. In den 1970er- und 1980er-Jahren lag ein Fokus auf der Gruppe der sogenannten Berufsrückkehrerinnen, also auf Frauen, die nach längerer beruflicher Auszeit (z.B. durch Erziehungszeiten), wieder arbeiten wollten. Der HFR brachte mehrere Projekte zur Unterstützung dieser Gruppe auf den Weg, zwei von ihnen wurden deutschlandweit zu Leuchtturmprojekten. 1983 brachte Dr. Ellen Seßar-Karpp, Mitglied des Freiburger Ortsverbands des Deutschen Frauenrings, das Projekt ‚Neuer Start ab 35‘ mit nach Hamburg, wo es sofort im Landesverband Hamburg des Deutschen Frauenrings integriert, durchgeführt, stetig weiterentwickelt und wissenschaftlich begleitet wurde. In einem Mitteilungsblatt von 1988 wurde das Projekt in einer kurzen Vorstellung des Landesverbandes namentlich genannt, zu dieser Zeit wurden „[j]ährlich […] zwei, vom Hamburger Senat geförderte Kurse […] durchgeführt“10. Viele Mitglieder des HFR entsprachen der Zielgruppe der Kurse und nahmen ebenfalls an den Kursen des Projekts, das – genau wie das andere Leuchtturmprojekt ‚Frauentechnikzentrum‘ – über einen ganzheitlichen Ansatz funktioniert, teil.
Die Projekte erleichterten Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zum Beispiel nach einer längeren Berufspause oder Erwerbslosigkeit durch Mutterschaft. Dies war aber nicht ihr vorrangiges Ziel: In erster Linie wurden Frauen in ihrer Persönlichkeit gestärkt und konnten herausfinden, was sie wirklich wollten. Ein erfolgreicher Kurs-Abschluss bedeutete nicht unbedingt die Rückkehr in den Beruf, sondern bot die Chance, mit einem neuen Selbstbewusstsein Entscheidungen zu treffen.
Solidarität und Vernetzung als oberste Prämisse
Bereits in den 1950er-Jahren nutzten die Vorstandsfrauen des Hamburger Frauenrings ihre Verbindungen in die Politik, unter anderem für die Unterstützung von Müttern. Dora Hansen-Blancke setzte sich 1955 in einem Briefwechsel als Vorsitzende der ‚Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen des Hamburger Frauenrings‘ dafür ein, Fragen zum Kindergeld mit der Regierungsrätin zu diskutieren – auf der Basis der vom Verein vertretenen Werte:
„Aus Gruenden der Vereinfachung und Verbilligung hat man Erhebung und Auszahlung des Kindergelds in die Verwaltung der Berufsgenossenschaften gelegt und laesst die Auszahlung an den Inhaber des Arbeitsplatzes erfolgen. Damit tritt das Kindergeld in Erscheinung als waere es ein Teil des Arbeitsentgelts des Familienernaehrers, im Normal- und Regelfall also des Familienvaters. Seinem Wesen nach entsteht der Anspruch auf Kindergeld aber grade nicht aus der Arbeitsleistung im Beruf, sondern aus der sozialen Leistung Kind, die im Normal- u. Regelfall die besondre Aufgabe und Arbeitsleistung der Frau als Hausmutter ist. Diese hausmuetterliche Leistung der Frau, die jenseits jeder Arbeitszeitbestimmung steht und grundsaetzlich nicht berechnet werden kann, ist fuer die Gemeinschaft wichtiger als jede andre berufliche Leistung der Frau.“11
Im historischen Kontext dieser Zeit war es vielen Müttern und Hausfrauen nicht möglich, solche Gesetzgebungen nachzuvollziehen und sich gegen ihre Benachteiligung und Abhängigkeit von ihren Männern zu wehren. Der vehemente Einsatz des Hamburger Frauenrings für diese Frauen konnte deren Lebensumstände verbessern und so die Unabhängigkeit und Gleichstellung der Hamburgerinnen steigern.
Obwohl der Hamburger Frauenring als bürgerlicher Verband eingestuft werden kann, wurde nicht immer nach den Regeln der damals etablierten Politik gespielt. So setzte sich der Verein zum Beispiel für Familien in der DDR ein, indem er Kontakte zwischen Hamburger Frauen und ihren Familien und „Patenfamilien“12 in der DDR herstellte, was mit regelmäßigem Austausch über Briefe, Pakete und Besuche einherging. Ab 1962 wurden von einem gesonderten „Ausschuß persönliche Hilfe“13 im Verein fast jährlich Paketaktionen organisiert, in denen zu Festtagen mit Mitteln des Vereins Pakete an Familien in der DDR versandt wurden. Die Mitglieder des Hamburger Frauenrings haben sich so über die innerdeutsche Grenze hinweg mit Menschen solidarisiert – im Schutz und mit Verantwortung des Vereins. 1984 berichtete die Vorsitzende des Ausschusses in einem Rundschreiben von 50 erfolgreichen Aktionen seit Beginn dieses besonderen Engagements. In den Paketen wurden unter anderem Bücher und Spiele verschickt, die allerdings nach innerdeutschen Grenzkontrollen nicht immer den Weg zu ihren Empfänger*innen fanden.
Aus einem Brief an Ursula Seiler, die damalige Vorsitzende des HFR, geht 1984 hervor, dass nun lebenswichtige Medikamente aus dem von der Behörde genehmigten Zuschuss bezahlt werden dürfen. Doch bereits zuvor waren Medikamente versandt worden, ohne das Wissen und Einverständnis der Behörde; die entsprechenden Dokumente und Korrespondenzen sind mit einem „Streng vertraulich!“ versehen. Vereinsvorsitzende unternahmen Reisen in die DDR, um die Aktionen zu organisieren. So wurden etwa Paketinhalte wie vom DDR-Regime als systemkritisch gewertete Bücher oder Gesellschaftsspiele, die von der DDR-Post zurückgesandt worden waren, persönlich übergeben. Die Hamburgerinnen bewegten sich auch in Grauzonen, um Familien in der DDR eine Freude zu machen.
Was gibt es heute noch zu tun für Frauenverbände in Hamburg?
Wie in vielen traditionellen Frauenvereinen gibt es auch im Hamburger Frauenring Schwierigkeiten mit dem Anschluss an die Digitalisierung. Carmen Zakrzewski, die derzeitige Landesverbandsvorsitzende, sagt im Interview: „[W]ir haben es nicht geschafft, das muss ich leider sagen, dass jüngere Frauen zu uns kommen, da sind wir jetzt in einem Umbruch.“14
Trotzdem ist der Landesverband Hamburg des Deutschen Frauenrings, wie er seit der Gründung des Deutschen Frauenrings 1949 heißt, in Hamburg nach wie vor bestens vernetzt und setzt sich für Gleichstellung und gegen die Gewalt an Frauen ein. Bereits in einem Mitteilungsblatt von 1987 mit dem Fokusthema „Ehrenamt“ wird diskutiert, wer sich engagieren kann: „Die Arbeitsmarktlage wird dabei ebenso berücksichtigt wie das Problem der sozialen Alterssicherung von Frauen. Ein immer wieder auftauchender Gedanke ist auch die Nachwuchsfrage und damit die der ehrenamtlichen Betätigung gegenüber immer weniger günstige gesellschaftliche [sic!] Situation“.15 Für den Hamburger Frauenring stellt das einen weiteren Aspekt der Arbeit für Frauen in der Stadt dar: Neben der Erwerbsarbeit und der Care-Arbeit ist auch das Ehrenamt eine Ebene, die für Frauen berücksichtigt werden muss. Frauen müssen sich zumeist ehrenamtlich gegen ihre strukturelle Benachteiligung einsetzen, da diese nicht gefördert oder bezahlt wird, eine Tatsache, die in Vereinsstrukturen nicht nur reflektiert, sondern auch bekämpft werden soll. Die Themen, denen sich der Hamburger Frauenring zu Gründungszeiten verpflichtet hat, sind auch heute aktuell.
Netzwerk von Hamburger Frauenring e.V.
Biografie von Hamburger Frauenring e.V.
Fußnoten
- 1 Vgl. Bake, Rita: Olga Essig, Zugriff am 28.02.2022 unter https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3976&qN=olga%20essig.
- 2 Vgl. dies.: Emmy Beckmann, Zugriff am 28.02.2022 unter https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/emmy-beckmann#actor-content-about.
- 3 Vgl. dies.: Dora Hansen-Blancke, Zugriff am 28.02.2022 unter https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3099&qN=dora%20hansen-blancke.
- 4 Vgl. dies.: Hamburger Frauenring, Zugriff am 28.02.2022 unter https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3578&qN=hamburger%20frauenring.
- 5 Vgl. FrauenStadtArchiv Hamburg (im Folgenden: FSAHH), HFR005;7 „Publikation "Mittleilungen" 2/88“, Bl. 12.
- 6 FSAHH, HFR002; 1-2 „Satzung des Vereins vom 25.11.1954“, Bl. 1.
- 7 Vgl. FSAHH, HFR005; 7, Bl. 12.
- 8 Ebenda.
- 9 Vgl. FSAHH, FSA2021001.
- 10 Ebenda.
- 11 Ebenda.
- 12 FSAHH, HFR002; 18-14, Bl. 2.
- 13 FSAHH, HFR002; 18-14, Bl. 1.
- 14 FSAHH, FSA2021001.
- 15 FSAHH, HFR005; 5 Bl. 11.