Fasia Jansen Geboren am in Hamburg Gestorben am in Oberhausen

Über Fasia Jansen

In diesem Essay zu Fasia Jansen geben Marny Garcia Mommertz und Princela Biyaa einen Einblick in ihre Beschäftigung mit dem Leben der Musikerin und Friedensaktivistin. Sie berichten von den verschiedenen Phasen ihrer Recherche, die sie seit 2020 zum Lebenswerk Fasia Jansens betreiben.

Fasia Jansen wurde am 6. Juni 1929 in Hamburg als Tochter von Elli Jansen, die als Zimmermädchen arbeitete, und dem liberianischen Generalkonsul Momulu Massaquoi (1869–1983) geboren. Ihr Vater musste noch vor Fasias Geburt nach Liberia zurückkehren. Sie wuchs bei ihrer Mutter, und später auch mit ihrem Stiefvater und ihrer Halbschwester mütterlicherseits, in Rothenburgsort auf, einem Arbeiterbezirk in Hamburg.

Auch wenn wir während unserer Recherchen bisher keine Aufzeichnungen über ein Treffen zwischen Fasia und ihrem Vater finden konnten, hielt Fasia engen Kontakt zu ihrer älteren Halbschwester väterlicherseits, Princess Fatima Massaquoi sowie ihrer Nichte, Vivian Seton, die uns viel über das Leben und die Familie ihrer Mutter berichtete. Princess Fatima Massaquoi lehrte in den 1920ern an der Universität Hamburg und zog später von der Hansestadt in die USA. Sie schrieb Fasia immer wieder Briefe und besuchte sie, wenn möglich. Über ihren interessanten Lebensweg kann in The Autobiography of an Princess gelesen werden. Vivian Seton, die sich in Gesprächen als Geschichtsaufbewahrerin der Familie bezeichnet, arbeitet zurzeit an der Realisierung einer Verfilmung der Familiengeschichte.

Durch Aufzeichnungen und auch Fasias Berichte wissen wir, dass ihre Leidenschaft für Musik und insbesondere Tanz schon in ihrer Kindheit geweckt wurde. Über ihren Stiefvater, den Kommunisten Albert Bracklow, lernte sie die Arbeiten der Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin Josephine Baker kennen und erhoffte sich eine ähnliche Karriere in Deutschland. Dieser Traum wurde ihr mit der weiteren Ausbreitung und Einflussnahme der rassistischen politischen Agenda des Nazi-Regimes verwehrt. Anfang der 1940er-Jahre war Fasia Jansen dazu gezwungen, die Tanzschule, die sie zuvor mit Freude und Erfolg besucht hatte, zu verlassen. Dies war ein Schicksalsschlag, der ihr das ganze Leben lang zusetzte.

Pflichtjahr in einem Außenlager von KZ-Neuengamme

Anders als die Mädchen ihres Alters, die unter dem nationalsozialistischen Regime ein Pflichtjahr in einem privaten Haushalt absolvieren mussten, wurde die 15-jährige Fasia aufgrund ihres ‚nicht arisch seins’, wie sie es später zitierte, dazu verpflichtet, in dem KZ-Außenlager Neuengamme zu arbeiten. Von 1944 bis 1945 musste die jugendliche Fasia Jansen dort unter menschenunwürdigen, körperlich und psychisch belastenden Bedingungen in einer Küche für die im KZ inhaftierten Menschen kochen. Sie erlebte die Grausamkeit der SS und die Verzweiflung der inhaftierten Menschen – Anblicke, Gerüche und Geräusche, von denen sie in Bildern und Notizen berichtete und an die sie sich auch in ihrem späteren Leben immer wieder schmerzlich erinnerte.

Auch wenn sie selbst von einer Inhaftierung verschont blieb, lebte sie doch in ständiger Angst und wurde Ziel ärztlicher Versuche, deren Hintergrund sie nie vollständig aufklären konnte. Fasia Jansen überlebte den Holocaust mit erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen – unter anderem einem Herzleiden, von dem sie sich nicht mehr erholt. In Kontrast zu ihrer Dokumentation dieser Zeit steht die Ablehnung ihres Antrags auf Reparationszahlungen an den deutschen Staat. Dieser wurde in den 1950er-Jahren mit der Begründung abgelehnt, Schwarze Menschen seien nicht Zielscheibe des Nazi-Regimes gewesen.

Musik und Friedensaktivismus

In den frühen 1950er-Jahren zog Fasia Jansen auf Anraten ihrer Ärztin ins Ruhrgebiet nach Oberhausen. Dort würde sich das Klima besser auf ihren gesundheitlichen Zustand auswirken als in der feuchten Hafenstadt Hamburg. In Oberhausen wohnte sie bei der Familie ihrer engen Freundin Anneliese Althoff, die dank der emotionalen Verbundenheit wie ihre eigene war. In den folgenden Jahren widmete sie sich der Musik und reiste erst als Musikerin und dann als Sängerin durch Europa, um bei verschiedenen Veranstaltungen wie zum Beispiel politischen Festivals oder im Rahmen einer Tournee für die IG Metall aufzutreten. Einladungen zu diversen Veranstaltungen, die sich heute im Fritz-Hüser-Institut in Dortmund finden, dokumentieren diese Zeit.

Fasia Jansen / Archiv Fritz-Hüser-Institut_1
Michael Meyborg
Quelle
Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
Lizenz
Fasia Jansen

Zu Beginn der 1980er-Jahre fing sie an, die Kämpfe der „Hoesch Frauen“, eine Gruppe von Frauen, die sich für Arbeitsplätze in einem Stahlwerk in Dortmund einsetze1, mit ihrem musikalischen Talent zu unterstützen. Sie schrieb Lieder über faire Arbeitszeiten und Löhne. Gemeinsam mit den Frauen setzte sie sich bei zahlreichen Protestaktionen und -märschen für Gerechtigkeit und im Kontext des Kalten Krieges auch für den Weltfrieden ein. In einem bunt bemalten Bus, den sie den „Friedensbus“ nannten, besuchte Fasia Jansen mit ihren Freund_innen und Weggefährt_innen auch Verbündete außerhalb Deutschlands und in ganz Europa. 1985 wurde sie zur Weltfrauenkonferenz in Nairobi eingeladen. Ihre Freund_innen berichteten in Gesprächen aus dieser Zeit, dass Fasia eine besondere Stärke hatte, Menschen anzusprechen, sie zu mobilisieren und Emotionen zu erregen. Sie widmete ihr Leben der Musik und dem Friedensaktivismus.

Nach langer Krankheit verstarb Fasia Jansen 1997 in Oberhausen, wo sie zu dem Zeitpunkt zusammen mit ihrer Partnerin Ellen Dietrich lebte. Bei unserem Besuch 2020 durften wir einen Einblick in diesen faszinierenden Ort, der die Wohnung der beiden war, erhalten. Dort sammelten sie gemeinsam sorgsam Bilder, Zeitungsartikel und Artefakte von Protesten und Reisen.

Heute sind Fasia Jansens Geschichte, ihre Werke und Sammlungen von und über sie – insbesondere für Schwarze Menschen in Deutschland – von großer Bedeutung. Sie verkörpert eine wenig dokumentierte Perspektive Schwarzer deutscher Geschichte seit 1929, an der sich gesellschaftliche Strukturen zu verschiedenen politischen Momenten in Deutschland ablesen lassen. So widmet beispielsweise Arca – Afrikanisches Bildungszentrum in Hamburg Fasia Jansen einen öffentlichen Lernort für Geschichtsschreibung aus afrikanischen und afrodiasporischen Perspektiven, die Fasiathek. Auch das Fasia Jansen Ensemble will die Erinnerung an die Aktivistin aufrechterhalten, erprobte und führte in den vergangenen Jahren die Lieder der Schwarzen deutschen Aktivistin auf. 2023 entstand eine Theaterinszenierung mit dem Titel Fasia – das letzte Jahr.

Recherche

In unseren eigenen Auseinandersetzungen beschäftigen wir uns seit 2020 mit Fasia Jansen, ihrer Geschichte und ihrem Lebenswerk. Während der ersten Recherchephase von 2020 bis 2022 lag der Schwerpunkt darauf, uns einen Zugang zu ihrer Geschichte zu verschaffen. Ausschlaggebend war hierbei vor allem, dass viele der erarbeiteten Materialien zu Fasia Jansen aus weißen feministischen Perspektiven entstanden waren. Ein Beispiel ist hier das Buch FASIA geliebte Rebellin, der Film Frauengeschichten von Christel Priemer oder aber das Archiv und die Arbeiten der Fasia Jansen Stiftung, die unter anderem den Nachlass Fasia Jansens beinhaltet und bis 2022 von ihren Weggefährt_innen verwaltet wurde.
Auch wenn wir aus dem Nachlass Fasias wissen, wie wichtig ihr das Archivieren der eigenen Geschichte war, wurde gerade von Seiten der Stiftung eine Kontextualisierung ihrer Geschichte vorgenommen, die für uns wichtige Aspekte der Auseinandersetzung mit ihrem Schwarzsein in einem sonst weißen Kontext ausgeblendet hat.

Unser Ansatz war es, Fasias Werk in einem Kontext von zwei Schwarzen deutschen Perspektiven zu positionieren. Ihre Geschichte in einem gesellschaftlich rassifizierten Kontext zu analysieren, überlappt zum Teil mit der Arbeit der Schwarzen US-amerikanischen Theoretikerin und Wissenschaftlerin Tina Campt. In den 1990er-Jahren interviewte Campt Fasia Jansen im Rahmen ihrer Recherche zu ‚Race‘ im deutschen Nationalsozialismus. Dreh- und Angelpunkte ihres Gesprächs, das an zwei Tagen stattfand, waren Schwarzsein und Identität bzw. Identitätsfindung. Ausschnitte lassen sich in dem Buch Other Germans finden. Das komplette Gespräch ist unveröffentlicht, jedoch ließ Campt es uns im Kontext unserer Arbeit zukommen. Bis dato ist es eines der wenigen Gespräche, die wir finden konnten, in dem sich Fasia Jansen konkret über ihr Schwarzsein äußert – und das einzige aufgezeichnete Gespräch, in dem sie mit einer anderen Schwarzen Person spricht.

Fasia Jansen / Fritz-Hüser-Institut_2
Manfred Scholz
Quelle
Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
Lizenz
Fasia Jansen auf einer Kundgebung

In diesem Zusammenhang sticht vor allem heraus, dass Fasia nicht Teil der Schwarzen Deutschen Frauenbewegung der 1980er-Jahre war. Auch wenn sie mit einzelnen Akteurinnen in Kontakt stand, kam sie doch aus einer anderen Generation und benutzte eine andere Sprache, um ihre Lebensumstände und Identität zu beschreiben, als beispielsweise die ADEFRA-Generation, die sich während Audre Lordes Aufenthalt in Berlin gebildet hat.

In ihrem Gespräch mit Tina Campt gibt Fasia, neben Einblicken in ihre Kindheits- und Jugenderfahrungen unter anderem im KZ-Neuengamme, Einblicke in ihr schwieriges Verhältnis zum Archivieren. So erzählt sie beispielsweise, wie sie ganze Säcke voller Tagebücher weggeschmissen habe, in dem Versuch, „nackt“ für ihre Nachwelt dazustehen.2 Diese Aussage hat uns dahin gebracht, uns mit unseren eigenen Rollen als Forschende auseinanderzusetzen. Mit welchem Recht durchstöbern wir heute Fasias private Notizen? Dies ist eine Frage, die uns weiterhin begleitet.

Wir haben vorläufig einen Umgang damit gefunden, indem wir uns mit Menschen aus ihrer Umgebung auseinandergesetzt haben, wie ihrer Schwester Princess Fatima Massaquoi, ihrer Nichte Vivian Seton und der Familiengeschichte der Massaquois.
Im Sommer 2023 wurden wir beauftragt, eine Kunstinstallation zu Fasia Jansen zu kreieren, die voraussichtlich 2024 in Dortmund ausgestellt wird. Anlass dafür war, dass Fasia Jansens Nachlass, der bis dahin in der Fasia Jansen Stiftung aufbewahrt wurde, an das Fritz-Hüser-Institut übergeben wurde. Nachdem wir mehrere Jahre auf der Suche nach Fasias Tagebüchern und persönlichen Aufschriften waren, haben sich diese zum Teil in dem nun öffentlich zugänglichen Archiv wiedergefunden.

Das Archiv der Fasia Jansen Stiftung wurde sorgfältig von ihren Weggefährtinnen gepflegt. Es ist ihnen und Fasia Jansens Testament zu verdanken, dass es heute einen detailreichen Bestand mit Notizen, Zeitungsartikeln, Briefkorrespondenzen, Filmen, Kassetten, Dias, Fotos und weiteren Medien gibt. In unserer aktuellen Recherche, die nicht abgeschlossen ist, hat sich etwas Grundlegendes an unserem Umgang mit Fasia Jansens Nachlass verändert: Waren wir in unserer ersten Forschungsphase Suchende, die nach einer offenkundigen Auseinandersetzung Fasias mit ihrem Sein gesucht haben, verstehen wir uns fast drei Jahre später als Betrachtende ihres Gesamtwerkes. Die Fülle der Materialien und Inhalte, zu denen wir heute über das Fritz-Hüser-Institut Zugang haben, geben uns neue Einblicke in Fasias Leben, anhand derer wir vor allem soziale Verstrickungen in der NS-Zeit sowie der 68er-Bewegung ablesen und neu einordnen können. Es geht uns heute darum, die Muster der Narration Fasias eigener Lebensgeschichte herauszuarbeiten.

 

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Verfasst von
Princela Biyaa

arbeitet als Creative Producerin, Kuratorin und Künstlerin in Berlin. In ihrer Arbeit zu Archiven beschäftigt sie sich mit Wegen einer selbstbestimmten Geschichtsschreibung und -sammlung aus Schwarzen Perspektiven. Damit einher geht auch das kritische Hinterfragen bestehender Archive, Sammlungen und Institutionen zur Schwarzen Geschichte in der Diaspora und auf dem Kontinent. Seit 2022 ist sie Fellow bei PACT Zollverein.

Marny Garcia Mommertz

ist freie Autorin, Kulturproduzentin und Künstlerin. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit Formen des Archivierens und autobiografischen Schreibens auseinander. Ihr Fokus liegt hierbei auf den Geschichten Schwarzer Menschen und Narrativen in Deutschland, Brasilien und auf Kuba. Aktuell ist sie als Managing Editor des zeitgenössischen Kunstmagazins C& América Latina tätig. Von 2022 bis 2023 war sie Fellow bei PACT Zollverein. Sie hat einen M.A. in Museum Studies der Universität Amsterdam und studiert Kuratorische Praxis (M.A.) an der Universität von Bergen.

Empfohlene Zitierweise
Biyaa, Princela/Garcia Mommertz , Marny (2024): Fasia Jansen, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/fasia-jansen
Zuletzt besucht am: 09.09.2024
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Rechteangabe
  • Biyaa, Princela
  • Garcia Mommertz , Marny
  • Digitales Deutsches Frauenarchiv
  • CC BY-SA 4.0

Zitate von Fasia Jansen

Biografie von Fasia Jansen

Geburt in Hamburg

Anfang der 1940er-Jahre

Fasia Jansen wurde dazu gezwungen, die Tanzschule, die sie zuvor mit Freude und Erfolg besucht hatte, zu verlassen.

1944 - 1945

Fasia Jansen musste ihr "Pflichtjahr" im Konzentrationslager Neuengamme ableisten.

Anfang der 1950er Jahre

Fasia Jansen zieht aus gesundheitlichen Gründen ins Ruhrgebiet nach Oberhausen.

Fasia Jansen unterstützte sieben Frauen, die vor dem Tor 1 der Dortmunder Westfalenhütte in einen dreitägigen Hungerstreik traten, um für ein neues Stahlwerk zu kämpfen und Arbeitsplätze zu sichern.

1991

Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

1996

Verleihung der "Ehrennadel" der Stadt Oberhausen

Tod in Oberhausen

Fußnoten

  1. 1 Steger, Angelika: Der Kampf der „Hoesch-Frauen“ um Arbeitsplätze von Männern: Ein vergessenes Kapitel Dortmunder Geschichte, abgerufen am 01.03.2024, unter: https://www.nordstadtblogger.de/der-kampf-der-hoesch-frauen-um-arbeitsplaetze-von-maennern-ein-vergessenes-kapitel-dortmunder-geschichte/.
  2. 2 Fasia Jansen, Interview mit Tina Campt, Oberhausen, Germany 02.02.1992.

Ausgewählte Publikationen