Über Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD)

Welche Rolle spielte der DFD für die Entwicklung des Frauenbewusstseins von der Nachkriegszeit bis zum Ende der DDR? Welche Beschränkungen wurden der Organisation auferlegt? Wie veränderte sie sich nach dem Umbruch?

Der DFD entstand aus den antifaschistischen Frauenausschüssen, die sich 1945 in ganz Deutschland gebildet hatten. Er wurde während des Deutschen Frauenkongresses für den Frieden vom 7. bis 9. März 1947 von Frauen aus allen vier Besatzungszonen als gesamtdeutsche Frauenorganisation gegründet. Die erste DFD-Vorsitzende war bis April 1948 die parteilose Ärztin Anne-Marie Durand-Wever.

Schwesterliche Verbundenheit

Dem Gründungsgelöbnis entsprechend wollten die Frauen „in schwesterlicher Verbundenheit über Weltanschauung, Konfession und Beruf hinweg helfen, Militarismus und Faschismus völlig auszumerzen und das Sehnen der Menschen nach dauerhaftem Frieden zu verwirklichen“1 . Dieses Gelöbnis widersprach der Politik des Kalten Krieges mit seinen klaren Feindbildern. Die Dominanz des Klassenwiderspruchs führte dazu, dass der DFD in der ehemaligen Bundesrepublik 1957 verboten wurde und dass er sich in der DDR 1964 der SED unterordnete, als die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei ins DFD-Statut aufgenommen wurde.

Beitrittserklärung zum DFD von 1948

Gleichwohl wurde ‚schwesterliche Verbundenheit‘ ganz offensichtlich gebraucht. Im Gründungsjahr der beiden deutschen Staaten 1949 zählte der DFD knapp 500.000 Mitglieder. In der BRD versammelte der DFD bis zu seinem Verbot 28.000 Mitglieder. Gegen Ende der DDR erreichte die Mitgliederzahl die 1,5-Millionen-Marke.2

Frauenfrage und Klassenfrage

Wer sich das widersprüchliche Leben des DFD in der DDR und seine bis heute anhaltende widersprüchliche Rezeption erklären will, muss zunächst das Konzept zur Kenntnis nehmen, nach dem der Sozialismus des 20. Jahrhunderts funktionieren sollte. Mit Bezug auf die Kapitalismuskritik von Karl Marx und die Schlussfolgerungen, die Friedrich Engels aus der Matriarchatsforschung des 19. Jahrhunderts abgeleitet hatte, wurde die sogenannte Frauenfrage als Teil der Klassenfrage interpretiert. Die westdeutsche Linke entwickelte daraus die These vom Haupt- und Nebenwiderspruch. Die DDR-Frauenpolitik sah im Geschlechterthema keine gesellschaftlichen Widersprüche, sondern lediglich Relikte der Vergangenheit, und berief sich dabei auf August Bebels These von 1878: „Die Klassenherrschaft hat für immer ihr Ende erreicht, und mit ihr auch die Herrschaft des Mannes über die Frau.“3  Nach dieser These hätte es in der DDR keine Frauenorganisation geben müssen. In der Sowjetunion gab es auch keine, nur das Komitee der Sowjetfrauen, dessen ausschließliche Aufgabe in der außenpolitischen Vertretung der sowjetischen Frauen bestand. Die Unterordnung der Frauenfrage unter die Klassenfrage, die heute auf der Grundlage neuerer ethnografischer Forschungen als „Sackgasse“4  bezeichnet wird, prägte die Frauenpolitik der DDR grundlegend und nötigte die DFD-Verantwortlichen zu einer Gratwanderung zwischen schwesterlicher Verbundenheit und Parteitreue.

Historische Fakten zum DFD

Das belegen die folgenden ausgewählten historischen Fakten, die mehrheitlich im Bundesarchiv5 gefunden wurden:

Die Beschlüsse des Gründungskongresses vom März 1947 sahen vor, dass das Arbeitsfeld des DFD das Wohngebiet sein sollte, wie bei den Frauenausschüssen der Nachkriegszeit. Bereits im Oktober 1947 wurde die Bildung von DFD-Betriebsgruppen beschlossen, weil dem DFD-Vorstand der Anteil der Arbeiterinnen in der Mitgliedschaft als zu gering erschien. Anfang 1949 wurden alle inzwischen 1.470 DFD-Betriebsgruppen wieder aufgelöst, weil aus Sicht der SED-Verantwortlichen die ideologische Arbeit in den Betrieben ausschließlich der Klassenorganisation FDGB – dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund – zustand.

Im Februar 1948 stellte der DFD – nachweisbar ohne SED-Mandat – den Antrag, in die Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF) aufgenommen zu werden, eine 1945 in Paris von Überlebenden faschistischer Konzentrationslager gegründete und heute noch bestehende Vereinigung. Die Aktion war umstritten und fand erst nach einer Abstimmung unter allen DFD-Mitgliedern statt. Ende 1948 nahm die IDFF den DFD als Mitglied auf. Die Arbeit des DFD im Rahmen der IDFF wurde von der SED misstrauisch beobachtet, aber dennoch ökonomisch unterstützt.
DFD-Vorsitzende war jetzt die Journalistin Emmy Damerius-Koenen (SED), bis Frühjahr 1949.

Mitgliedsbuch des DFD, 1951

Einem Aufruf der IDFF folgend und ebenfalls ohne SED-Unterstützung beteiligte sich der DFD 1948 an einer Unterschriftensammlung für das Verbot von Atomwaffen. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden 5,3 Millionen Unterschriften gesammelt, in den westlichen Besatzungszonen – trotz Nichtgenehmigung der Aktion – 360.000. Diese Unterschriften erhielt die UNO in einer Adresse deutscher Frauen. Immerhin beglückwünschte der Parteivorstand der SED die Frauen anlässlich des Internationalen Frauentages 1949 zu diesem Erfolg. Inzwischen war die Schneiderin Elli Schmidt (SED) DFD-Vorsitzende (bis 1953).

Bis 1949 beteiligte sich der DFD aktiv an der DDR-Gesetzgebung. Die von der Verfassungskommission des DFD vorgeschlagene Formulierung für den Gleichberechtigungsgrundsatz wurde in die DDR-Verfassung aufgenommen:

Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.

Deshalb galt der § 218 des Bürgerlichen Strafgesetzbuches in der DDR nie. Auch am Entwurf des Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau von 1950 war der DFD beteiligt. Dieses Gesetz konkretisierte den Gleichberechtigungsgrundsatz, indem es zum Beispiel das Alleinbestimmungsrecht des Mannes in Familienangelegenheiten aufhob und eheliche Kinder den unehelichen gleichsetzte. Allerdings war der DFD damit auch an § 11 dieses Gesetzes beteiligt – ein Sieg des Patriarchats –, auf dessen Grundlage Abtreibungen mit medizinischer Indikation wieder verboten wurden. Nach 1949 verlagerte der DFD „sein Gewicht auf die Popularisierung von Gesetzen, die Entwicklung des Rechtsbewusstseins, die Stellungnahme und die Diskussion über Gesetzesvorschläge“6 .

Auf Initiative des DFD wurden seit 1951 bis zum DDR-Ende Schul-Elternaktive und -beiräte gegründet. Seit der erneuten Orientierung auf die Wohngebietsarbeit zählte er die Verantwortung für die junge Generation mit zu seinen Hauptaufgaben. Die dahinterstehende Frage nach der Verantwortung der Väter für die Entwicklung der Kinder wurde innerhalb und vor allem außerhalb des DFD erst Jahrzehnte später diskutiert.7

1952 wurde der DFD in die Nationale Front der Parteien und Massenorganisationen aufgenommen. Ab jetzt durften Abgeordnete in alle Volksvertretungen delegiert werden. Der DFD hatte in der Volkskammer zunächst 15 Sitze, ab 1963 – nach Vergrößerung der Volkskammer – 32.

Elli Schmidt und andere Vorstandsmitglieder wurden im Zusammenhang mit den Ereignissen des 17. Juni 1953 abgelöst. Der Bundesvorstand kooptierte sieben Arbeiterinnen und Bäuerinnen als Vorstandsmitglieder und wählte die Stenotypistin llse Thiele (SED), bis 1989, zur Vorsitzenden.

Die DFD-Zeitschrift Frau von heute stellte 1962 ihr Erscheinen ein, nachdem sie von der SED-Führung heftig kritisiert worden war.

Ab 1963 erschien die Frauenzeitschrift Für Dich – mit der Absicht, regelmäßig über den DFD zu berichten. Das geschah erst zuverlässig ab 1983, „als der DFD nach der Intervention der SED-Abteilung eine monatliche Doppelseite in dem Presseorgan zugesprochen bekam“.8

Der DFD beteiligte sich an den Weltfrauenkonferenzen der UNO in Kopenhagen 1980 und 1985 in Nairobi, jeweils im Nichtregierungs-Forum.

Aufruf zum 2. Frauenkongress der DDR vom 11. bis 13. Juni 1969

Vom DFD zum dfb e.V.

Innerhalb des DFD begann der Umbruch 1989 zunächst mit Tausenden von Briefen und Beschwerden der Basis an den Bundesvorstand.9  Dieser entschied sich am 16. November für eine grundlegende Erneuerung. Die seit 1953 amtierende Vorsitzende Ilse Thiele trat zurück. Die Lehrerin Eva Rohmann (SED/später parteilos) übernahm den Vorsitz.

Im März 1990 einigten sich 660 Delegierte eines außerordentlichen Bundeskongresses nach kontroversen Debatten auf neue Inhalte und eine neue Arbeitsform, um die Organisation als Interessenvertreterin ostdeutscher Frauen zu erhalten. Ende Oktober beschlossen die Delegierten eines weiteren Bundeskongresses auf der Basis des Grundgesetzes die Umwandlung des DFD in einen gemeinnützigen Verein, den Demokratischen Frauenbund e.V. (dfb). Sie wählten die Schriftstellerin Gisela Steineckert, die erst im August 1990 Mitglied geworden war, zur ehrenamtlichen Vorsitzenden.

Der dfb klagte erfolgreich gegen die Treuhandanstalt, als er Anfang der 1990er-Jahre am Weiterleben gehindert werden sollte. Während der entscheidenden Verhandlung am 17. Mai 1992 besetzten mehr als 400 Vereinsfrauen aus allen Ost-Bundesländern das Gerichtsgebäude.

Der Verein wird seit 1994 von der Dolmetscherin Brigitte Triems geleitet, die von 2008 bis 2012 Präsidentin der Europäischen Frauenlobby war. Er war Träger zahlreicher ABM-Projekte und ist bis heute in ostdeutschen Ländern arbeitsfähig. Er gründete 1993 ein juristisch selbstständiges Sozialwerk, ist Mitglied im Deutschen Frauenrat und beteiligte sich aktiv am NGO-Forum der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995. An allen bisher verfassten Alternativ-Berichten zu staatlichen CEDAW-Reports hat der dfb mitgeschrieben und auf die spezifische Situation ostdeutscher Frauen aufmerksam gemacht.

Die DFD-Geschichte ist weiter ein Forschungsfeld, das durch regionale und lokale Studien beitragen kann, den DFD differenziert darzustellen. Dazu sind Bestände in i.d.a.-Einrichtungen zu nutzen und gezielt einzuwerben.

Stand: 09. Oktober 2020
Verfasst von
Dr. Ursula Schröter

geb. 1941; Dr. phil., Mathematikerin, Soziologin; Forschungsthemen vor 1990 in der soziologischen Methodik und Rechentechnik, nach 1990: sozialistisches Patriarchat, Mitgliedschaften: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Demokratischer Frauenbund e.V. (stellv. Vorsitzende), Frauenbrücke Ost-West e.V.

Empfohlene Zitierweise
Dr. Ursula Schröter (2020): Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/demokratischer-frauenbund-deutschlands-dfd
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Netzwerk von Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD)

Biografie von Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD)

7.- 9.3.1947

Gründung

des DFD als gesamtdeutsche Frauenorganisation, erste Vorsitzende ist Anne-Marie Durand-Wever

1948

Antrag und Aufnahme des DFD in die Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF)

2. Bundeskongress des DFD in Berlin zu den Themen: Antifaschismus, Wettbewerb, Kindergärten, deutsche Einheit

1948

Unterschriftensammlung für das Verbot von Atomwaffen

1949 - 1953

Elli Schmidt ist 1. Vorsitzende des DFD.

1949

Die von der Verfassungskommission des DFD vorgeschlagene Formulierung für den Gleichberechtigungsgrundsatz wird in die DDR-Verfassung aufgenommen.

1950 - 1990

Das Funktionärorgan „lernen und handeln“ erscheint.

1951

Auf Initiative des DFD werden Elternaktive und -beiräte in den Schulen gebildet.

1952

Der DFD wird in die Nationale Front der Parteien und Massenorganisationen aufgenommen.

1953 - 1989

Ilse Thiele ist 1. Vorsitzende des DFD.

In der BRD wird der DFD als verfassungswidrige und staatsgefährdende Organisation verboten

1962

Die DFD-Zeitschrift ‚Frau von heute‘ muss ihr Erscheinen einstellen.

1964

Erster DDR-Frauenkongress

1969

Zweiter Frauenkongress der DDR

1980

Der DFD beteiligt sich an der Weltfrauenkonferenz der UNO im Nichtregierungsforum in Kopenhagen.

1985

Der DFD beteiligt sich an der Weltfrauenkonferenz der UNO im Nichtregierungsforum in Nairobi.

Die seit 1953 amtierende Vorsitzende Ilse Thiele tritt zurück .

Oktober 1990

Gründung der Nachfolgeorganisation des Demokratischen Frauenbundes – dfb e.V.

Fußnoten

  • 1Scholze, Siegfried et al.: Zur Rolle der Frau in der Geschichte der DDR. Vom antifaschistisch-demokratischen Neuaufbau bis zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1945 bis 1981). Eine Chronik, Leipzig 1986, S. 30.
  • 2Vgl. Schröter, Ursula / Rohmann, Eva: Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), in: Stephan, Gerd-Rüdiger et al. (Hg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 500‒529.
  • 3Bebel, August: Die Frau und der Sozialismus (1879), Berlin 1954, S. 575.
  • 4Lerner, Gerda: Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt a. M./New York 1991, S. 43.
  • 5Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) Berlin: Akten DY 30, DY 34, NY 40, NY 41; vgl. Schröter, Ursula: Die DDR-Frauenorganisation im Rückblick, in: Schröter, Ursula et al.: Patriarchat in der DDR. Nachträgliche Entdeckungen in DFD-Dokumenten, DEFA-Dokumentarfilmen und soziologischen Befragungen, Berlin 2009, S. 11‒63.
  • 6Bundessekretariat des DFD (Hg.): Auf dem Wege zur Million. Bericht des Bundessekretariats des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands zum 3. Bundeskongress vom 21.-24. April 1950 in Berlin, Berlin 1950, S. 183.
  • 7Vgl. Benjamin, Hilde: Wer bestimmt in der Familie?, in: Beilage zu Neues Deutschland, 1.2.1958, Berlin 1958; Grandke, Anita: Zur Entwicklung von Ehe und Familie, in: Wissenschaftlicher Beirat ‚Die Frau in der sozialistischen Gesellschaft‘ bei der Akademie der Wissenschaften der DDR (Hg.): Zur gesellschaftlichen Stellung der Frau in der DDR. Sammelband, Leipzig 1978, S. 229‒253.
  • 8Mocker, Elke: Demokratischer Frauenbund Deutschlands (1947-1989). Historisch-systematische Analyse einer DDR-Massenorganisation (Diss.), Berlin 1991, S. 78.
  • 9Rohmann, Eva: Wendezeiten – Zeitenwende. Vom DFD der DDR zum einheitlichen, unabhängigen Demokratischen Frauenbund e.V. (dfb). Eine Dokumentation – das Jahr der Wende, Berlin 1995.

Ausgewählte Publikationen