Über Allgemeiner Deutscher Frauenverein (ADF)

Der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) war eine der größten und erfolgreichsten Selbsthilfeorganisation von Frauen in Deutschland, deren Geschichte bislang nur in Ansätzen erforscht ist. Der Verein, der von 1865 bis 1933 existierte, gilt als „das Herz und in gewisser Weise auch das Gehirn der deutschen Frauenbewegung“.

Mit der Gründung des ADF in Leipzig 1865 durch Louise Otto-Peters (1819–1895) und Auguste Schmidt (1833–1902) konstituierte sich die organisierte Frauenbewegung in Deutschland.1 Der ADF als überregional agierende Vereinigung der Frauenbewegung hatte in seinen Statuten festgelegt: „Der Allgemeine Deutsche Frauenverein hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken.“2 Er hielt im Zweijahresrhythmus Generalversammlungen an verschiedenen Orten im Deutschen Reich ab. Dem ADF traten zahlreiche der seit den 1860er-Jahren entstehenden Frauenvereine bei, die sich vorrangig für eine verbesserte Mädchenbildung und die Erschließung von Erwerbsmöglichkeiten für Frauen engagierten. Dies spiegelt sich in dem Vereinsnamen ,Frauenbildungsverein‛ wider, den sich viele Lokalvereine des ADF gaben.3 1877 schätzte die Vorsitzende des ADF, Louise Otto-Peters, dass der ADF und seine Zweigvereine bereits „mindestens 11–12 000 Frauen“4 als Mitglieder zählten.

Lebensbild über Auguste Schmidt
Auszug aus der Publikation "Der Verband Frankfurter Frauenvereine und seine Mitglieder"

ADF-Zeitschrift Neue Bahnen

1866 wurden die Neuen Bahnen als Publikationsorgan des ADF gegründet, die zunächst von Louise Otto-Peters unter Mitwirkung von Jenny Hirsch herausgegeben wurden, ab 1867 dann von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt. Die Neuen Bahnen entwickelten sich zu einer der bedeutendsten Zeitschrift der deutschen Frauenbewegung, die von 1866 bis 1920 existierte und noch reichlich Stoff für die Forschung bietet. Das Presseorgan des ADF war ein wichtiges Kommunikationsmittel, das aus den verschiedenen Regionen des Deutschen Reiches berichtete, über die Frauenbewegungen im Ausland informierte und neueste Literatur vorstellte.

Ausgabe der Neuen Bahnen vom 15. Mai 1905

Bessere Bildungschancen für Frauen und Mädchen

1889 reichte der ADF bei allen Unterrichtsministerien im Deutschen Reich eine Petition ein, in der er um die Zulassung von Frauen zu höheren Lehramtsprüfungen und zum Arztberuf bat. Der ADF verlangte in Anlehnung an die in der Gelben Broschüre von Helene Lange (1848–1930) formulierten Ziele zwar unmissverständlich eine verbesserte Ausbildung der Lehrerinnen. Er forderte jedoch nicht offensiv den Zugang der Frauen zu den Universitäten, sondern propagierte eine beschränkte Zulassung als weniger bedrohend wirkende Zwischenlösung.

Nach der Veröffentlichung der Gelben Broschüre setzten mithilfe des ADF verstärkt Kampagnen zur Verbesserung der Mädchenbildung und zur Zulassung der Frauen zur akademischen Ausbildung ein. Sie verzeichneten zwar wie auch die 1893 in dieser Angelegenheit gestartete Massenpetition an den Reichstag keinen unmittelbaren Erfolg, verhalfen dem Thema aber in der Öffentlichkeit zu großer Resonanz. In den Kultusministerien begann ein langsames Umdenken, das gerade die moderateren Teilforderungen der Frauenbewegung ausgelöst hatten.
1890 wurde zum 25jährigen Bestehen des ADF eine Frauenbibliothek in Troppau gegründet, die Literatur von und über Frauen sammelte und später nach Leipzig verlagert wurde. Sie stellte bis in die Weimarer Republik den ADF-Mitgliedern eine wichtige Materialsammlung zur Verfügung.

Nachruf auf Elisabeth Altmann-Gottheiner

Die wachsenden Chancen auf höhere Bildung für Frauen spiegelten sich auch in den Neuen Bahnen wider. 1907 übernahm Gertrud Bäumer (1873–1954) deren Redaktion. Sie war die erste Redakteurin dieser Zeitschrift, die 1905, noch vor der Zulassung von Frauen zu den Universitäten Preußens, in Berlin promovieren konnte. 1912 gab Bäumer diesen Posten an Elisabeth Altmann-Gottheiner (1874–1930) ab, die die Schriftleitung bis 1919 übernahm. Auch sie war promoviert (1904 in Zürich) und lehrte seit 1908 als Dozentin an der Handelshochschule in Mannheim.

Wenn sich auch viele der ersten Akademikerinnen in der Frauenbewegung betätigten, boten sie den älteren, in der Regel autodidaktisch gebildeten Aktivistinnen des ADF nicht nur Anlass zu Stolz und Freude. Bereits 1898 registrierte Auguste Schmidt enttäuscht, dass manche der studierten Frauen sich nicht in der Frauenbewegung engagierten, nur ihre persönlichen Ziele verfolgten und sich in keiner Weise dankbar dafür zeigten, dass die Frauenbewegung ihnen den Universitätszugang erkämpft hatte.5

Neuausrichtung unter Helene Lange

Nach dem Tod von Louise Otto-Peters wurde 1895 zunächst Auguste Schmidt Vorsitzende des ADF. Nach deren Tod 1902 folgte Helene Lange. Wegen der bereits erzielten Erfolge auf dem Bildungssektor – Zulassung der Frauen zum Abitur und zu den Universitäten – richtete diese die Arbeit des ADF schwerpunktmäßig auf die Beteiligung der Frauen in der Kommunalpolitik aus. Hier sollten Frauen politische Erfahrungen sammeln und ihren frauenspezifischen Beitrag zur Bewältigung der „nationalen Kulturaufgaben“6 leisten. 1907 wurde die Auskunftstelle für Gemeindeämter der Frau in Frankfurt am Main gegründet, deren Leitung Jenny Apolant (1874–1925) übernahm, um diese Arbeiten zu koordinieren und zu dokumentieren.

Ausgabe von "Die Frau in der Gemeinde" von 1920
Lebensbild über Jenny Apolant

Der Name des ADF wurde 1910 erweitert und lautete seitdem Allgemeiner Deutscher Frauenverein, zugleich Verband für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde. Sein Tätigkeitsbereich erstreckte sich vom sozialpolitischen Bereich (Armen- und Waisenpflege, Kranken- und Hebammenwesen, Jugendwohlfahrt, Fürsorge für weibliche Gefangene) über Rechtsschutz (Arbeiterinnenschutz, Gewerbeaufsicht, Vormundschaftsfragen) bis hin zur ,Sittlichkeitsfrage‛, Unterstützung der Flottenpolitik und dem Kampf für das Frauenwahlrecht.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs rief der ADF alle seine Mitglieder auf, im Nationalen Frauendienst mitzuarbeiten. Die Neuen Bahnen berichteten nun über die Bewährung der Frauen im Fürsorgebereich, in der Nahrungsmittelversorgung, bei der Arbeitsvermittlung und bei der Schulung der Hausfrauen. Die ehrenamtliche und die besoldete Arbeit von Frauen sowie ihr Einsatz in Männerberufen wurde dokumentiert. Es dominierten die Berichte über die Kriegsarbeit, die Frage nach der Gleichberechtigung der Frauen trat in der Arbeit des ADF während der Kriegsjahre in den Hintergrund.

Der ADF in der Weimarer Republik

1918 kam das Frauenwahlrecht auch für den ADF überraschend. Ein weiteres wichtiges Ziel war damit erreicht. Der AFD behielt die Fokussierung auf die politische Erziehung der Frauen bei und beteiligte sich an der Mobilisierung der Frauen für die Nationalversammlung. Die neuen verfassungsrechtlichen Bedingungen der Weimarer Republik ließen nunmehr keine klare Unterscheidung zwischen der 1909 noch von Bäumer geforderten „spezifischen Parteipolitik der Frauen“7 und der Parteipolitik der Männer im politischen Alltag zu. Die geschlechterspezifische Aufgabenteilung und die parteipolitische Neutralität, für die der ADF stand, erschienen überholt. Einerseits gehörten politisch aktive Frauen in der Regel einer Partei an, andererseits nahmen Gewerkschaften und Berufsorganisationen zunehmend Frauen in ihre Reihen auf. So wurde es immer schwieriger, „die Frauenvereine neben den Parteiorganisationen lebenskräftig zu erhalten.“8

Helene Lange trat 1921 auf der 31. Generalversammlung des ADF in Hannover aus Altersgründen als Vorsitzende zurück. Als ihre Nachfolgerin wurde Dorothee von Velsen (1883–1970) gewählt. Die neue politische Situation, in der selbst die Fernziele des ADF bereits erreicht schienen, sowie die Inflation setzten den Verein zunehmend unter Druck. Er wollte sich nun ganz darauf konzentrieren, die Frauen bei der Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Aufgaben zu unterstützen. Seit 1923 führte er den Untertitel Deutscher Staatsbürgerinnenverband.9 Auch orientierte sich nun, wie in seinen Anfangszeiten, wieder international. Ebenfalls 1923 schloss er sich dem Weltbund für Frauenstimmrecht an und informierte das deutsche Publikum regelmäßig über die internationale Situation von Frauen – unter anderem, indem er Flugblätter zum ,Stand des Frauenstimmrechts in der Welt‛ drucken ließ.10 1928 wurde aus dem Untertitel der Obertitel und der Verein hieß seitdem Deutscher Staatsbürgerinnenverband e. V. Allgemeiner Deutscher Frauen-Verein 1865. Als sich der ADF 1933 der Deutschen Frauenfront unterordnen sollte, löste er sich am 24. September 1933 auf einer außerordentlichen Generalversammlung in Leipzig auf.

Veröffentlicht: 10. September 2018
Verfasst von
Prof. Dr. Angelika Schaser

ist Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Hamburg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. die Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie die Autobiographie- und Biographieforschung. 2010 erschien ihre Schrift „Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft“ in einer zweiten aktualisierten Auflage. 2006 veröffentlichte sie das Buch „Frauenbewegung in Deutschland 1848–1933“.

Empfohlene Zitierweise
Prof. Dr. Angelika Schaser (2024): Allgemeiner Deutscher Frauenverein (ADF), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/allgemeiner-deutscher-frauenverein-adf
Zuletzt besucht am: 02.12.2024

Netzwerk von Allgemeiner Deutscher Frauenverein (ADF)

Fußnoten

  1. 1 Schötz, Susanne: Zur Entstehungsgeschichte des Allgemeinen deutschen Frauenvereins vor 135 Jahren in Leipzig, in: Hundt, Irina / Kischlat, Ilse (Hg.): Zwischen Tradition und Moderne. Frauenverbände in der geschichtlichen Kontinuität und im europäischen Diskurs heute, Berlin 2002, S. 11–23.
  2. 2 § 1 der Statuten in: Twellmann, Margrit: Die deutsche Frauenbewegung im Spiegel repräsentativer Frauenzeitschriften. Ihre Anfänge und erste Entwicklung 1843–1889, Bd. 2, Meisenheim am Glan 1972, S. 136.
  3. 3 Vgl. die Liste der Lokalvereine des ADF bei Twellmann, Margrit: Die deutsche Frauenbewegung, S. 149.
  4. 4 Otto-Peters, Louise: Das erste Vierteljahrhundert des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Leipzig 1890, zitiert nach Twellmann: Deutsche Frauenbewegung, S. 150.
  5. 5 Wex: Staatsbürgerliche Arbeit, S. 39.
  6. 6 Vgl. Schaser, Angelika: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft. Köln / Weimar / Wien 2010. S. 79-85.
  7. 7 Gertrud Bäumer auf der 25. Generalversammlung des ADF in Darmstadt im Oktober 1909.
  8. 8 Protokoll der 31. Generalversammlung des ADF in Hannover 1921.
  9. 9 Stoehr, Irene: Emanzipation zum Staat? Der Allgemeine Deutsche Frauenverein – Deutscher Staatsbürgerinnenverband (1893–1933), Pfaffenweiler 1990, S. 124 f.
  10. 10 Flugblatt von 1925, in: HLA 52-239/3.