Über Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD)
Was ist die EFD?
Die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD) war ein Zusammenschluss von etwa fünfzig Frauenorganisationen, die durch ihre Konfession und Ziele in gemeinsamen Interessen verbunden waren. Die einzelnen Mitgliedsorganisationen agierten weitgehend eigenständig, der Verband half ihnen jedoch bei der Kooperation untereinander sowie der Finanzierung und diente zur Bündelung von Perspektiven evangelischer Frauen in Gesellschaft, Staat und Kirche.1 Darüber hinaus engagierte sich die EFD in ökumenischen Projekten wie dem Weltgebetstag der Frauen und der Arbeit mit Migrantinnen. Die Zahl der Mitgliedsorganisationen variierte, lag aber meist bei etwa vierzig selbstständig arbeitenden Frauenorganisationen.
Gründung und Weimarer Republik
Im Juni 1918 gründeten vier große evangelische Frauenverbände einen gemeinsamen Dachverband mit dem Namen Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands (VEFD). Dies waren: der Deutsch-Evangelische Frauenbund (DEF), die Evangelische Frauenhilfe in Deutschland (EFHiD), der Evangelische Verband für die weibliche Jugend Deutschlands und der Kaiserswerther Verband deutscher Diakonissenmutterhäuser. Ziel war es, die evangelischen Frauenvereine zu verbinden und zu koordinieren. Ähnliche Dachverbände existierten in der konfessionslosen und katholischen Frauenbewegung schon seit geraumer Zeit. Die Vorsitzenden wurden aus den vier genannten Verbänden gewählt.
Den Vertreterinnen der evangelischen Frauenvereine und -bewegung wurde durch den Ersten Weltkrieg bewusst, dass sie auf die neue gesellschaftliche und politische Situation reagieren mussten. Nachdem am 12. November 1918 der Rat der Volksbeauftragten das künftige demokratische Wahlrecht erklärt hatte, trat das aktive und passive Frauenwahlrecht am 30. November per Reichswahlgesetz in Kraft. Obwohl die Angehörigen der evangelischen Frauenbewegung dieses zum Großteil bis dahin abgelehnt hatten, sahen sie nun die Notwendigkeit, Aufklärungsarbeit politischer Art zu leisten, um weiblichen und evangelischen Ansichten Gehör zu verschaffen. Die VEFD gründete unter anderem Beratungsstellen und veranstaltete Kurse, um Frauen über ihre politischen Rechte und Pflichten zu informieren.2 Diese Aufklärungsarbeit setzte der Verband fort und begründete damit eine Tradition der politischen Bildung, die er bis zum Ende beibehalten sollte. Neben den politischen Bemühungen vertrat er auch auf kirchlichem Gebiet eine eigene Stimme. Die EFD bereitete Frauen auf einflussreichere Positionen in der evangelischen Kirche vor. Frauenbildung war ein allgemeines Betätigungsfeld des Verbands, ebenso wie Bibel-, Jugend- und Sozialarbeit.3
Während des Nationalsozialismus
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 änderten sich die Bedingungen massiv. Die Nationalsozialisten waren bestrebt, alle Frauenvereine im Sinne ihrer Ideologie gleichzuschalten. Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, schloss sich der Verband stärker an die Deutsche Evangelische Kirche an. Dieser Schritt schützte jedoch nicht vollständig vor Repressalien, so dass viele Mitgliedsvereine ihre Arbeit einstellen mussten. Die evangelische Kirche ihrerseits verlangte ebenfalls, dass der Verband seine Eigenständigkeit aufgeben und nach den Maßgaben der Kirche arbeiten sollte.4 Dies schränkte die Arbeit deutlich ein, doch die VEFD wurde nie aufgelöst.
Die Nachkriegszeit
Direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war der Bedarf an Unterstützung in der Bevölkerung sehr groß und viele Frauenvereine wurden wieder aktiv. 1946 belebte Elisabeth Schwarzhaupt (1901–1986) gemeinsam mit Antonie Nopitsch (1901–1975) und Dr. Antonie Kraut (1905–2002) den Verband in Schwäbisch Gmünd unter dem Namen Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD) neu5. 1948 siedelte die Geschäftsstelle für die folgenden sechzig Jahre nach Frankfurt am Main über. Ziel des wiederbelebten Verbands war es, die vor dem Krieg begonnene Arbeit fortzusetzen: Geschäftsführerin Schwarzhaupt erklärte 1947, die Aufgabe liege zwischen den „beiden Polen, der Sammlung von Frauen um die Bibel im engsten Kreis der Gemeinde und der Vertretung der evangelischen Frauen in Staat und Gesellschaft.“6
Die EFD umfasste Frauenvereine in Ost- und Westdeutschland, deren Zusammenarbeit bis zum Bau der Mauer 1961 sehr eng, danach jedoch stark erschwert war. Es entstand ein eigener Verband in der DDR,7 jedoch blieben die Frauen in Ost und West bis zur Wiedervereinigung durch jährliche innerdeutsche Begegnungstage in Kontakt.8
Nach der Wiedervereinigung
Im Jahr 1994 schloss sich der ostdeutsche Verband der EFD an. Obwohl die Mitgliederzahlen durch diesen Beitritt stiegen, drohten der EFD in den Folgejahren immer wieder starke finanzielle Kürzungen. Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) hatte seit den 1970er-Jahren immer wieder Sparmaßnahmen zulasten der von ihr geförderten Frauenverbände vorgesehen, denen sich diese stets protest- und erfolgreich widersetzten. In den 2000er-Jahren setzte die EKD ihre Pläne zur Rationalisierung doch in die Tat um. Dies hatte zur Folge, dass EFHiD und EFD Anfang 2008 zum neuen Dachverband Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD) mit Sitz in Hannover fusionierten. Hiermit endete die Verbandsgeschichte der EFD.
Aufgaben und Arbeitsfelder
Die EFD verfügte von Beginn an über einen Rechtsausschuss, der regelmäßig Stellungnahmen zu politischen und rechtlichen Entwicklungen verfasste, um aus einer weiblichen Perspektive auf Politik und Kirche einzuwirken. Der Verband veröffentlichte zudem Positionspapiere zu thematisch breitgefächerten, dringlichen Fragen wie beispielsweise Präimplantationsdiagnostik oder Umweltschutz. Besondere Aufmerksamkeit widmete er jahrzehntelang dem Thema Abtreibung, deren Entkriminalisierung er vehement forderte.
Als ebenso wichtig wie die soziale und politische Arbeit sah die EFD ihre religiösen Aufgaben an. Bibelarbeit und Gottesdienste waren den Frauen selbstverständlich, da sie oft über theologische Hintergründe verfügten. Die Beziehung des Verbandes zur EKD war mitunter ambivalent. Auf der einen Seite berief die Kirche viele EFD-Vertreterinnen in kirchliche Positionen und Gremien, auf der anderen Seite bestand der Verband immer darauf, seinen unabhängigen Weg zu gehen. Oftmals widersprach er den Ansichten der EKD und handelte nicht nach deren Erwartungen.
Zusätzlich knüpfte die EFD viele Kontakte mit Freikirchen und engagierte sich für die Ökumene in Deutschland sowie auf internationaler Ebene. Seit 1949 war sie am Weltgebetstag der Frauen beteiligt und verwaltete dessen Spendeneinnahmen bis 2006. Die Beteiligung an WGT-Projekten ermöglichte der EFD, sich weltweit für Frauenemanzipation zu engagieren. Ab 1954 bot sie Hilfeleistungen für Flüchtlinge aus der DDR und den sowjetischen Gebieten an, später wurden daraus die sogenannten „Aufbauwochen“, die sich bis in die 2000er-Jahre hinein der Integration von Spätaussiedler:innen widmeten.
Die EFD agierte zwischen 1974 und 2004 als Nationalverband der deutschen Young Women’s Christian Association (YWCA).9 „Kosmopolitisches Bewusstsein“10 war das erklärte Ziel. Der Verband organisierte und unterstützte verschiedene internationale Projekte – teilweise jahrzehntelang. Unter anderem war er aktiver Teil der Anti-Apartheid-Bewegung: Besonders bekannt ist die von den Frauen organisierte Boykottaktion „Kauft keine Früchte aus Südafrika “, die sich von 1978 bis 1992 gegen das Apartheidsregime in Südafrika wandte.11 Während des Bosnienkrieges (1992–1995) war die Unterstützung bosnischer Frauen Schwerpunkt. Langjährige Arbeitsgruppen setzten sich mit dem Verhältnis von Deutschen und Migrantinnen oder auch Gewalt gegen Frauen auseinander. All diese Aufklärungs- und Protestarbeit spiegelt sich in der Verbandszeitschrift mitteilungen wider, die seit 1947 über Ereignisse innerhalb des Verbandes, der evangelischen Kirche in Deutschland und in der Welt informierte.
Der Bestand im AddF
Die Akten der EFD wurden 2014 dem AddF übergeben. Aus den Jahren zwischen 1918 und 1945 sind nur wenige Unterlagen überliefert. Die Überlieferung ab 1946 bis 2007 ist dagegen umfangreich und umfasst größtenteils Akten der Geschäftsstelle. Darüber hinaus finden sich viele Fotos und einige Objekte. Die Unterlagen belegen die umfangreiche und vielfältige Arbeit der EFD auf gesellschaftlichem, politischem und kirchlichem Gebiet. Der Bestand bietet unter anderem zahlreiche Informationen zu den Themenbereichen evangelische Frauenbewegung in der Bundesrepublik, Protestaktionen, rechtlichen Stellungnahmen betreffend Frauen- und Kinderrechte oder Entwicklungshilfe. Auch die Verbandszeitschrift mitteilungen liegt vollständig vor und ergänzt somit die Überlieferung.
Die Geschichte der EFD ist bisher gänzlich unerforscht. Nach Abschluss der Erschließung und Bearbeitung ist der Bestand im AddF seit 2022 erstmals nutzbar. Trotz der für den Zeitraum zwischen 1918 und 1946 fehlenden Überlieferung im EFD-Bestand selbst, können die Akten und Zeitschriften des DEF – einer der vier Gründungsverbände der VEFD – über die Frühzeit des Verbandes und seine Position in der NS-Zeit Auskunft geben.
Netzwerk von Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD)
Biografie von Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD)
Fußnoten
- 1 Vgl. Evangelische Frauenarbeit in Deutschland: Wer wir sind und was wir wollen, in: mitteilungen der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (mitteilungen), 395, November 1995, S. 5‒7.
- 2 Vgl. mitteilungen, Sondernummer 75 Jahre EFD, 1993, S. 3 f.
- 3 Vgl. mitteilungen, Sondernummer 75 Jahre EFD, 1993, S. 4.
- 4 Vgl. Referat von Antonie Kraut anlässlich der Jubiläumstagung 1958; AddF, Kassel, Sign.:NL-K-33; 213-1.
- 5 Vgl. Vortrag bei der Tagung der EFD Thüringen in Weimar im Februar 1959 von Frau Fischer; AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33 ; 186-1.
- 6 Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, 1. Jg., Nr 24/25, 1947. Zitiert nach: mitteilungen, Sondernummer 75 Jahre EFD, 1993, S. 93.
- 7 Vgl. Bericht von Eva-Dorothée Denneberg über die Evangelische Frauenarbeit 1963-1971, 3.7.1973; AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33; 186-1.
- 8 Vgl. mitteilungen, 397, Mai 1996, S. 4 f.
- 9 Vgl. Mitgliederversammlung der Evangelischen Frauenarbeit 1980 von Sigrid Römelt und Future representation of YWCA Germany, 06.02.2004; AddF, Kassel, Sign.: NL-K-33 ; 92-1.
- 10 Vgl. mitteilungen, 267, April 1971, S. 4.
- 11 Siehe auch: Tripp, Sebastian: Fromm und politisch. Christliche Anti-Apartheid-Gruppen und die Transformation des westdeutschen Protestantismus 1970–1990, Göttingen 2015, S. 107–181; Mara Brede, »Apartheid tötet – boykottiert Südafrika!«. Plakate der westdeutschen Anti-Apartheid-Bewegung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 13 (2016), H. 2, URL: https://zeithistorische-forschungen.de/2-2016/5370, DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1409, Druckausgabe: S. 348‒359; Schmidt-Biesalski, Angelika (Hrsg.): Früchte aus Südafrika: Geschichte und Ergebnisse einer Frauenkampagne, Berlin 1993.
Ausgewählte Publikationen
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Drummer, Helke: Elisabeth Schwarzhaupt (1901-1986). Portrait einer streitbaren Politikerin und Christin, Freiburg i.Br. 2001.
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Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (Hg.): Sondernummer 75 Jahre EFD – 1993. Die Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands. Dokumente aus der Geschichte des Dachverbandes von der Gründung 1918 bis zum Wiederanfang 1946, in: mitteilungen der evangelischen Frauenarbeit in Deutschland, 1993.
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Hoffmann, Beate: Antonie Nopitsch (1901-1975); in: Adelheid M. von Hauff (Hg.): Frauen gestalten Diakonie. Band 2: Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. W. Kohlhammer, Stuttgart 2006; S. 532‒550.
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Leitz, Ingeborg (Hg.): Frauen stimmen. Eine Bestandsaufnahme evangelischer Frauenarbeit, Stuttgart 1992.
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Schmidt-Biesalski, Angelika (Hg.): Früchte aus Südafrika : Geschichte und Ergebnisse einer Frauenkampagne, Berlin 1993.
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Stelck, Edda: Politik mit dem Einkaufskorb. Die Boykott-Aktion der evangelischen Frauen gegen Apartheid, Wuppertal 1980.
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Tripp, Sebastian: Fromm und politisch. Christliche Anti-Apartheid-Gruppen und die Transformation des westdeutschen Protestantismus 1970–1990, Göttingen 2015, S. 107‒181.