Über Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf)
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten sich vielerorts, so auch in Hamburg, antifaschistische Frauenausschüsse, um sich gegenseitig in der schwierigen Nachkriegszeit zu unterstützen. Außerdem fanden sich Frauen zusammen, die bereits in der bürgerlichen Frauenbewegung der Weimarer Republik aktiv gewesen waren und an ihre politische Arbeit anknüpfen wollten. Hieraus entstand im April 1946 der Hamburger Frauenring als überparteilicher Dachverband verschiedener Frauenorganisationen. In diesem waren jedoch keine politischen, gewerkschaftlichen und kirchlichen Frauengruppen zugelassen, um konfessionelle und parteipolitische Differenzen von vornherein zu verhindern. Die so angestrebte politische Neutralität des Hamburger Frauenrings empfanden einige Frauen jedoch als wirkungslos. Sie hielten es vielmehr für wichtig, über politische Frauenorganisationen als Mitglieder mit ihren Forderungen direkt an Parteien und Parlamente heranzutreten.1 Aus diesem Grund schlossen sich 1949 die Frauengruppen der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien von SPD, CDU, FDP und DP, der Akademikerinnen-, Juristinnen- und Ärztinnenbund, der Verein der Freunde junger Mädchen, der Club berufstätiger Frauen und die GEDOK (Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen e. V.) zur Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf) zusammen, die sich schnell zur größten Frauenlobby Hamburgs entwickelte.2
Struktur und inhaltliche Ausrichtung
Die ahf stellte sich als unabhängig, überparteilich und überkonfessionell dar, wobei damit die Aufnahme von Frauenvereinen unterschiedlicher politischer beziehungsweise konfessioneller Richtungen gemeint war. Kommunistisch und sozialistisch orientierte Frauengruppen blieben hingegen, wie auch bei anderen westdeutschen Frauenorganisationen, grundsätzlich ausgeschlossen.3
Ohne offizielle Gründungsversammlung war die ahf zunächst kein eingetragener Verband oder Verein, sondern ein loser Zusammenschluss, der dem Informationsaustausch und der gegenseitigen Unterstützung dienen sollte. Primäre schriftliche Quellen aus der Gründungszeit der ahf existieren nicht, da die beteiligten, durch die NS-Zeit geprägten Frauen, laut der Darstellung der Chronistin Friderike Kardel, in schriftlich dokumentierten politischen Äußerungen die Gefahr einer Diskreditierung sahen. Denkbar ist auch, dass insbesondere Plenumsmitglieder mit einer NS-Belastung schriftlich dokumentierte Meinungsäußerungen vermieden, um persönlichen negativen Konsequenzen vorzubeugen.4
Die erste überlieferte schriftliche Vereinbarung, die als eine Art Satzung der ahf gesehen werden kann, stammt aus dem Oktober 1953, in der die Arbeitsweise festgehalten wurde, die sich seit der Gründung etabliert hatte. Das wichtigste Organ der ahf war die Mitgliederversammlung, die in monatlichen Plenumstreffen tagte und zu der jede Mitgliedsorganisation eine feste Vertreterin entsandte. Jede beteiligte Organisation besaß die Möglichkeit, eigene Anliegen, die von allgemeinem Interesse waren, vorzutragen und innerhalb der ahf um Unterstützung zu werben. Keine Organisation war jedoch verpflichtet, Mehrheitsbeschlüsse anzuerkennen. Öffentliche Aktionen oder Stellungnahmen konnte die ahf nur bei einstimmigen Beschlüssen tätigen, was ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkte.5
Während ein geschäftsführender Ausschuss die Arbeit der ahf von Beginn an koordinierte, schuf sie sich erst 1957 mit dem Hamburger Verband für Fraueninteressen e. V. eine juristische Vertretung, die für ihre vermögensrechtlichen Maßnahmen verantwortlich war. Inhaltlich setzte sich die ahf seit ihrer Gründung für die Verwirklichung der im Grundgesetz verankerten Gleichstellung von Frauen und Männern ein. Hierfür betrieb sie Lobbyarbeit, indem sie Forderungen und Stellungnahmen etwa zu Arbeitsbedingungen, zur Alterssicherung von Frauen oder zum Familienrecht an politische Instanzen schickte. Außerdem forderte sie durchgehend mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen und im staatspolitischen System.6
Erfolgreiche Etablierung als Frauenlobby
Viele traditionelle Frauenorganisationen verloren in der restaurativen Adenauer-Ära der 1950er-Jahre an öffentlicher Bedeutung. Die ahf verzeichnete hingegen bis in die 1980er-Jahre eine anhaltend positive Entwicklung.7 Hatten die erste Satzung im Oktober 1953 noch 25 Mitgliedsorganisationen unterzeichnet, waren es rund 30 Jahre später bereits über 60.8 Dafür waren vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend: Erstens war die ahf seit 1955 an der Hamburger Verbraucher_innenmesse ‚Du und Deine Welt‘ beteiligt, indem sie zu jährlich wechselnden Themen eine Sonderschau organisierte und dafür vom Messeveranstalter bezahlt wurde. Von dem Budget konnte die ahf meist einen Überschuss einbehalten, der die Durchführung eigener Veranstaltungen und Aktionen ermöglichte.9 Zweitens prägten parteipolitisch engagierte Frauen die Organisationsarbeit in besonderem Maße. Trotz der Vielzahl an unterschiedlichen Mitgliedsvereinen wurde insbesondere der geschäftsführende Ausschuss bis in die 1980er-Jahre von SPD- und CDU-Frauen dominiert. Diese nutzten ihre Kontakte zum Senat und zur Bürgerschaft der Hansestadt erfolgreich für die Vereinsarbeit, wie etwa die staatliche Finanzierung des ahf-Vereinssitzes zeigt: Von 1966 bis 1987 wurde ihr nach einem interfraktionellen Antrag weiblicher Bürgerschaftsabgeordneter das ehemalige Gästehaus des Hamburger Senats, das Haus Wedells in der damaligen Neuen Rabenstraße, als Clubhaus zur Verfügung gestellt.10
Trotz der gewissen parteipolitischen Dominanz zeichnete sich die ahf aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Mitgliedsorganisationen vor allem durch Heterogenität aus. In den 1970er-Jahren beschäftigte sie sich auch mit Themen der Neuen Frauenbewegung, etwa mit der Debatte um die Reform des § 218 StGB oder der Frauenhausinitiative. Während sie sich für eine Unterstützung des Hamburger Frauenhauses entschied, positionierte sie sich nie zur Reform des Abtreibungsparagrafen – die gegensätzlichen Positionen der sozialen, kirchlichen und politischen Mitgliedsorganisationen ließen schlichtweg keinen einstimmigen Beschluss zu.11 Generell machten diese Themen aber nur einen Teil der vielfältigen ahf-Arbeit aus.
Schlaglichter auf Themenschwerpunkte
Da die Tätigkeiten der ahf sehr breitgefächert waren, können hier nur einzelne Schwerpunkte genannt werden:
Ein dauerhaftes Beschäftigungsfeld der ahf war die Situation von Kindern in Hamburg. Sie setzte sich für eine kinderfreundlichere Stadt, etwa durch mehr Spielplätze, und für mehr Kindergärten ein, um gerade berufstätige Mütter zu entlasten. Besonders stach zudem eine Denkschrift hervor, die die ahf im UN-Internationalen Jahr des Kindes 1979 veröffentlichte und in der sie unter anderem eine Stärkung von Kinderrechten forderte. Unter dem Motto ‚Die Gewalt ächten‘ engagierte sie sich vor allem gegen Kindesmisshandlung.12
Darüber hinaus war die ahf oft mit selbstorganisierten politischen Großveranstaltungen öffentlich präsent – die parteipolitischen Vertreterinnen nutzten persönliche Kontakte, um hochrangige Politiker_innen einzuladen, und ermöglichten diesen damit ein öffentliches Forum für die Darstellung ihrer politischen Ziele. Zugleich wurde die Aufmerksamkeit für ahf-Veranstaltungen durch die prominenten Gäste erhöht. Einerseits organisierte die ahf Kongresse und Tagungen zu konkreten frauenpolitischen Themen, wie den Internationalen Frauenkongress 1975. Hier diskutierten die ca. 600 Anwesenden aus 22 Ländern Schwierigkeiten und Ziele der Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen.13 Andererseits wurden Podiumsdiskussionen im Vorfeld von Wahlen veranstaltet, um insbesondere Frauen zu informieren, sie zum Wählen zu motivieren sowie Politikerinnen der etablierten Parteien zu unterstützen. Besonders sticht hierbei das Engagement für die Europawahlen hervor: Mit ‚Frauen wählen Europa‘ veranstaltete die ahf 1978 eine Podiumsdiskussion, bei der hochrangige Politikerinnen von SPD, CDU und FDP vor mehr als 2000 Hörer_innen die Rolle von Frauen im Europaparlament debattierten.14
Außerdem beteiligte sich die ahf an der Aktion ‚Babyjahre für alle Mütter‘, die eine Anpassung des Gesetzes zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung forderte. Dieses war am 1. Januar 1986 in der BRD in Kraft getreten und sah vor, dass sich nur nach dem 31. Dezember 1920 geborene Mütter und Väter nachträglich Kindererziehungszeiten auf die Rente anrechnen lassen konnten. Gerade der Ausschluss der Müttergenerationen von 1920 und früher sorgte für heftige Kritik – die ahf sammelte die Stellungnahmen von über 500 betroffenen Frauen und verfasste eine Protestresolution, die sie an die Bundesregierung, die im Bundestag vertretenen Parteien, politische Gremien in Hamburg und bundesweit an Frauenorganisationen verschickte. Wegen des wachsenden bundesweiten öffentlichen Drucks wurde das Gesetz 1987 um eine stufenweise Einbeziehung der Geburtsjahrgänge vor 1921 erweitert.15
Dies war eine der letzten großen Aktionen der ahf, bevor sie sich 1987 in Landesfrauenrat Hamburg e. V. umbenannte, der bis heute als größte Frauenlobby Hamburgs agiert.16
Biografie von Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf)
Fußnoten
- 1 Hagemann, Karen / Kolossa, Jan: Gleiche Rechte – gleiche Pflichten? Der Frauenkampf für „staatsbürgerliche“ Gleichberechtigung. Ein Bilder-Lese-Buch zu Frauenalltag und Frauenbewegung in Hamburg, Hamburg 1990, S. 204, 212–221.
- 2 Kardel, Friderike: Rückblick über die Tätigkeit der ahf aus dem Dezember 1975, in: LFR Hamburg, Ordner: Geschichte der ahf/Landesfrauenrat HH, S. 1 f. In einer anderen Quelle findet sich die Bezeichnung „Verein der Freundinnen junger Mädchen“, daher ist anzunehmen, dass Kardel bei der Aufzählung ein Schreibfehler unterlief.
- 3 Hagemann / Kolossa: Rechte, S. 220.
- 4 Kardel, Friderike: Rückblick über die Tätigkeit der ahf aus dem Dezember 1975, in: LFR Hamburg, Ordner: Geschichte der ahf/Landesfrauenrat HH, S. 5; Rentschler, Hannah: „…ob wir nicht alle Feministinnen sind.“ Die Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen 1966–1986, Hamburg 2019 (Hamburger Zeitspuren, Nr. 13), S. 23.
- 5 Vereinbarung der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen vom 23.10.1953, in: LFR Hamburg, Ordner: ahf 1958-1964.
- 6 Görig, Beate: 50 Jahre Landesfrauenrat Hamburg. Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen, Hamburg 1999, S. 17 f.
- 7 Bake, Rita: Die Ersten und das erste Mal... Zum 50. Geburtstag des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz. Was hat er Hamburgs Frauen gebracht?, Hamburg 1999, S. 16–19.
- 8 Jahresbericht der ahf 1985, in: LFR Hamburg, Ordner: Jahresberichte 1985-1988, Protokolle, Mietvertrag, Veröffentlichungen, Einladungen, S. 1.
- 9 Rentschler, Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen, S. 28 f., 75–80
- 10 Ebenda, S. 31 f., 51, 84–87.
- 11 Protokoll der Sitzung der ahf am 5. Juli 1971, in: LFR Hamburg, Ordner: Protokolle 1959-1971, S. 4 f.
- 12 Denkschrift [zum Internationalen Jahr des Kindes] vom April 1979, in: LFR Hamburg, Ordner: ahf 1976-1980, Protokoll u. a. m.
- 13 Rentschler, Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen, S. 81–84; [ohne Autor_in]: 600 Frauen aus ganz Europa wollen streiten, in: Welt am Sonntag vom 10.8.1975, S. 34.
- 14 Rentschler, Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen, S. 85 ff.
- 15 Ebenda, S. 89 ff.
- 16 Bake, Rita, ohne Datum: Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf), Zugriff am 19.11.2020 unter https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=4456&qN=arbeitsgemeinschaft%20hamburger.
Ausgewählte Publikationen
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Bake, Rita: Die Ersten und das erste Mal... Zum 50. Geburtstag des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz. Was hat er Hamburgs Frauen gebracht?, Hamburg 1999
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Bake, Rita / Heinsohn, Kirsten: „Man meint aber unter Menschenrechten nichts anderes als Männerrechte“: Theodor Gottlieb von Hippel, 1793. Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jahrhundert bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre. Hamburg 2012
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Görig, Beate: 50 Jahre Landesfrauenrat Hamburg. Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen, Hamburg 1999
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Hagemann, Karen / Kolossa, Jan: Gleiche Rechte – gleiche Pflichten? Der Frauenkampf für ,staatsbürgerliche‘ Gleichberechtigung. Ein Bilder-Lese-Buch zu Frauenalltag und Frauenbewegung in Hamburg. Hamburg 1990
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Rentschler, Hannah: „…ob wir nicht alle Feministinnen sind.“ Die Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen 1966–1986, Hamburg 2019 (Hamburger Zeitspuren, Nr. 13)