Angela Braun-Stratmann Geboren am in Neuss Gestorben am in Bois-Colombes

Über Angela Braun-Stratmann

Eine der bedeutendsten Streiterinnen für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Saarland war die Sozialdemokratin und Frauenpolitikerin Angela Braun-Stratmann.

Ihr Motto umriss sie einmal so: „Uns fliegen keine gebratenen Tauben in den Mund, und wenige Männer werden eo ipso dazu bereit sein, ihre bisherigen, für sie vorteilhaften Sonder-Mann-Rechte, aufzugeben aus reinem Idealismus, oder um für die Frauen Majorität den Kampf zu führen, den sie selbst nicht führt. […] Die Frauen werden ihre Rechte auch erkämpfen müssen.“1

‚Freie Saar’ und sozialpolitisches Engagement

Diesen Kampf hatte sie auf mehreren Ebenen zu ihrem Lebensthema gemacht.
1892 in großbürgerlich-traditionelle Familienverhältnisse in Neuss hineingeboren, ging Angela Stratmann dort zunächst in den Schuldienst. Sie interessierte sich zunehmend für sozialpolitische Fragen, unterstützt durch ihren Freund und späteren Ehemann, den engagierten Sozialdemokraten Max Braun. Das Paar ging 1923 ins damalige unter Völkerbundverwaltung stehende Saargebiet, um den Kampf für die ‚freie Saar’, die nicht an Hitler-Deutschland fallen sollte, zu unterstützen.

Hier beteiligte sich Angela Braun-Stratmann 1924 an der Gründung der Arbeiterwohlfahrt (AWO), deren erste Vorsitzende sie bis Anfang der 1950er-Jahre war, ausgenommen die Jahre des Verbots durch die Nationalsozialisten. Hier wie in anderen Teilen Deutschlands sollte den bürgerlichen Wohlfahrtsverbänden, wie zum Beispiel dem Frauenverein für Saarbrücken und St. Johann oder dem Vaterländischen Frauenverein für die Stadt und den Kreis Saarbrücken, etwas entgegengesetzt und sozialdemokratisches soziales Engagement effektiver organisiert werden. Anstelle von Almosen setzte Braun-Stratmann sich mit der AWO für eine rechtliche Verankerung der sozialen Absicherung ein und förderte die solidarische Selbsthilfe von Arbeiterinnen und Arbeitern. So wurden unter ihrem Vorsitz Nähstuben und Volksküchen eingerichtet, Zeltlager für Kinder und Jugendliche durchgeführt, ein Mädchenwohnheim eröffnet und eine Sterbekasse etabliert. Vorträge, Kurse, und Arbeitsgemeinschaften sollten vor allem auch Frauen ansprechen und sie über ihre Rechte aufklären.

Zunehmend verschaffte Angela Braun-Stratmann sich auch als Journalistin einen Namen. Ab 1923 erschienen regelmäßig Artikel von ihr in der Volksstimme, einer Zeitung der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS). Häufig thematisierte sie darin die Rolle der Frau und die ihr vorenthaltenen politischen Rechte.

Doch dann unterbrach die Weltgeschichte das bisherige berufliche und politische Leben des Ehepaares Braun-Stratmann. Nach der Volksabstimmung im Saarland 1935 hatten sich nach erbitterten Auseinandersetzungen die BefürworterInnen eines Anschlusses an das nationalsozialistische Deutschland durchgesetzt. Gemeinsam flohen beide ins französische Exil, zunächst nach Metz, dann nach Paris. Hier wurde Angela Braun-Stratmann Mitarbeiterin im sozialistischen Flüchtlingsbüro für Saar-Emigranten und -Emigrantinnen. Nach Kriegsbeginn entkam das Ehepaar gemeinsam über Bordeaux, Marokko und Gibraltar nach London, wo es sein sozial- und friedenspolitisches Wirken fortführte. Als Ehrenamtliche im Women’s Voluntary Service und später als Regierungsmitarbeiterin für Kinder- und Ausgebombtenspeisung leistete Angela Braun-Stratmann ihren persönlichen Beitrag gegen die nationalsozialistische Weltkatastrophe. Nach Kriegsende und nach dem Tod ihres Mannes kehrte sie allein ins Saarland zurück und nahm die Fäden ihres Vorkriegswirkens wieder auf.

Mit Charme für Frauenemanzipation

Im AWO-Vorstand, als neugewählte SPS-Landtagsabgeordnete ab 1947, als Journalistin bei der Saarbrücker Zeitung und vor allem als Chefredakteurin der vermutlich auf ihre Initiative hin entstandenen ersten saarländischen Frauenzeitschrift Charme schuf Braun-Stratmann sich mehrere Plattformen für wirkungsvolles frauenpolitisches Engagement.
Schon vor den Landtagswahlen wirkte sie in der Verfassungskommission des Saarlandes an den Artikeln zu Ehe und Familie mit. Als eine von drei weiblichen Landtagsabgeordneten setzte sie sich dann für ihre Lebensthemen Völkerverständigung, eine europäische Lösung der Saarfrage, für internationale Jugendbildung und Frauenrechte ein.

Die erste Nummer der Charme – die Zeitschrift für die Frau kam 1947 heraus. Sie erschien von nun an zweimal monatlich, hatte pro Ausgabe einen Umfang von 24 bis 32 Seiten und wurde zunächst im Saargebiet, später im ganzen deutschsprachigen Raum vertrieben. Ihre Auflage betrug 70.000 Stück, in der damaligen durch Papiermangel und geringe Kaufkraft geprägten Nachkriegszeit eine erstaunlich hohe Zahl. Vermutlich spielte die prekäre Situation des damaligen Saargebiets zwischen politischer Eigenständigkeit und wirtschaftlichem Anschluss an Frankreich eine Rolle bei der Gründung. Die frauen- und friedenspolitische Haltung und das europafreundlich-frankophile Konzept der Chefredakteurin waren ganz im Sinne der französischen Geldgeber und sorgten für ein bis heute ungewöhnliches Konzept einer Frauenzeitschrift, das mit einer großen Bandbreite von Themen aufwartete: von Mode und emanzipatorischer Frauenpolitik über Unterhaltung und Lebensberatung bis hin zu gesellschaftspolitischen Aspekten. Die Chefredakteurin sah in der Charme eine Möglichkeit, Frauen als politische Subjekte anzusprechen, indem sie sie informierte und politisches Interesse bei ihnen weckte. Sie warb unermüdlich bei ihren Leserinnen darum, dass diese ihre Rechte wahrnahmen und sich als Frauen ins politische Tagesgeschäft einmischten.

Einen besonderen Stellenwert besaßen in dieser Hinsicht ihre Leitartikel, deren Gegenstand häufig das politische Zeitgeschehen war. So schrieb Braun-Stratmann 1948 in Charme: „Wenn mein Dach ein Loch hat, an dem ich unschuldig bin, durch das Regen, Schnee und Kälte hereinkommen, […], so wird weder mein Schimpfen, noch mein Rheumatismus, noch meine Resignation je das Loch flicken. Geholfen wird mir nur, wenn ich selbst Hand anlege. […] die Löcher in unserem Leben hat die Politik gemacht. Bis heute die Politik der Männer [...] Und zum Kritisieren hat man nur dann ein Recht, wenn man selbst alles getan hat, um praktische Abhilfe zu schaffen. Politik wird von Regierungen, Staatsmännern und Parlamenten gemacht, die auch wir wählen. Wie können, wie wollen wir wählen, wen oder welche Partei, wenn wir wie die vielleicht reinen, aber doch Toren zur Wahlurne gehen? Oder wenn wir uns blind von der Autorität irgend Jemandes beeinflussen lassen...?“2

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihres anspruchsvollen Konzepts konnte die Zeitschrift Charme sich nicht halten. Ihr Erscheinen wurde bereits im Februar 1949, eineinhalb Jahre nach der ersten Nummer, eingestellt.

Rückzug nach Paris

Angela Braun-Stratmann arbeitete weiter als Journalistin für die Saarbrücker Zeitung und als Landtagsabgeordnete der SPD, bevor sie sich 1953 krankheitsbedingt zurückzog. Seit der Ablehnung eines europäischen Saarstatuts 1955 durch die Mehrheit der saarländischen Bevölkerung, die die Eingliederung des Saarlands in die Bundesrepublik Deutschland zur Folge hatte – was Braun-Stratmann als Niederlage empfand –, lebte sie in die Nähe von Paris. Dort starb sie 1966.

Seit 1997 erinnert eine Straße im Handwerkerpark in Saarbrücken-Malstatt an die unermüdliche Kämpferin für Gleichberechtigung Angela Braun-Stratmann.

 

Stand: 20. April 2022
Verfasst von
Dr. Annette Keinhorst

geb. 1955, Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, der Amerikanistik und Romanistik, Gründerin und langjährige Leiterin der FrauenGenderBibliothek Saar, literarische Übersetzungen.

Empfohlene Zitierweise
Dr. Annette Keinhorst (2022): Angela Braun-Stratmann, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/angela-braun-stratmann
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Zitate von Angela Braun-Stratmann

Biografie von Angela Braun-Stratmann

Geburt in Neuss

1913 - 1923

Lehrerin in Neuss

1923 - 1935

Journalistin bei der Volksstimme, dem Blatt der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS)

19. März 1923

Heirat mit Max Braun

1924 - 1935

Mitbegründerin und Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Saar

9. - 10. Juni 1929

Mitorganisatorin der überparteilichen Frauentagung in Saarbrücken

Hauptrednerin auf der Sozialdemokratischen Frauenkonferenz Saarbrücken

1933 - 1933

Umzug des Ehepaars Braun in das Haus der Arbeiterwohlfahrt, welches bis 1935 wichtiger Sammelpunkt für Saarbrücker Antifaschistinnen und Reichsemigrantinnen wird

1936

Mitarbeiterin des „Office pour les Réfugiés Sarrois“, Paris

1939 - 1945

Mitarbeiterin der Women’s Volontary Service, ab 1941 „Superintendent of british restaurants“ beim „Ministry of Food“ Circenster, London

1939 - 1945

Exil: Aufenthalt in Forbach, Moulin-les Metz, Paris und London

1945

Rückkehr nach Saarbrücken und journalistische Tätigkeit für die Saarbrücker Zeitung

1946 - 1953

Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt im Saarland

1947 - 1949

Chefredakteurin der Frauenzeitschrift »Charme«

27. Oktober 1947

Teilnehmerin auf der ersten Frauenkonferenz in Fürth

1947 - 1952

Mitglied der gesetzgebenden Versammlung sowie Abgeordnete der 1. Wahlperiode des Saarländischen Landtags für die SPS und Mitglied der Verfassungskommission

1948

Einstimmige Wahl zur Vorsitzenden des Kulturausschusses des Landtages

Juli 1950

Mitglied des Verwaltungsrates der Universität des Saarlandes

13. Juli 1950

Vertreterin des Saarlandes als Delegierte auf einer Tagung der Europaunion in Beaume

Ehrenvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt im Saarland

Tod in Bois-Colombes

Fußnoten

  • 1Kommentar der Landtagsabgeordneten A.B. zu einer Radiosendung mit dem Thema: „Die Frau von heute und das Recht von 1900“, abgedruckt in: Charme, 1948, H. 9, S. 17.
  • 2Braun, Angela: „Politik, das interessiert mich nicht“, in: Charme, 1948, H. 13, S. 2.

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