Anna Elisabet Weirauch Geboren am in Galaţi, Rumänien Gestorben am in Berlin (West)

Über Anna Elisabet Weirauch

Die Schauspielerin und Schriftstellerin Anna Elisabet Weirauch ist heute vor allem als Autorin der in der Weimarer Republik erschienenen Roman-Trilogie Der Skorpion bekannt. Sie war eine der ersten Autor*innen im deutschsprachigen Raum, die Frauenliebe offen und positiv thematisiert hat.

Elisabet Weirauch, so ihr Rufname, wurde als jüngstes von vier Kindern am 7. August 1887 in Galați (dt. Galatz) in Rumänien geboren. In der Stadt an der unteren Donau, nahe der heutigen Republik Moldau, war ihr Vater Gustav Weirauch seit 1882 für eine rumänische Handelsbank tätig. Der Berliner Kaufmann leitete zunächst deren Filiale in Galați, ab 1889 die in der nahegelegenen Stadt Brăila. Nach Gustav Weirauchs frühem Tod 1891 zog seine Witwe Alma Weirauch, geb. Schäffer (1846–1924), die aus einer hugenottischen Pfarrersfamilie stammte, mit ihren Kindern nach Deutschland, wo sie sich erst in Thüringen und 1893 in ihrer Geburtsstadt Berlin niederließ. Dort erwarb sie – nahe dem Nollendorfplatz in Schöneberg – das Haus in der Zietenstraße 16; die Hausnummer befand sich damals an der Ecke zur Winterfeldtstraße 18. Dort lebte auch Elisabet Weirauch bis Anfang der 1930er-Jahre.

Das Mädchen besuchte eine höhere Töchterschule und erhielt früh Schauspielunterricht, zunächst bei der Schauspielerin Adele Wienrich (1855–1914), dann bei Max Reinhardt (1873–1943). Im Anschluss an erste Engagements ab 1903 in Halle und Hamburg wurde sie von Reinhardt ans Deutsche Theater verpflichtet, dessen Leiter er seit 1906 war. In Shakespeares Sommernachtstraum debütierte die 19-Jährige im Januar 1906 in Berlin.

„Auf der Bühne des Deutschen Theaters ist in jüngster Zeit eine junge Schauspielerin, Elisabeth (sic!) Weirauch, durch ihre Grazie und Anmut aufgefallen“, hieß es 1906 in der Presse. „Die jugendliche Künstlerin wurde dank ihrer Begabung und ihrer blendenden äußeren Mittel von der Reinhardt’schen Schauspielschule weg direkt an das Deutsche Theater engagiert, wo sie namentlich als Porzia im ‚Kaufmann von Venedig‘ ihre Vorzüge zur besten Geltung gebracht hat.“1  

Die Schauspielkollegin Tilla Durieux (1880–1971) erwähnt Weirauch in ihren Memoiren als „eine sehr hübsche Erscheinung, die als ein Phänomen im Auswendiglernen sich auch zu einer sehr geschätzten Kraft des Reinhardt-Ensembles hinaufgearbeitet hatte“.2

Vermutlich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, zumindest aber bis 1916, trat Elisabet Weirauch in über 80 Reinhardt-Inszenierungen auf. 1916 wurde die Schauspielerin mit der goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. 

Mindestens einmal, nämlich 1917 in dem Zweiteiler Die Faust des Riesen, wirkte sie auch in einem Stummfilm mit – an der Seite von Henny Porten, die die Hauptrolle spielte.

Von der Bühne an den Schreibtisch

Warum sich Weirauch nach dem Ersten Weltkrieg entschloss, die ‚Bretter, die die Welt bedeuten‘ zu verlassen, ist nicht bekannt. „Über ein Jahrzehnt lang las man diesen Namen auf dem Theaterzettel des Deutschen Theaters. Er bedeutete eine Schauspielerin von starker, vielseitiger Begabung und reger Geistigkeit, die oft in der ersten Reihe stand und dennoch nie zu den Großen zählte. Dazu fehlte ihr – so schien es – die scharfumrissene, eigenwüchsige Art, die Persönlichkeit“,3 urteilte ein Kritiker 1919.

Ganz so plötzlich war der Professionswechsel nicht, denn schon während ihrer Theaterzeit hatte sie erste schriftstellerische Versuche unternommen. Drei Kinderstücke (Weihnachtsmärchen) wurden 1908, 1909 und 1911 am Deutschen Theater beziehungsweise am Lessing-Theater aufgeführt. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Romans ,Die kleine Dagmar (1918), widmete sie sich ganz dem Schreiben und avancierte schnell zu einer erfolgreichen und sehr produktiven Unterhaltungsschriftstellerin. Schon ihre Mutter Alma Weirauch soll schriftstellerisch tätig gewesen sein; ihr Großvater August Weirauch (1818–1883) war ein bekannter Berliner Possendichter. Im Lauf ihres Lebens verfasste Weirauch über 60 Romane, die teilweise als Fortsetzungen in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen erschienen. Meistens stehen Frauenschicksale im Vordergrund, so zum Beispiel in Ruth Meyer (1922) und Lotte (1932) oder Das Rätsel Manuela (1939; verfilmt 1944 unter dem Titel Es lebe die Liebe). Nicht selten ist Berlin Schauplatz der Handlung.

Ihr Erstlingsroman, Die kleine Dagmar, wurde 1921 von Alfred Halm verfilmt und im September desselben Jahres im Tauentzienpalast, damals ein bekanntes Premierenkino der UFA, uraufgeführt. Darin geht es um eine junge Sekretärin, die die Geliebte eines reichen alten Grafen wird und daran fast zugrunde geht. Doch schließlich entscheidet sie sich für ein Leben nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen, auch wenn sie dafür auf materielle Güter verzichten muss.

Der Skorpion ist wohl der einzige Roman von Weirauch, der sich dem Thema lesbische Liebe widmet (1919 erschien eine Novelle über eine homoerotische Jungenfreundschaft, Der Tag der Artemis). Allerdings ist Der Skorpion auch die einzige Trilogie der Autorin, was auf eine intensive Beschäftigung mit dem Thema schließen lässt. Hatte der Roman womöglich einen autobiografischen Hintergrund oder schrieb sie lediglich in aufklärerischer Absicht? Ersteres wurde 1920 in der Berliner Tageszeitung Der Tag bestritten: „Wer versucht hat, aus dem Skorpion die Individualität Anna Elisabet Weirauchs herauszuleiten, und sich dabei, wie es im Publikum vielfach geschehen ist, an das Stoffliche hielt, der muss jetzt zugeben, dass er sich geirrt hat.“4 Als vermeintlichen Beleg führte der Rezensent an, dass sich die nach dem Skorpion erschienenen Bücher der Autorin ganz anderen Themen widmeten.

Elisabet Weirauch hat keine Tagebücher oder ähnliches hinterlassen, sodass über die Hintergründe ihres Schreibens nur spekuliert werden kann. Am Theater hatte sie homosexuelle Kolleg*innen gehabt. Sie selbst war nicht verheiratet und lebte seit etwa Mitte der 1920er-Jahre bis zu ihrem Tod mit Helena Geisenhainer (1896–1990) zusammen. Nach 1933 waren sie häufig auf Reisen und siedelten dann von Berlin nach Gastag bei Traunstein in Oberbayern über. Ob dafür politische Gründe ausschlaggebend waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Als ehemaliges Mitglied des Verbands deutscher Erzähler trat Weirauch Joseph Goebbels’ Reichsschrifttumskammer bei, um auch während des Dritten Reiches weiter publizieren zu können; der NSDAP gehörte sie nicht an. In der NS-Zeit veröffentlichte sie etwa 20 Romane. Soweit feststellbar, waren diese frei von nationalsozialistischer Ideologie und unterschieden sich in Stil und Inhalt kaum von den vorhergehenden. Nur eines ihrer Bücher – Der Skorpion – wurde von den Nazis auf die ‚Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ gesetzt und durfte nicht mehr verkauft beziehungsweise musste aus Bibliotheken und Büchereien entfernt werden.

Doch bereits in den 1920er-Jahre waren Der Skorpion, Der Tag der Artemis und zwei weitere Romane von Weirauch als vermeintlich ‚anrüchige‘ Schriften von Zensurmaßnahmen bedroht gewesen. Die Titel erschienen auf dem Index der nach § 184 des Reichsstrafgesetzbuches ‚unbrauchbar zu machenden sowie der als unzüchtig verdächtigen Schriften‘, der von der Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder, Schriften und Inserate herausgegeben wurde. Eine Indizierung war jedoch nicht gleichbedeutend mit einem tatsächlichen Verbot. Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft Berlins nach eingehender Prüfung bei Weirauchs Büchern auf ein Verbot verzichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten Elisabet Weirauch und ihre Freundin zunächst in München; 1961 kehrten sie nach Berlin (West) zurück. Dort war die Autorin bis kurz vor ihrem Tod am 21. Dezember 1970 weiterhin schriftstellerisch tätig. Helena Geisenhainer verstarb am 10. August 1990. Beide Frauen wurden auf dem Domkirchhof St. Hedwig in Berlin-Reinickendorf beigesetzt.

Veröffentlicht: 28. Mai 2019
Verfasst von
Dr. Claudia Schoppmann

Jg. 1958, hat Germanistik, Geschichte und Publizistik in Münster und West-Berlin studiert und 1990 an der TU Berlin zur geschlechtsspezifischen Bekämpfung der Homosexualität im Dritten Reich promoviert. 1983 verfasste sie ihre Magisterarbeit über den Roman Der Skorpion von A. E. Weirauch, die 1985 publiziert wurde. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Stille Helden in Berlin.

Empfohlene Zitierweise
Dr. Claudia Schoppmann (2024): Anna Elisabet Weirauch, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/anna-elisabet-weirauch
Zuletzt besucht am: 14.12.2024

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Biografie von Anna Elisabet Weirauch

Geburt in Galaţi, Rumänien

1906 - 1916

Schauspielerin am Deutschen Theater in Berlin

1918

Beginn einer Karriere als Unterhaltungsschriftstellerin

Mitte der 1920er Jahre - 1970

Lebensgemeinschaft mit Helena Geisenhainer (1896-1990)

nach 1933

Umzug nach Gastag/Oberbayern

1961

Rückkehr nach West-Berlin

Tod in Berlin (West)

Fußnoten

  1. 1 Bilder vom Tage (o.Verf.), in: Berliner Illustrirte Zeitung, o.D. [Mitte 1906].
  2. 2 Durieux, Tilla: Eine Tür steht offen. Erinnerungen, Berlin 1954, S. 111.
  3. 3 [Grob], Ernst: Anna Elisabet Weirauchs Romane, in: 8-Uhr-Abendblatt (National-Zeitung), 72. Jg., 11.12.1919.
  4. 4 Neue Romane (Verfasserkürzel: jwh), in: Der Tag, 19. Jg., 18.2.1920.