
Über Gabriele Strecker
Der erste Beruf: Ärztin
Gabriele Strecker, geb. Schneider, wurde am 27. Dezember 1904 in Trier geboren und wuchs in Metz/Lothringen und in Frankfurt am Main in einer katholischen Kaufmannsfamilie auf, über die wenig bekannt ist. Nach dem Abitur, einem begonnenen Jurastudium, zwei Jahren Erzieherinnenstelle in Ägypten studierte sie zwischen 1928 und 1931 romanische und englische Philologie, als Nebenfächer Geschichte und Deutsch. Strecker strebte das Staatsexamen für den allgemeinen Lehrberuf an. 1930 heiratete sie den Frauenarzt Dr. Josef Strecker, mit dem sie zwei Kinder bekam – Hans 1932 und Peter 1935. Ab 1932 studierte sie Medizin, ein Fach, welches sie 1943 mit dem Dr. med. abschloss. Im gleichen Jahr begann die inzwischen studierte Medizinerin im Kreiskrankenhaus in Bad Homburg als Ärztin. Nach Kriegsende gab sie diesen Beruf auf und widmete sich als Politikerin und Journalistin dem demokratischen Wiederaufbau Deutschlands nach dem Nationalsozialismus.
Auf Sendung für Frauenpolitik
In ihrer Autobiografie Überleben ist nicht genug schilderte Gabriele Strecker, wie sie das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte. „So war die Stunde Null vor allem die Stunde der Erlösung vom Nazi-Druck, die Stunde der Hoffnung und des Neubeginns, auch des Vorsatzes, unbedingt am kommenden demokratischen Staatswesen mitzuarbeiten.“1 Diese Chance bot sich ihr schon bald, als sie die amerikanischen Besatzer in ihr Haus einlud und diese sie nach vielen intensiven Gesprächen fragten, ob sie nicht den Frauenfunk in Frankfurt am Main aufbauen wollte. Nach bestandener ‚Gesinnungsprüfung‘ konnte Strecker im Rundfunk anfangen. Aus den ein, zwei Jahren, die sie sich selber in dieser Position gegeben hatte, wurden 16 Jahre, in denen Strecker die Frauenpolitik der Nachkriegszeit in der BRD maßgeblich mit beeinflusste.
Ins Zentrum ihrer Arbeit als Leiterin des Frauenfunks stellte Gabriele Strecker ab 1946 frauenpolitische Themen. Die Arbeit Gabriele Streckers für den Frauenfunk war am Reeducation-Programm der amerikanischen Besatzungszone orientiert und versuchte, dieses in die Praxis umzusetzen. Das Reeducation-Programm sah unter anderem vor, dass Frauen zu verantwortlichen Staatsbürgerinnen gebildet und für internationale Themen interessiert werden sollten. Kultursendungen zählten ebenso zum Repertoire des Frauenfunks wie Berichte aus den Frauenorganisationen und aus dem Ausland, Ernährungs- und Erziehungsratgeber sowie Gesundheitstipps.
1946: Teilnahme an einer Internationalen Frauenkonferenz in den USA
1946 wurde Gabriele Strecker als einzige deutsche Frau von den amerikanischen Militärbehörden ausgewählt, an der internationalen Frauenkonferenz ‚Die Welt in der wir leben – Die Welt wie wir sie wünschen‘ in South Kortright, USA, teilzunehmen. Diese Konferenz, auf der sich 200 Frauen aus über 50 Ländern trafen, wurde für Gabriele Strecker zum Schlüsselerlebnis. Strecker sprach fortan Frauenorganisationen für die staatsbürgerliche Bildung von Frauen eine hohe Bedeutung zu und nutzte die im Rahmen der Konferenz geknüpften internationalen Kontakte in der deutschen Nachkriegsfrauenbewegung. In den folgenden Jahren besuchte sie regelmäßig die Frauenkongresse zweier großer internationaler Dachorganisationen, die des International Council of Women (ICW) und des International Alliance of Women (IAW), so zum Beispiel auf dem Dreijahrestreffen des ICW 1960 in Istanbul zum Thema: The Woman and the Family in a Changing World. Gabriele Strecker war Mitglied im Frankfurter Frauenverband, dem späteren Deutschen Frauenring Frankfurt2, und trat als Initiatorin der 1952 erfolgten Gründung des Frankfurter Clubs von Soroptimist International auf.
Für Frauen in Partei und Parlament – Gabriele Streckers Engagement in der CDU
Gabriele Strecker war bereits 1948 in die CDU eingetreten. Sie wurde Vorsitzende der hessischen Frauenvereinigung und war in dieser Position auch in der Bundesfrauenvereinigung (später: Frauen-Union) im Vorstand tätig. Sie war zwischen 1954 und 1962 Abgeordnete des Hessischen Landtages und im Sozialpolitischen sowie im Kulturpolitischen Ausschuss aktiv. Ab 1962 war sie für vier Jahre Mitglied im Bundesvorstand der CDU – in diesem Rahmen wurde sie als Mitglied des Fernsehrats für das ZDF nominiert (1962–1970). Trotz ihrer Bekanntheit durch das Radio konnte sie in der Parteipolitik wenig für die Frauen in der BRD erreichen – es ist fraglich, ob sie dies überhaupt versucht hat, denn in den Parteiunterlagen wird sie nicht als aktiv Handelnde sichtbar.
Texte in der Tradition der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung
Gabriele Strecker war eine Beobachterin ihrer Zeit, die sich in ihren Texten mit der aktuellen Lebenssituation von Frauen – wie zum Beispiel Die Diskriminierung des alleinstehenden Menschen – auseinandersetzte, aber immer wieder auch aktiv einen antikommunistischen Tenor einbrachte. Einen kleinen Einblick, wie diese antikommunistische Haltung in den Radiosendungen in der Frauenfriedens-Szene aufgenommen wurde, zeigt ein Offener Brief der Sozialrichterin und Vorsitzenden des Deutschen Kinderschutzbundes, der ehemaligen CSU-Abgeordneten Maria Deku (1901–1983).3 Selbst Mitbegründerin der Westdeutschen Frauenfriedensbewegung, schreibt Deku 1952 eine Stellungnahme zu einer Sendung – beziehungsweise einem Kommentar – von Gabriele Strecker, in der diese über Frauenfriedenskundgebungen berichtet und sich stark antikommunistisch geäußert hatte.
‚Neue‘ Rollen für Frauen – aber ohne Systemfrage
Gabriele Strecker vertrat die Positionen des gemäßigten bürgerlichen Flügels der ersten Frauenbewegung um 1900 und setzte sich für eine Fortführung dieser Politik ein. Das bedeutete, dass sie die ‚natürliche‘ Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter akzeptierte und diese nicht infrage stellte4 – ohne allerdings das emanzipatorische Potenzial der ersten Frauenbewegung zu erkennen. Die (partielle) Berufstätigkeit von Frauen und der Status als aktive und gleichberechtigte Staatsbürgerin wurden von ihr als ‚neue‘ Rollen für Frauen zwar verstanden,5 allerdings stellte sie nie die Systemfrage und propagierte vielmehr die Anpassung der Frauen an die männlich geprägte politische Gesellschaft. Diese Erweiterung des alten Frauenbildes hin zu einer aktiveren Rolle der Frau in der Gesellschaft wurde von Strecker in ihren Schriften und Vorträgen immer wieder aufgegriffen und bedeutete eine moderate Aufweichung beziehungsweise Erweiterung ihres konservativ-christlich geprägten traditionellen Frauenbildes.6
Gabriele Strecker verfasste ab 1946 Manuskripte für den Frauenfunk von Radio Frankfurt und den Hessischen Rundfunk. Hinzu kamen Artikel für Zeitschriften und Zeitungen, vor allem Berichte über Konferenzen, aber auch lebensberatende Texte, so zum Beispiel zum Thema Alter.7 Sie publizierte mehrere Schriften zur staatsbürgerlichen Bildung8 und eine Betrachtung über die Situation der Frau in den 1960er-Jahren9, außerdem ein Buch über den Frauenroman10. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie ihre Teil-Autobiografie mit dem Titel Überleben ist nicht genug, darin behandelt sie ausführlich die Jahre 1945 bis 1950.11
Gesundheitliche Gründe zwangen Gabriele Strecker in den 1960er-Jahren zum Umzug in die Schweiz nach Neggio im Tessin. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, weiterhin parteipolitischen Tätigkeiten nachzugehen, Vorträge zu halten und journalistische Arbeiten wahrzunehmen. Im Alter von 66 Jahren zog sie sich zwar von ihren politischen Ämtern zurück, war aber noch als Vortragende und Schreibende tätig. Sie starb am 6. August 1983 im Alter von 78 Jahren in Bad Homburg.
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Zitate von Gabriele Strecker
Biografie von Gabriele Strecker
Fußnoten
- 1 Strecker, Gabriele: Überleben ist nicht genug, Frauen 1945 – 1950, Freiburg i.Br. 1981, S. 11.
- 2 Der Bestand des Deutschen Frauenring Frankfurt befindet sich im Archiv der deutschen Frauenbewegung, NL-K-07.1.
- 3 Vgl. Appelius, Stefan: Pazifismus in Westdeutschland. Die deutsche Friedensgesellschaft 1945-1968, Band II, Aachen/Mainz 1991, S. 694.
- 4 So, wenn sie keine Notwendigkeit für die Planung von Kindertagesstätten in zukünftigen Wohnsiedlungen sieht. Vgl. Kurzbericht über die 21. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses am 15.1.1958, Archiv des Hessischen Landtages, III. Wahlperiode, S. 22.
- 5 Strecker, Gabriele: Frausein – heute, Weilheim/Obb. 1965, S. 132.
- 6 Vgl. Dies.: Frausein – heute; vgl.: Roth, Tanja: Gabriele Strecker. Leben und Werk einer frauenpolitischen Aktivistin in der Nachkriegszeit, Dissertation, Kassel 2015. kassel university press 2016 (http://www.addf-kassel.de/dossiers-und-links/dossiers/gabriele-strecker/#c697).
- 7 Vgl. zum Beispiel Artikel und Vorträge zum Thema Alter und Altern. Siehe Findbuch zum Nachlass von Gabriele Strecker in der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung. (http://www.addf-kassel.de/fileadmin/user_upload/Bestaende/NL-P-01_Strecker_Findbuch.pdf).
- 8 Strecker, Gabriele: Hundert Jahre Frauenbewegung in Deutschland, Wiesbaden o.J. [1951]; dies.: Der Hessische Landtag. Beispiel des deutschen Nachkriegsparlamentarismus, Bad Homburg v.d.H. [u.a.] 1966; dies.: Gesellschaftspolitische Frauenarbeit in Deutschland. 20 Jahre Deutscher Frauenring. Mit einem Anhang von Gisela Naunin, Opladen 1970.
- 9 Strecker, Gabriele: Frausein – heute, Weilheim/Obb. 1965.
- 10 Dies.: Frauenträume – Frauentränen. Über den unterhaltenden deutschen Frauenroman, Weilheim 1969.
- 11 Dies.: Überleben ist nicht genug, Frauen 1945 – 1950, Freiburg i.Br. 1981.